Drei Fragen an... Christoph Antweiler

In Trier findet vom 15. bis 17. Juni der Kongress ¡Die erschöpfte Theorie?

- Evolution und Kreationismus in Wissenschaften statt. Im Vorfeld stellt der hpd die Referenten und ihre zentralen Thesen in Kurzinterviews vor.

Prof. Dr. Christoph Antweiler ist Professor für Ethnologie an der Universität Trier. Sein Vortrag „Evolutionstheoreme in den Sozial- und Kulturwissenschaften - Zusammenhänge und Analogien" findet am Samstagabend (19 Uhr) statt.

 

 

hpd: Welche der an Darwin anknüpfenden wissenschaftlichen Ansätze können in den Humanwissenschaften gewinnbringend eingesetzt werden?

Christoph Antweiler: Es gibt einen ganzen Strauß von durchaus verschiedenen Ansätzen, zum Beispiel die Humanökologie, die Humansoziobiologie, die Evolutionspsychologie und - meines Erachtens besonders interessant - so genannten Koevolutionstheorien. In der Theorie der zweifachen „Vererbung" (dual inheritance theory) etwa wird das Zusammenspiel der genetischen Vererbung im wörtlichen Sinn und der kulturellen „Vererbung" durch Nachahmung und Tradierung untersucht. Neben Theorien, die konkrete Kausalitätszusammenhänge zwischen der Bioevolution und dem Wandel von Gesellschaften untersuchen, gibt es andere Ansätze, die Phänomene organischer und kultureller Evolution als grundverschieden ansehen, aber spezifische Gleichheiten zwischen beiden Prozessen suchen. Solche Analogien finden sich zum Beispiel zwischen menschlichen Innovationen und der Rekombination in der Evolution.

hpd: Können Sie einen solchen heute ablaufenden „Selektionsprozess" in seinen Wirkungen auf menschliche Gesellschaften anhand eines Beispiels beschreiben?

Christoph Antweiler: Die physische Umwelt übt Selektionsdruck auf uns Individuen aus. Ich sehe Selektion aber nicht als einen spezifischen Prozess, sondern als ein allgemeines Prinzip der materiellen Welt. Selektion ist nicht an einen bestimmten Vererbungsmechanismus gebunden. Überall, wo die Ressourcen begrenzt sind, es vererbte Unterschiede gibt, die Individuen verschieden gut angepasst machen, greifen selektive Vorgänge. Aus dieser Sicht ist Selektion ein substratneutrales Prinzip.

hpd: Inwiefern kann die Kultur ihrerseits auf die Bioevolution zurückwirken?

Christoph Antweiler: In sehr vielfältiger Weise. Jede Gesellschaft führt ja dauernd Maßnahmen durch, welche die Fortpflanzungswahrscheinlichkeit ihrer Mitglieder beeinflussen. Beispiele sind die Behandlung von Kranken, Sicherheitsmaßnahmen für den Straßenverkehr, Militäreinsatze im Irak etc. etc. Darunter sind Maßnahmen, die eine solche Wirkung beabsichtigen und andere, die das nicht tun, aber sich dennoch auf Fortpflanzungswahrscheinlichkeit auswirken. Eine besonders interessante unter den neueren Theorien fragt, wie Menschen durch kulturelle Einflüsse die Ökonische, in der ihre Gesellschaft lebt, verändern und dadurch die selektiven Drücke dieser Umwelt auf die Gesellschaft systematisch kulturell überformen (theory of niche construction). Mehr dazu ... in meinem Vortrag.

 

Die Fragen stellte Martin Bauer.

Weitere Informationen zum Kongress.