"So wahr mir Gott helfe": Das Merz-Kabinett und die Religion

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Plenarsaal des Deutschen Bundestages
Plenarsaal des Deutschen Bundestages

Die neue Bundesregierung zeigt ein deutlich religiöses Profil. Bei der Vereidigung am Dienstag sprachen 13 der 17 Ministerinnen und Minister den Amtseid mit Bezug auf ein religiöses Bekenntnis, ebenso wie der neue Bundeskanzler Friedrich Merz. Nur vier SPD-Ministerinnen und -Minister wählten die weltanschaulich neutrale Formulierung. In der Bevölkerung dagegen stellen die Konfessionsfreien längst die Mehrheit, und ihr Anteil wächst.

"So wahr mir Gott helfe" – im säkularen Staat Deutschland können Regierungsmitglieder wählen, ob sie den Amtseid mit diesem Zusatz ablegen oder nicht. Für die Eidesformel ohne Gottesbezug entschieden sich nur vier Kabinettsmitglieder: Verteidigungsminister Boris Pistorius, Arbeitsministerin Bärbel Bas, Umweltminister Carsten Schneider und Entwicklungsministerin Reem Alabali-Radovan, alle aus den Reihen der SPD.

Während Pistorius sich hinsichtlich seiner religiösen Konfession zurückhaltend präsentiert, ist Bärbel Bas konfessionell nicht gebunden. Dennoch räumte sie in einer Rede 2023 der Kirche eine bedeutende gesellschaftliche Rolle ein. Entwicklungsministerin Reem Alabali-Radovan wiederum ist, wie ihre aus dem Iran stammende Familie, Mitglied der chaldäisch-katholischen Kirche.

Mit Umweltminister Carsten Schneider sitzt auch ein erklärter Konfessionsfreier im Kabinett. Der SPD-Politiker vertritt die Auffassung, "dass sich die Politik beziehungsweise der Staat bei innerkirchlichen Angelegenheiten weitgehend raushalten soll" Jedoch gebe es Ausnahmen, wo es nicht um den "Verkündigungsauftrag" geht, so Schneider weiter: "Beispielsweise werden kirchliche Wohlfahrtsverbände wie Caritas und Diakonie aus öffentlichen Mitteln finanziert, wählen aber ihre mehr als 1 Million Mitarbeiter nach Religionszugehörigkeit aus. Das ist eine zweifache Ungerechtigkeit: Nichtchristliche Steuer- und Beitragszahler zahlen mit, haben aber als Arbeitsuchende kaum eine Chance."

Auf den Gottesbezug beim Amtseid hatte bereits Merz' Amtsvorgänger, Olaf Scholz (SPD) 2021 verzichtet, wie auch schon dessen Parteikollege Gerhard Schröder vor ihm. Während Schröder der evangelischen Kirche angehörte, war Scholz der erste konfessionsfreie Bundeskanzler. Immerhin 7 von 16 Ministern in Scholz' Ampel-Kabinett sprachen damals den weltanschaulich neutralen Amtseid.

Ein anderes Bild zeigte sich am Dienstag im Bundestag. Neben dem bekennenden Katholiken Friedrich Merz bekräftigten auch 13 Minister den Amtseid mit Bezug zu Gott, darunter Finanzminister und Vizekanzler Lars Klingbeil (SPD), Innenminister Alexander Dobrindt (CSU), Wirtschaftsminsterin Katharina Reiche (CDU) und Kanzleramtschef Thorsten Frei (ebenfalls CDU).

Mit Thorsten Frei sitzt ein bekennender Katholik an einer Schaltstelle der Regierung. Der CDU-Mann gilt als durch und durch konservativ. Das Internetportal katholisch.de verortet den Schwarzwälder zwischen Kuckucksuhr und Kruzifix. Einer, der sich als Kind vom Ministrantendienst distanzierte, weil das Wort ihn an "Demonstrant" erinnerte – also an die anderen, "die Chaoten". Mit dieser Anekdote habe er sich laut katholisch.de in einem Zeit-Interview positioniert.

Der Protestant Lars Klingbeil hatte bereits 2019 als SPD-Generalsekretär die Gründung eines offiziellen Arbeitskreises "Säkulare in der SPD" blockiert. Für den "Arbeitskreis Christinnen und Christen in der SPD" hatte er in einer Broschüre hingegen lobende Worte, wie das evangelische Sonntagsblatt schreibt.

Auch der neue Innenminister Alexander Dobrindt nimmt es mit der Trennung von Kirche und Staat nicht so genau. Für Aufsehen sorgte der CSU-Mann und Katholik 2022 mit seiner Stimmungsmache gegen Schwangerschaftsabbruch und das damals geplante Selbstbestimmungsgesetz. In beiden Debatten hätten sich die großen Kirchen zu passiv verhalten, so Dobrindts damalige Kritik.

Wirtschaftsministerin Katharina Reiche erbat sich ebenfalls göttlichen Beistand für ihr Regierungsamt. Bereits 2002 wurde im Schattenkabinett von Edmund Stoiber als mögliche Familienministerin gehandelt – zum Schrecken der katholischen Kirche. Weil die dreifache Mutter nicht verheiratet war, kritisierte der damalige Kölner Erzbischof Meisner die Personalie Reiche als "nicht hinnehmbar" und sprach von einer Demontage des christlichen Ehebildes.

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