Wagner & Me

(hpd) Als er 11 Jahre alt war hörte Stephen Fry auf dem Grammophon seines Vaters die Ouvertüre zu Richard Wagners „Tannhäuser“. Seit diesem Tag ist er glühender Verehrer der Musik Wagners. 44 Jahre später lädt er das Kino-Publikum nun ein, ihm bei einer Reise in die musikalische Welt des wohl umstrittensten Komponisten aller Zeiten zu begleiten.

Wagner revolutionierte die europäische Musik, erfand den modernen Dirigierstil, war aber auch Verfasser antisemitischer Hetzschriften.

Wie ein kleines Kind freut sich Stephen Fry im Orchestergraben des Bayreuther Festspielhauses auf dem Dirigentenstuhl Platz nehmen zu dürfen, hinter die Kulissen blicken zu können oder seinen Gesprächspartnern im Film zu erläutern, welche Emotionen und Gedanken es in ihm auslöst, die Musikdramen Wagners zu hören. Er reist auf den Spuren von Wagners Leben und Wirken durch Deutschland, in die Schweiz und nach Russland; letzte Station soll die Erfüllung eines lebenslangen Wunsches sein, der Besuch einer Aufführung der Bayreuther Festspiele. Bleibt für ihn noch zu klären: darf er das überhaupt?

Stephen Fry kommt aus einer jüdischen Familie und teilt seine Liebe zu Wagners Musik „mit … ihm.“ Adolf Hitler. Dieser verehrte Wagner, missbrauchte dessen Musik für seinen Propaganda-Apparat, stand in engem Verhältnis zu Wagners direkten Nachkommen und förderte die Festspiele in Bayreuth. Zu dieser Zeit war Wagner allerdings bereits rund 50 Jahre tot. Doch Wagner verfasste 1850 auch eine antisemitische Hetzschrift mit dem Titel „Das Judentum in der Musik“.

Als Kind war Stephen Frys Verhältnis zu Wagner einfach, je älter er aber wurde desto tiefer empfand er einerseits die Liebe zu dieser Musik, andererseits wurde diese auch immer komplizierter. Bevor er sich also seine Lieblingsmusik in Wagners Festspielhaus ansehen kann, spricht er mit verschiedenen Personen, um die eine oder andere für ihn schmerzhafte Frage zu klären. Was hat zum Beispiel Anita Lasker-Wallfisch zu seinem Plan (Bayreuthbesuch) zu sagen, die als junges Mädchen in Ausschwitz nur überleben konnte, weil sie in der Lager-Kapelle Cello spielen konnte? Oder Waleri Gergijew, der im berühmten Mariinski-Theater in St. Petersburg  als Intendant unter anderem Wagners Ring-Zyklus aufführte?

Stephen Fry ist nicht nur Schriftsteller, Dichter und Moderator, er ist auch Journalist und Comedian – gerade diese beiden Tätigkeiten prägen diesen Film. Mit authentischer Begeisterung für die Musik, journalistischem Eifer und selbstironischem Humor beginnt er seine Untersuchung über die Musik und die Person Wagners. Dabei beschränkt er sich nicht nur auf die oben genannten Aspekte, neben einer Zusammenfassung der revolutionären Schaffensgeschichte Wagners, seiner politischen Ideale und der Frage warum Wagners Musik so viele Menschen so tief berührt, erhält man einen selten offenen Einblick in die Proberäume des Bayreuther Festspielhauses.

Ob Stephen Fry allerdings guten Gewissens Wagner hier wird genießen können, bleibt bis gegen Ende des Filmes offen. Bevor er sich allerdings entscheidet gibt er dem Zuschauer noch einen Rat mit auf den Weg: Wer es noch nicht getan hat sollte es auf einen Versuch ankommen lassen – und sich wenigstens einmal auf ein Musikdrama Richard Wagners eingelassen haben.

Nicolai A. Sprekels

 

Filmtrailer.

Website zum Film.