"Wie Diktatoren stürzen und wie Demokraten siegen können", heißt Marcel Dirsus' gleichnamige Monographie. Viele Fallbeispiele werden mit leichter Hand erörtert, verknüpft mit Bezügen zur internationalen Forschung zum Thema.
Das Aufkommen autoritärer Bestrebungen lässt präventiv viele Fragen entstehen, welche man nach deren möglichem Erfolg bezüglich gegenteiliger Handlungsoptionen stellen kann. Dieser Gedanke macht auch eine neue Monographie interessant. Geschrieben hat sie Marcel Dirsus, studierter Politikwissenschaftler, der heute am Kieler Institut für Sicherheitspolitik arbeitet. Zu seinen Arbeitsschwerpunkten gehören auch irreguläre Regierungswechsel. Und im Kontext diesbezüglicher Schwerpunktsetzungen entstand wohl auch seine jüngste Veröffentlichung. Das gemeinte Buch erschien mit "Wie Diktatoren stürzen und wie Demokraten siegen können". Darin will der Autor der Frage nachgehen, wie Macht von Tyrannen gesichert oder verloren wird. Der Blick fällt auf viele Fallbeispiele, sowohl aus der Gegenwart wie der Geschichte in den verschiedensten Regionen. Als Leser reist man dabei durch unterschiedliche Räume und Zeiten. Dies geschieht in Beschreibung wie Deutung im lockeren Stil, was allgemein die Lektüre wie das inhaltliche Verständnis erleichtert.

Der Autor beginnt mit einer simplen Feststellung: Angst haben auch Diktatoren, die um Leben und Macht fürchten. Sie müssten auf ihre fehlende Legitimation auch irgendwie reagieren, etwa mit verschärfter Repression. Gleichzeitig kann ein solches Agieren auch zur Erosion der Machtbasis führen. Es geht dabei um ein Abwägen der eigenen Handlungsoptionen, kann doch die Bedrohung etwa aus dem eigenen Umfeld kommen, sie muss sich nicht nur in Protesten aus dem Volk artikulieren. Es geht bei all dem um ein Abwägen von Entscheidungen, denn es bestehen gerade angesichts fehlender Stabilität jeweils auch Zielkonflikte. Kurzum, der Autor wählt eine besondere Perspektive, die auch zu falschen Deutungen seiner Motive führen kann. Denn seine Erörterungen wirken mitunter so, als wolle er Tyrannen beraten. Dies ist selbstverständlich bei Dirsus nicht der Fall, versetzt er sich doch lediglich in deren Rolle. Sie können von externen wie internen Akteuren um ihre Herrschaft gebracht werden, was anhand von Fallbeispielen in den Kapiteln erläutert wird.
Dabei vermeidet Dirsus eine eher abstrakte Politologensprache, mitunter erfolgen seine Fallbeispiele in nahezu literarischer Form. Anschließend referiert er Dilemmata, einhergehend mit präsentierten Forschungsergebnissen. So liegen beispielsweise umfangreiche Daten aus dem englischsprachigen Raum darüber vor, welche Besonderheiten beim Stürzen von Diktaturen feststellbar sind: Attentate können durchaus zu Beschleunigungen entsprechenden Wandels beitragen. Demokratien folgen etwa nur bei einem Fünftel von derartigen Systemwandeln. Einen ähnlich geringen Anteil hatten in der Gesamtschau Volksaufstände. Dem Agieren der Herrschaftselite zum Beispiel bei Putschbemühungen kommt ebenso Relevanz zu. Der Autor geht auch auf Interventionen von außen ein, seien es die Förderung von internen Rebellenbewegungen oder verdeckte Operationen. Auch die bedeutsame Frage, ob gewaltfreie oder gewaltsame Handlungen erfolgreicher wirken, ist Thema.
Bilanzierend betrachtet hat man es mit einem gut lesbaren Buch zu einem aktuellen Gegenstand zu tun. Die Beschreibung von Fallbeispielen und die Interpretation im allgemeinen Sinne wechseln sich dabei ab. Indessen wäre die stärkere Berücksichtigung gesellschaftlicher und politischer Rahmenbedingungen wünschenswert gewesen, sind doch Diktaturenstürze angesichts von Einstellungen in den Gesellschaften ebenso einfacher wie in einschlägigen Krisensituationen mit gesellschaftlichen Umbrüchen. So wirkt die Darstellung gelegentlich so, als ob passende Fälle thematisch zusammengeführt wurden. Bedeutsam wäre auch, die Handlungsoptionen gegenüber bestimmten autoritären und entwickelten totalitären Herrschaftsmodellen zu vergleichen. "Wie man Diktaturen stürzt" ist das Schlusskapitel überschrieben, worin man sich aber mehr Systematik und Zuspitzung gewünscht hätte. Gleiches gilt für bilanzierende Aussagen zu aktuellen Beispielen von Erdoğan bis Putin. Diese Anmerkungen mindern aber nicht den Erkenntniswert des Werks.
Marcel Dirsus, Wie Diktatoren stürzen und wie Demokraten siegen können, Köln 2025, Kiepenheuer & Witsch, 358 Seiten, 28 Euro
