Von „Wundersalben“ und PR-Kampagnen

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Beda Stadler / Foto: Screenshot "hart aber fair"

KÖLN/BERN. (hpd) Bei der vergangenen ARD-Sendung „hart aber fair“ war das eigentliche Thema die Grippeimpfung und die Pharmaindustrie, bis die Sendung am Schluss eine eigenartige Wendung nahm und eine neue „Wundersalbe“ anpries. Beda Stadler, der in der Talkrunde saß, protestierte sofort, hpd fragte ihn warum.

hpd: Hallo Herr Professor Stadler, das Thema der Sendung änderte sich am Schluss und es hieß: „Wie Pharmakonzerne ein Medikament verhindern“. Hatten Sie bereits vor der Sendung von diesem Präparat gehört?

Beda Stadler: Nein, vor der Sendung habe ich nichts von und über diese Wundersalbe gehört. Ich bin mir daher sehr überrumpelt vorgekommen und habe zwischen die Zeilen gehorcht. Mein Riecher wird sich wahrscheinlich als richtig erweisen und eine nüchterne Stellungnahme meinerseits hätte wenig Wirkung gezeigt.


hpd: Was heißt das bitte im Einzelnen.

B.S.: Halten wir fest: Wer ein wirkungsvolle Salbe als frei von Nebenwirkungen bezeichnet, glaubt an Wunder. Ich kenne tatsächlich keine Medikamente ohne Nebenwirkungen, aber viele nebenwirkungsfreie Präparate ohne Wirkung. Das ist ein verlässliches Warnsignal, wenn jemand versucht, andere Menschen über den Tisch zu ziehen.

Wenn man in der Debatte Psoriasis mit Neurodermitis (ein Begriff, der aus medizin-sexistischer Gründen nicht mehr verwendet wird, da es richtigerweise um die atopische Dermatitis gehen sollte) verwechselt und mangels Langzeitstudien optisch mit Bildern von kranken Kleinkindern operiert, der versucht bewusst, die Urteilsfähigkeit der Zuschauer zu manipulieren. Das war ein weiteres Warnsignal.
 

hpd: Hatten Sie noch weitere Hinweise?

B.S.: Der Moderator hatte mich vor dem Gespräch mit dem Journalisten Martens mit einer Suggestivfrage schon zur Aussage gezwungen, dass die Pharmaindustrie allenfalls Tricks anwenden könnte, wenn es darum geht Medikamente auf den Markt zu bringen.

Dazu stehe ich noch jetzt. Im Gespräch wurden medizinische Fakten verweigert, aber auf die Daten verwiesen, die am nächsten Tag aufgeschaltet werden sollen. Die habe ich heute angeschaut. Nicht mal bei Orphan Drugs würde die Pharmaindustrie für so was eine Zulassung erhalten...


hpd: Hatte Ihre emotionale Reaktion, Sie haben „Scharlatanerie“ und „Betrug“ gesagt, eine Wirkung?

B.S.: Erst nach meinem emotionalen Einwand wurde geklärt, dass es sich bei der Mischung eines Vitamins mit einem undefinierten Öl nicht um ein eigentliches Medikament handelt, sondern um ein Linderungsmittel. Die Seidenverbände des armen gezeigten Kindes gehören auch in diese Klasse. Wer weiß, wie viele Salben und Tinkturen auf dem Markt sind mit ähnlicher Wirkung?

Nach der Sendung wurde es besonders lustig. Wie es heißt, sollen dem Erfinder von der Pharmaindustrie 15 Millionen Euro für das Patent geboten worden seien. Das Angebot sei dankend abgelehnt worden. Das Patent sei dann aber in seinem Nachlass von dem geschäftstüchtigen Menschen, der wahrscheinlich hinter der genialen Werbekampagne steht, für 250 Tausend Euro gekauft worden.


hpd: Wird so ein Preis gerechtfertigt sein?

B.S.: Schwerlich, so ein Patent taugt nichts, da es kein Stoffpatent ist. Lukrativ wird die Sache erst, wenn man herausfindet, welcher Bestandteil im Avocadoöl allenfalls zusammen mit Vitamin B12 den beschriebenen Effekt bewirkt. Dafür muss man aber keinem geschäftstüchtigen Erfinder ein Pseudopatent abkaufen. Also das Industriebashing war hier ziemlich unangebracht. Schließlich wollte ich diskutieren, wie man die Industrie dazu bringt, ihre Impfstoff-Verträge mit den Regierungen zu revidieren. Das war das Thema der Sendung und nicht Schleichwerbung für Alternativmedizin. Im Übrigen tun mir die vielen lebendigen Hühner, die man noch ein Jahr lang zu Impfzwecken verwenden wird, mehr leid als ein gekränkter Journalist, der nicht bereit war, seine Beweggründe darzulegen.

hpd: Danke für das Gespräch.