Interview mit PZ Myers

PZ Myers ist Evolutionsbiologe an der Universität von Minnesota und bekannt als Vertreter der Neuen Atheisten. Sein Blog Pharyngula ist einer der erfolgreichsten Wissenschaftsblogs der Welt. Der hpd führte kürzlich ein Interview mit ihm über Religionskritik und über die Lage der Nation.

 

hpd: PZ, du hast eine ganze Reihe an Drohungen, sogar Todesdrohungen erhalten, weil du einen Keks schlecht behandelt hast, der angeblich den Körper von Jesus enthält. Du hast auf deinem Blog nie wirklich den Eindruck erweckt, irgendeine reale Furcht vor fanatischen Katholiken zu haben. Ist das wahr und falls es so ist, warum?

PZ Myers: Ich schätze die grundlegende Anständigkeit meiner Mitmenschen sehr optimistisch ein – und ich habe auch eine zynische Meinung darüber, wie wahrscheinlich es ist, dass sie faul sind. Es ist sehr einfach für sie, Drohungen auszusprechen, während sie vor ihrem Computer auf dem Arsch sitzen, aber es ist höchst unwahrscheinlich, dass sie in der wirklichen Welt etwas Gewalttätiges versuchen werden.

 

hpd: Der Stil deiner Blogbeiträge ist oft sehr polemisch. Wen und was versuchst du mit der Wahl deiner Rhetorik zu erreichen – oder sagst du einfach, was du denkst, ohne eine besondere Strategie zu gebrauchen?

PZ Myers: Ein wenig von beidem. Ein Blog ist eher ein Medium für Bewusstseinsströme und ich schreibe einfach, was ich denke. Allerdings hat der Wahnsinn auch Methode: Er vereinigt Menschen auf meiner Seite der Auseinandersetzung und inspiriert sie dazu, sich zu zeigen und das Wort zu ergreifen.

 

hpd: Bei öffentlichen Vorträgen und in Diskussionen bist du viel weniger polemisch als in deinem Blog. Tust du das mit Absicht oder hängt das mit dem Medium zusammen?

PZ Myers: Ja zu beidem. In einem Blogbeitrag kann man oft eine starke Position einnehmen und zur Diskussion einladen. Der Versuch, den Streit zu besänftigen, indem man am Anfang entgegenkommend ist, würde den Effekt aufweichen. Eine öffentliche Diskussion mit einer Gruppe oder mit einem Individuum ist ein ganz anderes Phänomen – in diesem Fall versuchen wir, ein wenig zu verhandeln und herauszufinden, was der jeweils andere sagen möchte.

 

hpd: Die Vereinigten Staaten wurden als eine säkulare Nation gegründet, aber nun ist sie die religiöseste von allen westlichen Demokratien. Was, denkst du, sind die Hauptgründe für diese Entwicklung?

PZ Myers: Europa hat seine verrücktesten und extremsten und religiösesten Elemente ausgespuckt und sie nach Übersee verschifft. Seit unserer Gründung bestehen wir aus ungleichartigen Kolonien, die oftmals ursprünglich errichtet worden sind, um religiösen Spinnern Unterschlupf zu bieten.

Wir haben auch eine Verfassung, die den Schutz religiösen Glaubens garantiert, in einem weiten Sinne. Das bedeutete, dass man hier eine Umwelt vorfand, in der die wildesten Ideen zum Ausdruck gebracht und von der Regierung beschützt werden konnten. Das gab uns wirklich die Gelegenheit zu einer kleinen natürlichen Selektion religiöser Ideen und die extremsten haben sich recht gut geschlagen.

 

hpd: Wie besorgt bist du über die Zukunft des Säkularismus in den Vereinigten Staaten?

PZ Myers: Sehr besorgt. Ich denke, wir sind jetzt an einem Wendepunkt angelangt. Wir befinden uns auf einer Talfahrt in den Irrationalismus. Wir könnten den Kurs korrigieren und wieder ein aufgeklärter Staat werden, oder – wenn die Durchgeknallten erfolgreich unser Bildungssystem zerstören – wir könnten uns auf der Einbahnstraße zu einem Drittweltstatus befinden und ihn in den nächsten paar Generationen erreichen.

 

hpd: Wie würdest du die Bedeutung einer direkten Religionskritik im Vergleich zu einem Ansatz sehen, der eher in Richtung Bildung geht (die Vermittlung von wissenschaftlichem Wissen)?

PZ Myers: Das sind zwei verschiedene Dinge. Beide sind wichtig und wir können beides tun.

 

hpd: Was, denkst du, ist der Haupterfolg der „Neuen Atheisten“?

PZ Myers: Hauptsächlich die Eröffnung der Diskussion und dass wir Menschen dazu gebracht haben, sich über das Thema zu streiten. Der Atheismus wurde in den USA entweder ignoriert oder blind mit Kommunismus gleichgesetzt und nun reden die Leute zumindest und werden darauf aufmerksam.

 

hpd: Ist die Wissenschaft in irgendeiner Weise mit der Religion kompatibel? Und: Neigen Atheisten dazu, bessere Wissenschaftler zu sein als religiöse Menschen?

PZ Myers: Nein zu beidem. Die Wissenschaft ist ein Werkzeug zur Wissensbeschaffung mit Hilfe empirischer Belege, Skeptizismus und Kritik und ständiger Überprüfung. Religion ist ein Werkzeug, das falsche Sicherheit vorgaukelt, das Stammeskämpfe heraufbeschwört und alles, was es zu bieten hat, sind Mystizismus und Dogma. Sie sind die Antithese zueinander.

Es gibt Atheisten, die schlechte Wissenschaftler sind und Theisten, die gute Wissenschaftler sind. Das sagt uns nur Eines, nämlich dass Menschen gut dazu in der Lage sind, in ihren Köpfen sich gegenseitig ausschließende Ideen zusammen zu beherbergen. Zum Beispiel war Dennis Rader, der BTK-Serienmörder, sowohl ein brutaler Mörder als auch ein frommes Mitglied der Evangelical Lutheran Church. Wir gebrauchen diese Tatsache nicht, um zu behaupten, dass Foltermord mit dem Christentum vereinbar ist, oder dass Christen bessere Mörder sind als Atheisten. Genauso sagt die Tatsache, dass individuelle Wissenschaftler praktizierende Kirchgänger sind, nichts aus über die Vereinbarkeit – in einem praktischen, konsistenten Sinne – von Religion und Wissenschaft.

 

hpd: Wie bewertest du die Bedrohung durch den Islam im Vergleich mit der Bedrohung durch das Christentum?

PZ Myers: Ich bin ein Amerikaner. Der Islam ist von einer sehr geringen unmittelbaren Bedrohung für uns; der seltene Terrorakt mit einem hohen Bekanntheitsgrad bedroht in keiner Weise den Kern unserer Kultur. Der Islam ist eine Absurdität, die vernünftige Menschen ablehnen sollten, aber er ist sehr weit von mir entfernt.

 

hpd: Ich danke dir vielmals für deine Zeit.

 

 

Fragen und Übersetzung: Andreas Müller

Die Neuen Atheisten
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