Über wie viel Brücken muss man geh‘n ...

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Norbert Denef / Foto: Privat

SCHARBEUTZ. (hpd) Berlin ist eine Reise wert, so heißt es immer wieder. Die Reise, die Norbert Denef morgen von seinem Wohnort Scharbeutz nach Berlin plant, dürfte eine der ungewöhnlichsten, mit anderen nicht vergleichbare sein. Am Freitag, 13. Juli 2012, wird er um 14:00 Uhr vor dem Reichstag in Berlin sein.

Ausgestattet mit Transparenten, Ideen und Parolen war der Vorsitzende von netzwerkB (B wie Betroffene) in den letzten Jahren immer wieder in die Hauptstadt und den Regierungssitz unseres Landes gereist, um mahnend in Begleitung einiger meist auch Betroffener und Fürsprecher die Forderung zu präsentieren: "Weg mit den Verjährungsfristen bei sexualisierter Gewalt an Kindern und Jugendlichen".

In den letzten Jahren schienen die Politiker und Delegierten geschüttelt von Missbrauchs-Offenbarungen, und gedrängt ihre Aufgaben: Termine, Pressekonferenzen, einige Demonstrationen zum Runden Tisch ehemaliger Heimkinder (und Eckiger Tisch, Canisius-Kolleg, sexueller Mißbrauch, sexualisierte Gewalt, Verjährungsfristen,…) sowie Buchpräsentationen einhalten zu müssen. Wenn sie zu ihren Treffen kamen, stand Norbert Denef fast immer draußen vor der Tür mit dem Appell: die den Täter schützenden Verjährungsfristen müsse weg. So wartete er, bis er sich eingestand, dass eine Veränderung der rechtlichen Situation sich mit Straßendemonstrationen nicht erreichen lässt.

Rückblickend auf die letzten drei Reisen, zogen diese Entscheidungen und Konsequenzen nach sich, die Denef sich vorher niemals hätte ausdenken mögen.

Am 6. Dezember 2011 trug er in seiner Funktion als Vorsitzender von netzwerkB auf der Delegierten-Versammlung der SPD im Willy-Brandt-Haus die Forderungen der Betroffenen von sexualisierter Gewalt vor. Er wurde nicht nur gehört. Die Delegierten begrüßten zu dieser Stunde seine Ansicht, applaudierten stürmisch. Die SPD stand zu seiner Forderung! Das war sein Ergebnis, mit dem Denef seine Rückreise antrat.

Nur bewegte sich in den kommenden Wochen und Monaten die Position der SPD nicht tatsächlich. Es hieß: Der Beschluss des Parteitages lautete nicht, die Aufhebung der Verjährungsfristen umzusetzen sondern, "sich für die Belange der Opfer einzusetzen".

Denef reiste erneut an, fragte erst bei der SPD, später in den anderen Fraktionen nach, wie es mit deren Ansicht zur Aufhebung der Verjährungsfristen stehe und wann das Gesetz in Gang gebracht werden würde. Ausweichend freundliche Antworten, Verständnis für sein Anliegen. Denef verließ das politische Berlin ohne greifbare Ergebnisse. Er reiste mit leeren Händen ab.

Am 8. Juni 2012 meldete der Vorsitzende von netzwerkB: Ich bin im unbefristeten Hungerstreik, weil die Bundestagsfraktion der SPD nicht dazu bereit ist, sich im Deutschen Bundestag für die generelle Aufhebung der Verjährungsfristen von sexualisierter Gewalt einzusetzen, gleichwohl sich die Delegierten des Bundesparteitages der SPD am 6. Dezember 2011 eindeutig dafür ausgesprochen haben. Denef verzichtet darauf, die anderen Fraktionen des Bundestages überhaupt nur anzusprechen.

Begleitende Hungerstreiker kommen und gehen, sind dabei auf langen Strecken an seiner Seite. Der Deutsche Bundestag hat sich bis zum 7. September 2012 in die Sommerpause verabschiedet.

Am 35. Streiktag betont Denef am Telefon, er behalte sich weiter vor, den von ihm unbefristeten Hungerstreik nach eigenem Ermessen zu beenden, irgendwann müsse er das eben tun. Ihm gehe es darum, ein Signal zu setzen, so dass sich kein Politiker mit dem faulen Argument herausreden kann, er habe nicht davon gewusst, dass Täter, die anderen Menschen, speziell Kindern und Jugendlichen gegenüber sexualisierte Gewalt ausüben, durch Verjährung geschützt werden. Denefs Stimme ist schnell, klingt fest, fast fröhlich. Erkenntnisse habe er in der letzten Zeit gewonnen, er sei ohne Wut, ohne Druck und gehe nicht mit der Absicht der Erpressung vor.

Sein Hochzeitstag war an einem Freitag, dem 13., ein Glückstag in seinem Leben. Dieses Datum wolle er nutzen, um erneut nach Berlin zu kommen. Seinen Besuch hat er per Mail in den politischen Gremien verbreitet und sagt, schauen wir einmal, wer mit mir reden mag. Er sei bereit, aber eingeladen habe er niemanden.

Auf die Wiese vor dem Reichstag, wo jeder von uns sein kann, bringt er einen Erkennungsball mit und darauf steht: "Verjährungsfristen aufheben!“

Evelin Frerk

 


Der Erkennungsball vor dem Reichstagsgebäude / Foto: netzwerkB