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Foto: Evelin Frerk

05. 12.

Deutschland – (k)ein weltanschaulich-neutraler Staat?

Vortrag und Diskussion mit Jessica Hamed (ifw) an der Universität Freiburg

Von Verfassungswegen hat der deutsche Staat weltanschaulich neutral zu agieren. Nicht nur der Blick auf das Kreuz in so mancher Amtsstube – auch außerhalb Bayerns – weckt Zweifel an der Einhaltung dieses Gebots, sondern es verhält sich tatsächlich so, dass viele Gesetze nicht nur den (heiligen) Geist der christlichen Religionen atmen, sondern zum Teil, so Hamed, lassen sie sich im Ergebnis auch nur damit "begründen". Jessica Hamed wird in ihrem Vortrag das Publikum auf eine Reise durch den Rechtsalltag mitnehmen und anhand zahlreicher größerer und kleinerer Beispiele zuweilen mit einem ironischen Zwinkern zeigen, wie weit Deutschland von der Verwirklichung des weltanschaulich-neutralen Staates entfernt ist.

Statt allgemeinen Ethikunterricht einzuführen, wird Religionsunterricht in NRW inzwischen in sieben Bekenntnissen angeboten. Neben dem Glockengeläut der Kirche hören die Kölner Bürger:innen nunmehr auch den Muezzinruf. Bedeutet weltanschaulich-neutral, dass man nunmehr von allen Seiten mit den religiösen Vorlieben seiner Mitmenschen behelligt wird? Und warum zahlen alle Bürger:innen nach über 100 Jahren Verfassungsauftrag, die sog. Staatsleistungen an die Kirchen abzulösen, immer noch jährlich über eine halbe Milliarde an die Kirchen? Neben der Kirchensteuer, die von den Gläubigen bezahlt wird und die einzigartigerweise auch der Staat direkt mit einzieht.

Wie verzahnt Politik und Kirche sind, so Hamed, zeigt sich zudem in besonders erschütternder Weise, wenn man den staatlichen Umgang mit Fällen sexuellen Missbrauchs in den beiden großen christlichen Kirchen betrachtet. Die Zurückhaltung der staatlichen Ermittlungsbehörden hat ihrer Meinung nach das systematische Vertuschen der Taten durch die Kirchen begünstigt und naheliegenderweise weitere Verbrechen ermöglicht. Sie wird in dem Zusammenhang auf die aktuellen Geschehnisse im Hinblick auf die juristische Aufarbeitung des Missbrauchsskandals insbesondere des Erzbistums Köln eingehen.
Thematisiert werden aber auch anstehende juristisch-ethische Fragen, wie die nach einer Neuregelung des Schwangerschaftsabbruchs und dem aktuellen Stand der Sterbeassistenz in Deutschland.

Jessica Hamed leitet als stellvertretende Direktorin gemeinsam mit Prof. Dr. Jörg Scheinfeld das Institut für Weltanschauungsrecht, sie ist Fachanwältin für Strafrecht und lehrt seit 2019 an der Hochschule Mainz. Außerdem ist sie publizistisch tätig und hat bislang u. a. in FAZ Einspruch, Berliner Zeitung und Cicero mehrere Gastbeiträge veröffentlicht. Häufig mahnt sie dort die Beachtung rechtsstaatlicher Regeln an, geht aber auch auf gesamtgesellschaftliche Zusammenhänge ein und ist zudem eine beliebte Interviewpartnerin für die kritische Einordnung staatlicher Grundrechtseingriffe. Während ihres Studiums der Rechtswissenschaft in Mainz und Buenos Aires setzte sich Jessica Hamed unter anderem als Vorsitzende des Allgemeinen Studierendenausschusses für die Belange der Studierenden ein und engagierte sich zudem gegen Rassismus.