Braunschweig: Salafistischer Moscheeverein verboten

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Braunschweig
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Die niedersächsische Innenministerin Daniela Behrens hat in der vergangenen Woche den salafistischen Verein Deutschsprachige Muslimische Gemeinschaft (DMG) verboten und ließ die Polizei Objekte in Braunschweig durchsuchen. Nicht verboten wurde hingegen die Deutsche Muslimische Gemeinschaft (ebenfalls abgekürzt DMG), die vom Verfassungsschutz beobachtet wird. Warum man beide Gemeinschaften leicht verwechseln kann, eine von ihnen aber jetzt verboten wurde.

Die Niedersächsische Innenministerin erklärt in einer Mitteilung: "Das Verbot der DMG ist ein harter Schlag gegen die salafistische Szene in Niedersachsen und darüber hinaus. Mit den Verbotsmaßnahmen nehmen wir den deutschsprachigen salafistischen Predigern ihre wichtigsten Plattformen zur Verbreitung ihrer extremistischen Ideologie und schwächen die Szene damit empfindlich." Weiter heißt es: "Wir dulden keine Vereine, in denen regelmäßig vermeintlich Ungläubige, Frauen oder Juden sowie unsere Gesellschaftsordnung im Gesamten abgewertet werden und zu deren Bekämpfung aufgerufen wird."

Das Innenministerium spricht von einem massiven und vielfältigen Onlineangebot der nun verbotenen DMG, wo Predigten auf Deutsch übertragen und auf einem YouTube-Kanal eingestellt wurden. Es gibt beziehungsweise gab auch Kanäle auf Instagram, Telegram und TikTok, wo insbesondere auch junge Menschen erreicht werden. Die Plattformbetreiber wurden aufgefordert, diese Kanäle schnellstmöglich stillzulegen. Die Website der DMG in Braunschweig ist offenbar bereits offline. Der YouTube-Kanal war zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Artikels noch zugänglich.

Begründet wird das Verbot in Niedersachsen damit, dass die DMG durch ihre Ideologie in aggressiv-kämpferischer Weise "die Bildung von Parallelgesellschaften, die Ungleichbehandlung von Frauen, den Gedanken der Höherwertigkeit der Scharia und der Überlegenheit von Muslimen, die Intoleranz gegenüber anderen Religionen sowie Antisemitismus und Israelfeindlichkeit" fördere. Staatliche Institutionen und demokratische Strukturen würden als Feindbild der Muslime stilisiert, so das Innenministerium in Niedersachsen.

Verboten wurde dort jetzt die Deutschsprachige Muslimische Gemeinschaft. Diese ist leicht zu verwechseln mit der ähnlich heißenden Deutschen Muslimischen Gemeinschaft (ebenfalls DMG abgekürzt) mit Sitz in Berlin, die nicht verboten wurde. Trotzdem lohnt sich ein genaueres Hinsehen. Die Deutsche Muslimische Gemeinschaft, ehemals als Islamische Gemeinschaft in Deutschland (IGD) im Jahr 1958 gegründet, gilt als eine der ältesten muslimischen Organisationen in Deutschland. Als IGD war sie Gründungsmitglied des Zentralrats der Muslime und weiterer islamischer Vereinigungen. Vom Zentralrat der Muslime ist die spätere DMG im Januar 2022 ausgeschlossen worden. Das hat Gründe.

Die Deutsche Muslimische Gemeinschaft steht nämlich unter Beobachtung durch das Bundesamt für Verfassungsschutz. Im Verfassungsschutzbericht 2022 wird die DMG auf Seite 226 behandelt1. Dort erfährt man, dass sie Stand 2021 etwa 400 Mitglieder hatte und als "die wichtigste und zentrale Organisation von Anhängerinnen und Anhängern der 'Muslimbruderschaft'" (MB) in Deutschland angesehen wird. Ziel der DMG sei, "gegenüber Politik, Behörden und zivilgesellschaftlichen Partnern als Ansprechpartnerin eines vorgeblich gemäßigten, weltoffenen Islam in Erscheinung zu treten." Sie verfolge aber "eine an der MB-Ideologie ausgerichtete Strategie der Einflussnahme im politischen und gesellschaftlichen Bereich". Die DMG habe zwar bei öffentlichen Auftritten Bekenntnisse zur Muslimbruderschaft und auch verfassungsfeindliche Äußerungen vermieden. Der Verfassungsschutz stellt aber fest, dass "zahlreiche Verbindungen zwischen hochrangigen DMG-Funktionären und namhaften ausländischen Muslimbrüdern […] die Zugehörigkeit der Organisation zum weltweiten MB-Netzwerk" verdeutlichen.

Screenshot vom YouTube-Kanal
Screenshot des YouTube-Kanals

Wenn jetzt parallel zur Razzia in Braunschweig auch Objekte in Berlin durchsucht wurden, könnte man natürlich Vermutungen anstellen. Bekannt ist aber nicht, welche Objekte genau betroffen sind. Auch in Gifhorn gab es einen Polizeieinsatz. Die Razzien und das niedersächsische Vereinsverbot dürften – so wird es jedenfalls dargestellt – Auswirkungen auf die gesamte salafistische Szene in Deutschland haben. Laut Redaktionsnetzwerk Deutschland war die Moschee der DMG in Braunschweig jahrelang ein bundesweiter Treffpunkt salafistischer Prediger. Allein in den vier Wochen vor ihrem Verbot soll die DMG zudem etwa 90 Videos veröffentlicht haben. Ihr YouTube-Kanal hat mehr als 83.000 Abonnenten, der TikTok-Kanal über 35.000 Follower.

Einige der der wichtigsten und bekanntesten salafistischen Prediger und Social-Media-Influencer sollen in Braunschweig aufgetreten sein und Videos produziert haben. Darunter sind Abul Baraa, der seine Zuhörerschaft auffordert, die Mehrheitsgesellschaft abzulehnen und sich in einer salafistischen Parallelwelt abzuschotten, Ibrahim El-Azzazi, der wegen Körperverletzung und Vergewaltigung seiner Ehefrau in Essen vor Gericht steht und Pierre Vogel, der andächtig nickt, wenn Arafat Abou-Chaker in einem gemeinsamen Video Benjamin Netanjahu mit Adolf Hitler vergleicht.

Wohin die rege Onlinetätigkeit islamistischer Prediger führt, hat das Kriminologische Forschungsinstitut in Niedersachsen (KFN) im April in einer Studie gezeigt, aus der hervorgeht, wie stark muslimische Schüler einen islamischen Gottesstaat gegenüber der Demokratie bevorzugen. Moritz Pieczewski-Freimuth hatte die Ergebnisse im Humanistischen Pressedienst vorgestellt und als eine Ursache das Wirken der oben genannten TikTok-Imame identifiziert, die Jugendliche auf eine Segregation von der Mehrheitsgesellschaft einschwören.

Das Vereinsverbot dürfte in Niedersachsen sicherlich nicht der letzte Akt in dieser Angelegenheit gewesen sein. Wie das Kompetenzzentrum Islamismusprävention Niedersachsen (KIPNI) angibt, leben Stand Dezember 2019 im Bundesland etwa 900 Salafisten. Diese seien in losen Netzwerken organisiert, träten oft als Kleingruppen und Einzelpersonen auf oder träfen sich in einschlägigen Moscheen. Von diesen Moscheen wurde eine jetzt verboten. Laut KIPNI "lassen sich salafistische Tendenzen in Niedersachsen flächendeckend, nicht nur in Großstädten", feststellen. Das Vorgehen des Staates war sicherlich richtig. Aber man muss schon sehr naiv sein, wenn man glaubt, das Problem jetzt aus der Welt geschafft zu haben.

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  1. Hinweis des Autors: Es gibt inzwischen einen neuen Verfassungsschutzbericht ↩︎