The Green Wave – ein Film geht unter die Haut

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Quelle: WDR / © Dreamer Joint Venture

BERLIN (hpd) Im Beisein des Regisseurs Ali Samadi Ahadi wurde gestern in Berlin der Film „The Green Wave“ gezeigt. Die Ereignisse in Iran vor und vor allem nach der gefälschten Wahl im Sommer 2009 sind Inhalt des Filmes. Er ist genreübergreifend und ergreifend, er ist ebenso beklemmend wie hoffnungsvoll.

„Ich musste diesen Film machen.“ sagt Ali Samadi Ahadi. „Ich hätte mich nicht im Spiegel anschauen können, wenn ich ihn nicht gemacht hätte. Wenn großartige Kollegen wie Jafahr Panahi in Iran nicht drehen können, ich das hier aber kann, dann muss ich es tun.“

Was Ahadi dann machte, gereicht ihm und seinem Team zu aller Ehre. „Wie kann ich einen Film über diese Zeit drehen ohne in Iran drehen zu können?“ Die Lösung fand sich darin, dass er reale Szenen aus YouTube-Videos mit Animationen mischte, in denen die Geschichte zweier fiktiver Protagonisten erzählt wird. Die aus Blogbeiträgen entstandenen, sehr nahen Geschichten und die düstere Kraft der Bilder sind sowohl faszinierend als auch kaum erträglich in ihrer Intensität.

Es ist richtig, wenn Ahadi sagt, dass er diese Wirkung nicht erreicht hätte, wenn er die Gefängnisse, die Folterungen und die Ohnmacht von Schauspielern hätte nachspielen lassen müssen. Gerade auch die Intensität der manchmal wie roh gezeichneten Bilder lassen diese doppelt wirken. Man weiß als Zuschauer immer, dass man etwas miterlebt, das es so im Einzelfall wahrscheinlich nicht gab. Das es ein Symbol für Vieles ist, das in jenen Tagen in Iran geschah. Und bis heute geschieht.

Die „Grüne Welle“ ist – und das zeigt der Film in der Kinofassung deutlicher als in der TV-Version – eine Bürgerbewegung; eine, die Menschen aus allen Schichten und allen politischen Richtungen umfasste und umfasst. Das macht sie so mächtig. Und das macht die Enttäuschung nach der Wahlfälschung umso bitterer.
Mussawi und Karroubi sind keine Revolutionäre, sie – und der Großteil von den Millionen, die auf die Straße gingen – wollten keine Revolution sondern Reformen. Doch selbst das wird ihnen vom islamischen Regime verwehrt.

Die Spannung des Filmes wird immer wieder positiv unterbrochen durch Interviews mit bekannten und weniger bekannten Iranern, die im Exil leben. Shirin Ebadi kommt zu Wort, Payam Akhavan und der Blogger Mehdi Mohseni. Insbesondere dessen letztes Statement im Film ist sehr anrührend, da er aus sehr persönlichem Erleben spricht während Ebadi und Akhavan wie emotionslos, dafür aber um so klarer in ihren Aussagen sind.

„Dieser Film muss in den Schulen gezeigt werden und in die Bibliotheken kommen und Pflicht werden für jeden Außenpolitiker des Landes.“ sagte eine Frau im Publikum.
Ja. „The Green Wave“ hat viel Aufmerksamkeit verdient. Nicht nur von Menschen wie mich, denen das Thema sowieso am Herz liegt. Denn manchmal lernt der Mensch besser über Emotionen als über rationale Berichte. Es ist nicht vorstellbar, was Folter für die Opfer bedeutet, wenn wir nur darüber hören. Aber wir sind alle emphatische Wesen; und bedrückende Bilder wie die der trauernden Mütter vor dem Evin-Gefängnis, Bilder der prügelnden Basijd, das leuchtende Rot des Bluts oder der Junge in der Lache von verschüttetem Joghurt … das sind Bilder, die man nicht so einfach vergessen kann.

Merci für diesen Film.

Nach dem Film gab es ein Podiumsgespräch an dem der Regisseur Ali Samadi Ahadi, die iranische Journalistin Negin Behkam, der seit langem in Berlin lebende iranische Politiker Mehran Bahrati sowie Bernd Asbach von der Heinrich Böll Stiftung teilnahmen.

Interessant fand ich, dass der Regisseur noch einmal auf die Bedeutung der deutschen Außenpolitik für den Iran hinwies. Er kritisierte den Außenminister, Guido Westerwelle scharf. Nicht dafür, dass er die beiden Journalisten Marcus Hellwig und Jens Koch zurück nach Deutschland holte. Aber dafür, dass er sich hinterher nicht deutlich gegen das islamische Regime positionierte. Wenige Tage vor dem Besuch Westerwelles wurde wieder Menschen, die für eine Demokratisierung des Iran auf der Straße waren, verhaftet und ermordet. Das nicht anzusprechen – und sei es in der Sicherheit Deutschlands – ist eine Tatsache, die nicht nur bei Ali Samadi Ahadi Unverständnis hervorruft.

Frau Negin Behkam war im Sommer 2009 selbst noch in Teheran. Sie sprach über die Gründe, weshalb sich die „Grüne Bewegung“ zusammenfand. Und über ihre Kollegen, die entweder ins Ausland geflohen sind oder in den Gefängnissen des Regimes sitzen. Viele von ihnen können auch – obwohl aus den Gefängnissen entlassen – nicht arbeiten, da sie auf Kaution freigekommen sind. Es geht für die Betroffenen oft nicht einmal nur um das eigene Schicksal, sondern vor allem um das der Familien, die diese oft horrend hohen Kautionen aufbrachte.

Mehran Bahrati wies darauf hin, dass es in auch Berlin - wie überall in Deutschland - Menschen und Vereine gibt, die sich um die Flüchtlinge aus dem Iran kümmern. Aber auch darauf, dass es Seitens der deutschen Regierung zwar eine gute Zusammenarbeit gibt; aber von den zugesagten 50 Flüchtlingen erst 33 Deutschland erreichten. (siehe auch die Artikel hier und hier)

Frank Navissi