Alibri geht gegen unfaire Berichterstattung vor

ASCHAFFENBURG. (hpd) Am 6. März hat die Bundesprüfstelle entschieden: der Antrag des Bundesfamilienministeriums

, das religionskritische Kinderbuch „Wo bitte geht's zu Gott?", fragte das kleine Ferkel auf die Liste der jugendgefährdenden Medien zu setzen, wurde abgelehnt, das „Ferkelbuch" also nicht indiziert.

 

In der Öffentlichkeit wurde der „Ferkelbuch-Streit" sehr intensiv geführt. Der Verlag erfuhr einiges an Solidarität (so forderten 22 säkulare Verbände aus dem deutschsprachigen Raum in einer gemeinsamen Erklärung „Meinungsfreiheit auch für Religionskritiker", andererseits gab es vorsichtige Zurückhaltung und teilweise heftige Kritik. Auch in den Medien entwickelte sich eine kontroverse Diskussion, die bis heute anhält. Der Streit um das „Ferkelbuch" erreichte eine so große Relevanz, dass auf Wikipedia ein eigenes Stichwort zum Buch angelegt wurde.

In einigen Fällen überschritt die Kritik allerdings die Grenze dessen, was noch als fair bezeichnet werden kann. Das meint jedenfalls der Alibri Verlag und setzt sich jetzt gegen diese Form der Berichterstattung auch auf dem Rechts- und Beschwerdeweg zur Wehr. „Wir scheuen ganz sicher nicht vor einer inhaltlichen Auseinandersetzung zurück", sagte Verleger Gunnar Schedel, „aber wenn mit falschen Tatsachenbehauptungen oder böswilligen Verdrehungen gearbeitet wird, haben Argumente keine Chance."

Den Vogel schoss dabei die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) ab. In der Ausgabe vom 5.3.2008 - also einen Tag vor der Verhandlung vor der Bundesprüfstelle - behauptete Thomas Thiel in einem Artikel über die Einweihung des Giordano Bruno-Denkmals in Berlin, das Buch sei „auf dem Index der Bundesprüfstelle" gelandet. Aufgrund dieser offensichtlich falschen Tatsachenbehauptung, die sich tatsächlich rufschädigend auswirken kann, fordert der im Text genannte Autor Michael Schmidt-Salomon von der FAZ einen Widerruf.

Deutscher Presserat angerufen

Den Deutschen Presserat rief der Verlag in einem anderen Fall an: Der Journalist Ulrich W. Sahm hatte zunächst auf ntv.de, dann in leicht abgeänderter Form im Feuilleton der NRZ behauptet, die „Formulierung ‘Menschen vernichten'" sei „der Nazisprache" entlehnt und insofern handele es sich um eine „vielleicht gar antisemitisch angehauchte Darstellung" (ntv) bzw. „vielleicht sogar latent anitsemitische Darstellung" (NRZ - Neue Ruhr Zeitung). Abgesehen davon, dass die behauptete Formulierung in dieser Form im „Ferkelbuch" gar nicht vorkommt, sieht der Verlag in Sahms Artikeln aus zwei Gründen den Versuch einer gezielten Diffamierung des Autors Michael Schmidt-Salomon. Denn die Nationalsozialisten beschrieben ihre Verbrechen mit euphemisierenden Begriffen; die Vernichtung der europäischen Juden wurde zum Beispiel verharmlosend als „Endlösung der Judenfrage" benannt.

Mit geringem Rechercheaufwand hätte Sahm herausfinden können, was tatsächlich die Quellen waren, aus denen Schmidt-Salomon seine Formulierungen entlehnt hat: Kinderbibeln. Die erschreckende Darstellung der Sintflutgeschichte findet sich in diversen für Kinder ab acht Jahren empfohlenen Bibeln; dort hätte Sahm auch die von ihm beanstandete Formulierung lesen können. Da sich das „Ferkelbuch" in erster Linie an Kinder richtet, erscheint es folgerichtig, wenn der Autor Kinderbibeln zur Hand nimmt, wenn es darum geht, die religiösen Mythen in einer Sprache, die möglichst nahe am Original liegt, nachzuerzählen.

Indem Ulrich W. Sahm das Buch ohne sachliche Grundlage in die Nähe des Antisemitismus rückt, sah der Alibri Verlag den Pressekodex nach Achtung der Wahrheit (Ziffer 1) und gegen die Sorgfaltspflicht (Ziffer 2) verletzt und rief der Presserat an. (Da sich der Presserat allerdings nur mit Druckerzeugnissen im engeren Sinne befasst, wird er lediglich die Veröffentlichung in der NRZ dahingehend prüfen.)

Dienstaufsichtsbeschwerde

Eine Dienstaufsichtsbeschwerde brachte der Verlag gegen den Leitenden Oberstaatsanwalt in Aschaffenburg, Ernst Wich-Knoten, auf den Weg. Die Staatsanwaltschaft in Aschaffenburg hatte eine Strafanzeige zu prüfen, die das Bistum Rottenburg-Stuttgart gegen das „Ferkelbuch" gestellt hatte. Sie kam zu dem Ergebnis, dass das Buch keine strafbaren Inhalte enthalte; ein förmliches Ermittlungsverfahren wurde nicht eingeleitet. Dies wurde Mitte Februar bekannt; auf Nachfrage des Evangelischen Pressedienstes (epd) äußerte der Leitende Oberstaatsanwalt offenbar, das Buch sei ein „perfides Machwerk in der Maske des religiösen Kinderbuchs".

Jedenfalls fand dieses Zitat über eine epd-Meldung weite Verbreitung. Was als persönliche Meinungsäußerung des Bürgers Wich-Knoten selbstverständlich wäre, ist als Aussage eines Leitenden Oberstaatsanwaltes - und als dieser wird er zitiert - problematisch. Denn ein Beamter muss sich bei Äußerungen innerhalb bzw. gelegentlich des Dienstes, sofern es um Fragen geht, die seine Dienstaufgaben oder die Organisation seines Dienstbereiches betreffen, unsachlicher, in der Ausdrucksweise unangemessener Kritik enthalten. An diese Vorgabe habe sich der Leitende Oberstaatsanwalt, so der Alibri Verlag, im vorliegenden Falle nicht gehalten. Deshalb sei eine Dienstaufsichtsbeschwerde notwendig gewesen, um einem derartig missbräuchlichen Einsatz amtlicher Autorität einen Riegel vorzuschieben.

Martin Bauer