hpd Themenwoche Nicht-Glauben

Gunkl: "Glauben ist der letzte Schritt, sich neuem Wissen zu verschließen"

Das Nicht-Glauben hat viele Gesichter. Im Rahmen der hpd Themenwoche Nicht-Glauben zeigen wir einige davon. Hier: Gunkl.

Beispielbild

Es gibt ja so die Behauptung von Gläubigen, dass das, was in der Wissenschaft an Befunden vorliegt, ja auch nur geglaubt wird. Das ist ja schon einmal interessant, wie kümmerlich und dürftig "Glauben" als Argument ist, wenn jemand etwas anderes glaubt. Da haben wir leider das selbe Wort, für Glauben und Annehmen. Aber da gibt es einen wesentlichen Unterschied zwischen Glauben im religiösen Sinn und Annehmen. In der Wissenschaft wird genau genommen nicht geglaubt, da wird angenommen. Eine Annahme ist erstens begründet, und zwar ist sie in Beobachtungen begründet, und sie ist überprüfbar und daher ist sie auch grundsätzlich widerlegbar. Also, wenn die Aussage stimmt, dann dürfen bestimmte Sachen nicht passieren; Wenn ein dreitüriger Schrank, wenn man ihn aus dem vierten Stock schmeißt, acht Minuten braucht, bis er zu Boden gefallen ist, dann ist das, was wir annehmen, über die Gravitation zu wissen, falsch. Ist bis jetzt noch nicht passiert, deshalb nehmen wir an, dass es stimmt. Aber man kann es überprüfen. Und wenn eine Überprüfung eben so ausfällt, dass herauskommt, dass die Annahme falsch oder unvollständig war, dann wird, und das ist der größte Unterschied, dann wird diese Annahme entweder komplett verworfen oder korrigiert. Und zwar wirklich korrigiert.
 
Bei Geglaubtem ist das nicht so. Das, was geglaubt wird, wird entweder ohne Wissen oder gegen besseres Wissen geglaubt. Die Behauptungen sind außerdem so schwammig, dass sie kaum widerlegbar sind, weil sie eben kaum überprüfbar sind; Ein gebrochener Arm ist bei einem Arschloch die "Strafe Gottes", ein genauso gebrochener Arm bei einem lieben Menschen ist dann "Wen Gott liebt, den prüft er!" Und wenn dann doch Befunde vorliegen, dass da wirklich ein ziemlicher Unsinn behauptet worden ist, dann wird da nix korrigiert, sondern das wird nur umformuliert, oder es wird in einen zuweisungsfreien Metaphernstatus geschwindelt, damit man das weiterhin aus dem überprüfbaren Wenn-Dann-Parcours heraushalten kann.
 
Und das macht die Wissenschaft, vor allem die Naturwissenschaft auch so erfolgreich; es wird ständig überprüft, ob das so stimmen kann, und wenn sich herausstellt, dass es nicht stimmt, dann wird zur Kenntnis genommen, dass man offensichtlich nicht weiß, wie das funktioniert. Und dann wird nachgedacht und geforscht, bis man etwas findet, was zu dem passt, was man neuerdings beobachtet hat. Das Gegenteil von Wissen ist nicht Nicht-Wissen, das Gegenteil von Wissen ist Glauben. Nicht-Wissen ist der erste Schritt, sich neues Wissen anzueignen, Glauben ist der letzte Schritt, sich neuem Wissen zu verschließen.
 
 
PS: Das ist natürlich, habe ich gerade festgestellt, nicht sehr persönlich, also das sind Gründe, warum Glauben echt problematisch ist, aber die haben ja mit mir als Person nix zu tun. Ist aber im Grunde auch sauber. Wer glaubt, darf sich als Person einbringen. Also, wenn es um Logik geht, natürlich nicht, weil da ja die Existenz eines Wesens behauptet wird, die von dem Entschluss eines einzelnen Menschen nicht abhängig sein darf. Aber in der Weltsicht der Gläubigen ist der Glaube eines Menschen ein hinreichender Beleg für Gott. Wenn es um Gründe geht, nicht zu glauben, sollte man eben sauber bleiben, und sich selbst da heraus halten, und nur Gründe anführen, die mit mir nix zu tun haben.
 
Gunkl


 
Günther "Gunkl" Paal ist Kabarettist und Musiker. Seine Programme beschäftigen sich unter anderem mit den Merkwürdigkeiten von Religion und Glauben.