Ursprünge des Lebens

Schöne RNA-Welt

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Membranfreie Mikrotröpfchen (Koazervate) unter dem Mikroskop. Die grüne Fluoreszenz dient als Nachweis für die enzymatische Aktivität der eingeschlossenen RNA.
Membranfreie Mikrotröpfchen (Koazervate) unter dem Mikroskop.

Es gib viele Schöpfungsmythen weltweit die sich alle – vermeintlich – mit dem Ursprung des Lebens befassen; von der biblischen Genesis über die Inuit Tradition, in der die Erde von oben herabstürzte, über die Welt der Hindus die aus einem Gedanken entstand, die Traumzeit der australischen Aborigines oder das Ur-Ei des Yin und Yang, um nur ein paar zu nennen. Aber keiner dieser Mythen nähert sich auch nur ansatzweise einer echten Erklärung, postulieren sie doch einfach nur, dass dies eben so war.

Naturwissenschaftler geben sich nicht so leicht zufrieden und gehen davon aus, dass die Entstehung des Lebens ein Ergebnis natürlicher Prozesse ist, und somit auch prinzipiell ergründbar.

Zu den gängigen Hypothesen, wie Leben entstanden sein könnte, gehört die "Ursuppen-Hypothese", die sich 1953 aus den Experimenten Stanley Lloyd Millers entwickelte. Miller stellte die Zustände der Erde vor Milliarden von Jahren, so wie man sie sich vorstellt, in einem Labor nach und erhielt unter anderem Aminosäuren, einen der Grundbausteine heutigen Lebens. Wie sich aus den Aminosäuren dann Zellen entwickelt haben könnten, blieb und bleibt auch heute unbekannt.

Eine zweite Hypothese, die "Panspermie-Hypothese" besagt, dass sich das Leben, oder zumindest dessen Grundbausteine, zuerst auf einem anderen Planeten oder Meteoriten entwickelt haben könnten. Diese Meteoriten oder Sternenstaub könnten dann die bakterienartigen Zellen oder Moleküle auf die Erde gebracht haben. Das offensichtliche Problem hierbei ist natürlich, dass dadurch nur der Schauplatz verlagert wird, denn egal wo, muss Leben ja erst einmal entstanden sein.

Als weitere und zugleich überzeugendere Hypothese, gilt die "RNA-Welt-Hypothese". Diese besagt, dass das Leben aus sich selbst reproduzierenden Ribonukleinsäure-Molekülen (RNA-Molekülen) entstanden sein könnte.

Zwei entscheidende Eigenschaften der RNA liegen dieser postulierten RNA-Welt zugrunde. Zum einen kann sie als Medium zur Speicherung von Erbinformationen dienen – ähnlich wie DNA. Andererseits kann RNA chemische Reaktionen katalysieren – ähnlich wie Proteine. Als universeller Informationsspeicher und zur Katalyse chemischer Reaktionen für Stoffwechselreaktionen könnte Leben basierend auf RNA damit den uns bekannten Formen des Lebens vorausgegangen sein.

Später dann könnten sich im Laufe der Evolution die stabilere Desoxyribonukleinsäure (DNA) als Träger der Erbinformation und die funktionell flexibleren Proteine als Katalysatoren durchgesetzt haben. Trotzdem ist RNA in all seinen verschiedenen Formen auch heute noch in jeder unserer Zellen von essenzieller Wichtigkeit, und die katalytisch noch heute aktive ribosomale RNA –sogenannte Ribozyme – könnten ein Überbleibsel aus der Urzeit sein.

Dass sich RNA unter den vermuteten Urbedingungen formen kann, konnten Forscher um John Sutherland schon 2009 zeigen. Da es RNA in der frühen Erde aber wohl eher in sehr geringen Konzentrationen gegeben haben dürfte, war nun die Frage, wie diese zueinander finden konnten, um effektiv miteinander reagieren zu können. Gesucht wurde ein Weg der RNA an einem Ort konzentriert.

Dies hätte in Mikrotröpfchen (sogenannten Koazervaten) stattfinden können, die durch Phasentrennung von entgegengesetzt geladenen Molekülen gebildet werden, ähnlich wie bei der Trennung von Öltropfen in Wasser. Darin hätten sich RNA-Moleküle anreichern können.

Forscher des Max-Planck-Instituts für molekulare Zellbiologie und Genetik in Dresden und des Max-Planck-Instituts für Biochemie in Martinsried haben nun gezeigt, dass RNA in membranfreien Mikrotröpfchen aktiv ist, was sie zu guten Kandidaten als Vorläufer unserer heutigen Zellen macht.

Zusätzlich lassen diese Tröpfchen den barrierefreien Austausch von RNA zu. Björn Drobot, der Erstautor der Studie, erklärte: "Eines der wirklich spannenden Ergebnisse ist, dass Koazervate wie ein kontrolliertes genetisches Transfersystem wirken, in dem kürzere RNA-Stücke zwischen Tröpfchen pendeln können, während längere RNA-Moleküle in ihren Mikrotröpfchen eingeschlossen sind. Auf diese Weise haben diese Protozellen die Fähigkeit, genetische Informationen auszutauschen, was ein wichtiges Kriterium für den Beginn des Lebens ist."

Allerdings ist es noch ein Weg von konzentrierter RNA mit der Fähigkeit RNA austauschen zu können, zu einem Stoffwechsel, der das, was wir Leben nennen, hervorbringt.

Eine weitere konkurrierende Hypothese geht daher von "Stoffwechsel-zuerst" aus. Aus dieser Sicht stand nicht das Erbgut am Anfang, sondern komplexe Moleküle die z. B. in Hohlräumen von porösen Gesteinsoberflächen in Tiefseehydrothermalquellen (Schwarze Raucher oder Kalkschlote) in Wechselwirkung traten und erste Stoffwechselkreisläufe bildeten.

Da für Leben, wie wir es kennen, sowohl Erbinformation, eine Zellhülle zur Abgrenzung von der Umwelt, aber auch ein Stoffwechsel notwendig ist, setzt sich mehr und mehr die Vorstellung durch, dass diese Komponenten mehr oder weniger parallel entstanden sein müssen. Eine Kombination aus "RNA-Welt"- und "Stoffwechsel-zuerst"-Hypothesen könnte die Antwort sein.

Ob dies tatsächlich die Lösung der Frage nach dem Ursprung ist, weiß wohl bisher niemand zu beantworten. So oder so bleibt aber die Frage aus wissenschaftlicher Perspektive sehr viel spannender, als sich mit "Gott wars" zufrieden zu geben. Wie schön, dass es viele neugierige Wissenschaftler gibt, die sich leidenschaftlich mit diesem Thema beschäftigen.