Unsichtbare Mauern für Flüchtlinge

BERLIN. (hu/hpd) Bei der Residenzpflicht für Flüchtlinge handelt es sich um eine Vorschrift, die es Asylsuchenden wie Geduldeten untersagt, ohne schriftliche Erlaubnis den Wirkungskreis der zuständigen Ausländerbehörde zu verlassen. Verstöße werden mit Geld- oder Freiheitsstrafen geahndet.

Das Buch „Keine Bewegung! Die Residenzpflicht für Flüchtlinge“ vermittelt Einblicke in den deutschen Flüchtlingsalltag: Leserinnen und Leser erfahren, was es heißt, für jede Fahrt über die Grenzen des eigenen Landkreises hinaus eine „Verlassenserlaubnis“ beantragen zu müssen. Wie sieht die Verwaltungspraxis der Ausländerbehörden aus? Was passiert, wenn Flüchtlinge ohne „Urlaubsschein“ angetroffen werden? Zugleich stellt die Autorin, Beate Selders, die gesetzlichen Grundlagen der Residenzpflicht und die politischen Intentionen der Regelung vor.

Gängige Begründungen für die Residenzpflicht, wie die zuverlässige „Erreichbarkeit“ der Flüchtlinge für die Behörden, die faire Verteilung der Kosten auf die Bundesländer oder die gewollte Abschreckung weiterer potentieller Flüchtlinge in den Heimatländern, werden kritisch hinterfragt.

Beate Selders spricht mit Initiatoren und Beobachtern über die grundlegenden Gerichtsentscheide zur Residenzpflicht vor dem Bundesverfassungsgericht und dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Die politischen und rechtlichen Grundlagen der Residenzpflicht werden im Report ausführlich dargestellt.

Die sachliche Dokumentation wird angereichert durch zahlreiche Fallbeispiele und Informationen der unmittelbar Betroffenen, hinzu kommen Experteninterviews mit Polizeipraktikern, Psychologen, Politologen und Sozialarbeitern.

Die vielschichtige Darstellung trägt dazu bei, die in weiten Teilen der Öffentlichkeit verbreitete Ahnungslosigkeit über die Lebensbedingungen Asylsuchender in Deutschland abzubauen. Beate Selders gelingt es, die Residenzpflicht nicht nur als Problem der Betroffenen zu erfassen, sie weist auch auf deren demokratiefeindlichen Effekte hin: Was bedeutet eine Regelung wie die Residenzpflicht für unsere demokratische Kultur, wenn einer Gruppe von Menschen elementare Grundrechte wie die Bewegungsfreiheit, die Religions-, Versammlungs- und Meinungsfreiheit verweigert werden? Wie wirkungsvoll ist staatliches Engagement gegen Intoleranz und rassistische Gewalt, wenn die davon Betroffenen per Gesetz ausgegrenzt werden?


Die Autorin

Die Sozialwissenschaftlerin Beate Selders lebt und arbeitet als freie Journalistin in Berlin. Sie schreibt für verschiedene Print-Medien u. a. die Wochenzeitung Freitag. 2004 veröffentlichte sie zusammen mit dem Sozialgeografen Thomas Bürk-Matsunami den Forschungsbericht „Fremdenfeindliche und rechtsextreme Übergriffe auf Imbissbuden im Land Brandenburg“ und 2008 das Dossier „Der Fall Ermyas M. - Chronik einer Debatte“. Für den jetzt vorliegenden Report hat Beate Selders über ein Jahr lang umfangreiche Recherchen in Brandenburg und anderen Bundesländern unternommen.

Beate Selders: „Keine Bewegung! Die ‚Residenzpflicht‘ für Flüchtlinge – Bestandsaufnahme und Kritik.“ Hrsg. von Flüchtlingsrat Brandenburg & Humanistischer Union. Eigenverlag, Berlin 2009, 144 Seiten, 5 Euro. ISBN-13: 978-3-930416-25-7

Die Broschüre kann im Internet oder über die Geschäftsstelle der Humanistischen Union bezogen werden. Online-Bestellung oder schriftliche Bestellungen an: Humanistische Union e.V., Greifswalder Straße 4, 10405 Berlin, Fax: 030 / 204 502 57, E-Mail: service@humanistische-union.de.