WIESBADEN. (hpd) In den vergangenen Monaten haben sich auf ihren jeweiligen Mitgliederversammlungen die Freireligiöse Gemeinde Wiesbaden, die Freireligiöse Gemeinde Neu-Isenburg sowie die Freireligiöse Landesgemeinde Hessen in "Humanistische Gemeinschaft Wiesbaden, Neu-Isenburg und Hessen" umbenannt. Ein Kommentar von Andreas Henschel, Geschäftsführer der Humanisten Baden-Württemberg, ehemals Freireligiöse Landesgemeinde Württemberg.
Vorausgegangen war ein langjähriger, teilweise erbittert geführter inner- und außerverbandlicher Diskussionsprozess (teilweise nachzulesen in der unter den alternierenden Bezeichnungen "Freie Religion" bzw. "Der Humanist") erscheinenden Publikation des Bundes Freireligiöser Gemeinden) zwischen den Vertretern, die den Begriff der Religion im Namen nicht aufgeben wollten und denen, die die Zeichen der Zeit erkannt haben und die Bezeichnung "Freireligiös" seit Jahren als für jegliche positive Entwicklung der Gemeinschaft hinderlich empfanden und daher nun endlich los werden wollten.
Letztlich zwang dann auch die pure Not zur Veränderung. Die teilweise durchaus vermögenden Gemeinschaften verloren einfach immer mehr Mitglieder, insbesondere die starke Überalterung wurde zum größten Problem und machte den Gemeinden immer mehr zu schaffen. Der Erosionsprozess führte z.B. dazu, dass in Darmstadt, einst eine bedeutende Heimstadt der Freireligiösen Bewegung, das dortige Gemeindezentrum verkauft werden musste. Unter dem Namen "Freireligiös" ist es eben schon seit Jahrzehnten nicht mehr möglich zeitgemäße Angebote zu formulieren und neue Mitglieder in nennenswerter Zahl zu gewinnen um einen Fortbestand der Gemeinden wie auch der freireligiös-freidenkerischen Tradition zu sichern und das allmähliche Ausbluten zu stoppen. Und wo man die Freireligiösen Gemeinschaften überhaupt noch findet, befinden sich diese mehr oder minder flächendeckend, sowie es der jetzige Ministerpräsident von Baden-Württemberg im persönlichen Gespräch mir gegenüber ausdrückte "merkwürdig aus der Zeit gefallen".
Mit der Umbenennung versuchen die Hessen sich nun auf den Weg der Modernisierung zu begeben, den andere Verbände wie z.B. der Humanistische Verband in Niedersachsen oder in Bayern, aber auch in Württemberg, nunmehr die Humanisten Baden-Württemberg, schon vor Jahrzehnten eingeleitet und seither erfolgreich beschreiten, ohne dabei das freireligiöse und freidenkerische Erbe bzw. Tradition zu leugnen.
Mit dem Abschied vom Begriff "Religion" und der Bezeichnung "Humanistische Gemeinschaft" will man nun auch in Hessen vor allem den heutigen weltanschaulichen Überzeugungen der Mitglieder sowie den veränderten gesellschaftlichen Rahmenbedingungen auf zeitgemäße Weise Rechnung tragen und versucht in Zukunft auch zu vermeiden, weiterhin mit evangelikalen Freikirchen verwechselt zu werden – ein unter der alten Bezeichnung "Freireligiös" übliches, weitverbreitetes, quasi reflexhaftes und daher für die freigeistigen Gemeinschaften ausgesprochen kontraproduktives, entwicklungsschädigendes Missverständnis, dem man, selbst wenn sich der außenstehende Betrachter oder Gesprächspartner auf längere Erläuterungen einließ, kaum je entkommen konnte.
So findet sich nun auch in der neuen Verfassung der hessischen Gemeinschaft, die ebenfalls den Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts besitzt, deutlich der Bezug zum Humanismus als eine undogmatische und säkulare Weltanschauung verankert, deren Präambel nun wie folgt lautet: "Die Humanistische Gemeinschaft Hessen (HuGH) hat ihre Wurzeln in der Aufklärung und der Demokratiebewegung der Revolution von 1848, woraus die freireligiöse Weltanschauung und das Freidenkertum entstanden sind. In ihr sind Menschen unterschiedlicher Weltanschauungen organisiert. Unser Spektrum umfasst Agnostiker, Atheisten, Freidenker, Freireligiöse, Humanisten, Pantheisten und andere Freigeister. Was uns eint, ist das Eintreten für Toleranz und weltanschauliche Neutralität des Staates, für Solidarität der Menschen untereinander und Gerechtigkeit sowie der verantwortungsvolle Umgang mit der Natur."
Konsequent fassten die Hessen nach der Umbenennung auf ihrer Landesversammlung noch einen weiteren Beschluss: Mit dem Ende des Jahres 2015 verlassen sie den Bund Freireligiöser Gemeinden Deutschlands, der im 19. Jahrhundert gegründeten traditionellen Dachorganisation von freireligiösen Gemeinden. Dieser anzugehören sahen allerdings selbst die noch einigermaßen intakten Freireligiösen Gemeinden wie z.B. in Idar-Oberstein oder in Mainz aufgrund seiner jahrzehntelangen rein auf Formalien beschränkten Aktivitäten keinen Sinn mehr und so verließen den Bund in den letzten Jahrzehnten weitestgehend alle noch bestehenden Gemeinschaften, sodass der in anhaltender Agonie befindliche Verbund fortan nur noch aus drei Mitgliedern, der Freireligiösen Landesgemeinde Pfalz und Baden sowie der Freireligiösen Gemeinde Offenbach bestehen wird.
Doch mit einer Namensänderung allein ist es nicht getan, das wissen auch die Hessen. So will man im Dialog mit dem Humanistischen Landesverband Hessen zunächst sowohl die Inhalte und Angebote wie auch das äußere Erscheinungsbild überarbeiten und modernisieren und so könnte in einem offenen Prozess, wie ihn die Baden-Württemberger bereits erfolgreich vorgemacht haben, allmählich zusammenwachsen, was zusammengehört. Ein erster Schritt dahin war die gemeinsam von der Humanistischen Gemeinschaft Wiesbaden und dem Humanistischen Verband Hessen veranstaltete Jugendfeier in diesem Jahr.
3 Kommentare
Kommentare
Stefan Wagner am Permanenter Link
Das klingt vernünftig. Der Name war mir unbekannt und ich hätte auch getippt, dass das eine evangelikale Organisation ist.
Mirko am Permanenter Link
Geht mir genau so.
Da ist es doch schöner, wenn die Verbände ihre Kräfte bündeln :)
Mannomann am Permanenter Link
Merkwürdigerweise scheinen die freidenkerischen/freireligiösen/humanistischen Kreise wenig attraktiv für junge Leute zu sein. Ich hab einige in meiner Region besucht ... es tut mir leid: es sind Altherrenclubs.