Das Nicht-Glauben hat viele Gesichter. Im Rahmen der hpd Themenwoche Nicht-Glauben zeigen wir einige davon. Hier: Volker Panzer.
"Oster Behn, Oster Behn, Ohne Glaubenster Behn ist des Menschen Verder Behn" Was haben wir darüber gelacht, als Kinder im katholischen Saarland: Oh Sterben, oh Sterben, ohne Glauben sterben ist des Menschen Verderben. Aber das war es auch schon.
Ansonsten war der Glaube nicht zum Amüsieren da, denn es herrschte ein strenges Regiment. Gelobt sei Jesus Christus. In Ewigkeit amen. In Demut und Reue bekenne ich meine Sünden. Ich habe Vater und Mutter nicht geehrt, ich war unachtsam in der heiligen Messe und? Fragt der Pastor?
Und ich habe Unkeuschheit getrieben: allein. Wie oft? Und dann wollte er Einzelheiten wissen… Du weißt, sagt der Pastor, dass du dafür in die ewige Verdammnis kommst, wenn du stirbst. Zehnmal "Gegrüßest seist du Maria". Ego te absolvo usw.
Das war so in meiner Kindheit. Da musste der 12 jährige Bub, der Aushilfsmessdiener war, mindestens einmal im Monat zur Ohren-Beichte, wie alle seines Jahrgangs, in dem katholischen Dorf im Saarland. Und bei mir war es besonders schlimm, denn ich war Frucht einer Mischehe: mein Vater stammte aus Pommern und war evangelisch und stand mehr oder weniger unter strenger Beobachtung.
Das alles ist lange her. Aber, dass einen heute - nach fast 60 Jahren - der ritualisierte Sündenerlass immer noch im Kopf herum spuckt, kann man vielleicht mit zwei Begriffen beschreiben: Angst vor der ewigen Verdammnis in der Hölle und Rettung in letzter Minute. Wir Katholiken damals lebten in einer ständigen Hab-Acht-Stellung: Angst vor der Hölle hatten wir alle, aber in den Himmel wollte ich auch nicht, denn - und das legte schon früh den Keim des Nichtglaubens in mein Herz: Im Himmel gibt es ja gar keine Tiere, das kann also nur langweilig sein und als ich das einmal im Religionsunterricht zur Sprache brachte wurde ich angeschriien: "Tiere haben keine unsterbliche Seele".
Und noch etwas blieb mir in Erinnerung an diese Zeit: der Umstand nämlich, dass alle Gläubigen – in meinem Fall – Katholiken zwar inbrünstig glaubten: An Gott, seinen eingeborenen Sohn, den heiligen Geist etc. etc., aber nicht in allen Lebenslagen. Von heute aus gesehen scheint es mir, als haben Christen eine Art: Fuzzy logic eingebaut, fünfe mal gerade sein zu lassen oder bösartiger ausgedrückt: alle Gläubigen heucheln. Weil es wirklich schwer ist, ein rundum gottgefälliges Leben zu führen, werden wissenschaftliche Erkenntnisse einfach ausgeblendet oder das Glaubensbekenntnis mutiert zur Folklore.
Deshalb möchte ich den Spieß einmal umdrehen und fragen: warum muss sich die auf Wissenschaft begründete Vernunft erklären und der Glaube nicht?
Warum werden im Namen des Glaubens – und hier zähle ich auch die weltlichen totalitären Glaubensgehäuse hinzu – Verbrechen aller Art begangen immer im Bewusstsein des rechten Glaubens zu sein und warum kann ich mich mit meinem optimistischen Glauben an das Gute in der menschlichen Entwicklung nur negativ definieren als Atheist, als Agnostiker oder als Ungläubiger?
Es ist doch immer noch so, dass es sobald ich mich als Ungläubiger oute - in muslimischen Ländern, sollte das tunlichst vermieden werden, es ist viel zu gefährlich – ich wie ein Sonderling betrachtet werde: Es ist so als hätte ich eine eklige eiternde ansteckende Krankheit eingestanden. So einer bringt doch nur alles durcheinander.
Dabei sind wir doch mal ehrlich.
Glaubt wirklich jemand, wortwörtlich, was im christlichen Glaubensbekenntnis steht: Schöpfer des Himmels und der Erde, hinabgestiegen in das Reich des Todes, aufgefahren in den Himmel, er sitzt zur Rechten Gottes des allmächtigen Vaters; von dort wird er kommen, zu richten die Lebenden und die Toten.
Ich frage: das jüngste Gericht, eine Art himmlicher Volksgerichtshof. Jesus eine Art Josef Mengele? Das kann doch nicht sein. Ja, sagen dann die Schriftgelehrten, so wörtlich darf man die alten Texte (das Glaubensbekenntnis stammt aus dem 4 Jhd.) nicht nehmen, sondern muss sie den jeweiligen Gegenwarten anpassen. Aha. Warum braucht man sie dann überhaupt?
Das 21. Jahrhundert begann mit einer religiösen Kriegserklärung an die Welt. Seit dem 11. September 2001 sei nichts mehr so wie es einmal war, wird gesagt und der Philosoph Jürgen Habermas raunte, eine religiöse Saite in uns sei ins Schwingen gekommen. Auch bei religiös unmusikalischen Menschen. Also bei mir kam nichts in Schwingen. Im Gegenteil der Massenmord und der anschließende Kampf gegen den Terror – auch im Namen des Glaubens - haben nur wieder deutlich gemacht, dass es mehr räsonierende Vernunft auf dieser Welt geben muss und keine Versöhnung in irgendeinem Jenseits. Ich jedenfalls bin gegen jedes Gottes-Soldatentum
Die Massenmörder von New York, Paris und Brüssel, Berlin und London werden keine 72 Jungfrauen im Paradies treffen, allerdings auch die Opfer werden nicht in den Himmel kommen, denn der Himmel ist leer.
Was zurückbleibt ist die Trauer und das Mitleid mit den Irrgläubigen, denn: Gott ist nicht tot, wie Friedrich Nietzsches berühmtester Satz lautet, der den Philosophen überlebt hat, sondern: Er wurde nie geboren. Gott ist eine Fiktion, eine Projektion oder wie es Niklas Luhmann unübertroffen formuliert eine Kontingenzformel. Was heißt das?
Da die Welt undurchschaubar ist, rätselhaft, eine Art black box, und die Natur den frühen Menschen so bedrohlich vorkam, so dass einem vielleicht einmal der Himmel auf den Kopf fallen könnte, bedarf es der Erklärmuster: Was nicht verstanden werden kann - und vielleicht nicht zu verstehen ist - wird mit dem Namen Gott bezeichnet.
Kontingenzformel Gott. Das heißt die enge Fassung des Problems wird als dessen Lösung angesehen: das hat Konsequenzen: dazu Niklas Luhmann:
- "Die Kontingenzformel Gott zielt darauf ab, andere Möglichkeiten, die auch gegeben sind, zu unterdrücken".
- "Unendliche Informationslasten werden durch die Kontingenzformel Gott in endliche überführt".
- "Dafür braucht die Kontingenzformel Gott professionelle Assistenz: nämlich Priester".
- "Um zu funktionieren nämlich die Komplexität der Welt zu reduzieren muss die Kontingenzformel Gott generell die Welt entwerten: das Jenseits muss her. Wer an Gott nicht glaubt, wird ausgeschlossen".
Wer nicht daran glaubt, wird ausgegrenzt, und wie wir immer wieder erfahren müssen im schlimmsten Fall eliminiert: als der die oder das Böse.
Mit der Erfindung Gottes, so könnte man schlussfolgern, musste das Böse, der Teufel in Gestalt des Widersachers oder des Ungläubigen gleich mit erfunden werden, wie die kommunizierenden Röhren gehören Himmel und Hölle zusammen. Wer glaubt hat Angst. Oder andersrum: Angst ist die Grundhaltung aller Gläubigen. Und ein ängstlicher Typ bin ich nun wirklich nicht.
Ich bin kein A-Theist auch kein A-Gnostiker. In beiden Begriffen schwingt ja Gott oder Geist immer noch mit und es klingt negativ. Ich bin evolutionärer Humanist.
Das heißt, wenn man so will: ich glaube an die Wissenschaft.
Den Begriff "evolutionärer Humanist" hat der Biologe Julian Huxley geprägt und als erster UNESCO-Generalsekretär 1948 trug er maßgeblich zur Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte bei.
Julian Huxley behauptet, dass wir Menschen Charles Darwin folgend nichts anderes sind als Säugetiere mit einem großen Gehirn, das es den homo sapiens ermöglicht sich nicht nur in der Welt zurecht zu finden, sondern auch herauszufinden, woher wir kommen. Er meint damit: "Der Mensch ist ein zufälliges Produkt der biologischen Evolution. Das "Ich" ist nichts anderes als ein Artefakt des "körperbewussten Gehirns".
Das hört sich erst mal etwas merkwürdig an, aber wenn wir die 7 Millionen, die uns von unseren nächsten Verwandten, den großen Menschenaffen, trennen, wissenschaftlich untersuchen, dann bekommen wir Einblicke, wie wir geworden sind und warum wir durchaus stolz auf unsere Gattung sein können.
Wir sind nicht böse und brauchen keinen Gott, denn der ist nur ein Hirngespinst und der Affe in uns ist unser Freund.
Nach der Lektüre des 2015 erschienenen Buch von Clive Gamble, John Gowlett, und Robin Dunbar: "Evolution, Denken, Kultur. Das soziale Gehirn und die Entstehung des Menschlichen" wurde mir erst mal bewusst, wie entspannend es ist, sich als evolutionärer Humanist zu begreifen. Die Autoren - Biologen und Archäologen aus England - haben gewissermaßen eine neue Schöpfungsgeschichte geschrieben. Jedenfalls für mich.
Um es kurz zu machen. Wir, die Affen und die Menschen, stammen aus Afrika.
Vor ca. 7 Mio Jahre gab es dort eine Klimakatastrophe, der Urwald ging zurück, die Savanne wurde größer und die Affen, die dort lebten, mussten sich anpassen und den aufrechten Gang lernen. Nach langer, langer Zeit wurde aus den Schimpansen, Bonobos, Orang-Utans und Gorillas die Gattung des "homo". Erst mal mit allerlei Zwischenstufen: Ardipithecus, Australopithecus, homo erectus, Neanderthaler, homo sapiens, (der wie wir heute wissen auch schon 300000 Jahre alt ist)
Das Leben war hart in Afrika und viel Zeit zum Graulen blieb nicht.
Affen kraulen sich nicht, um sich zu lausen, sondern um zu zeigen wir sind Freunde. Das Kraulen setzt Endorphine frei und bewirkt ein gefestigtes Gruppenverhalten.
Das bedeutet, man muss viel Zeit haben. Im Urwald hatte man sie, da wachsen einem ja die Früchte gewissermaßen in den Mund. Aber im Grasland der Savanne muss man schon auf Trab sein, um satt zu werden. Man könnte sagen: der Klimawandel hat unsere Vorfahren die Affen aus dem Paradies vertrieben. Es musste etwas gefunden werden, welches das Kraulen ersetzt und in etwa das gleiche Ergebnis zeitigt
Die Theorie vom sozialen Gehirn besagt nun, dass ähnliche Endorphinausschüttungen auch anders möglich sind. Durch Sprache.
Robin Dunbar behauptet nun in seinem Buch: Tratsch und Klatsch. Wie der Mensch zur Sprache fand." Sprache ist entstanden, damit wir tratschen können".
"Auch Musik und Gesang sind sehr wirksame Mittel, den Gefühlszustand einer Gruppe auszudrücken. Wenn wir singen und tanzen fühlen wir uns wohl…beide Tätigkeiten eignen sich in idealer Weise dazu, im Gehirn Opiatwellen auszulösen" Und noch etwas habe ich aus diesem neuesten Schöpfungsbericht gelernt: Wie wichtig nicht nur zur Fortpflanzung, sondern auch zur Zufriedenheit des oder der Einzelnen die Sexualität ist. Und schon von Anfang an: Nochmal Robin Dunbar:
Die Partnerwahl ist im Grunde eine Frage der Reklame…"Heldentaten" haben eines gemeinsam: Sie lassen sich schwer fälschen.
Jagt ist eine Art Nebenbeschäftigung, die der Werbung um Partnerinnen dient: Großwild zu jagen ist gefährlich, und Erfolg in diesem Bereich ist ein Kennzeichen für genetische Qualität.
Die ausschließliche Monogamie ist eine evolutionäre Sackgasse – durch sie wird eine Art offensichtlich weniger flexibel…Und der Verlust von Flexibilität ist kein Rezept für Evolutionserfolg. Die Evolution des menschlichen Gehirns ist vor allem durch die Erfordernisse der sexuellen Selbstdarstellung vorangetrieben worden.
Und all das wollen Gläubige nicht wahr haben. Wie gefährlich für Gläubige diese neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse der Evolutionsforscher sind, mag die Erkenntnis gelten, dass in der Evolution nicht die Männer die Herren der Schöpfung sind, sondern die Frauen, sie wählen aus mit wem sie sich fortpflanzen wollen. Religion, so sagen die Evolutionsforscher ist entstanden, als die Gruppen, oder Herden immer größer wurden und Schamanen oder charismatische Führerpersönlichkeiten sich in den Vordergrund drängten und jede Form des Andersdenkens verhinderten.
Und das möchte ich für mich nicht mehr haben.
Seit meiner Kindheit, seit dem Himmel ohne Tiere, kann ich an religiöse Gebote nicht mehr glauben und vertraue der Wissenschaft, die sich – das liegt in der Natur der Sache - auch immer weiter entwickelt.
Seit nunmehr elf Jahren gibt es das Manifest des evolutionären Humanismus, geschrieben von Michael Schmidt-Salomon, dem Philosophen der Giordano-Bruno-Stiftung. Darin heißt es: "Der evolutionäre Humanismus legt uns nahe aufgeklärte Hedonisten zu folgen. Epikur sah das höchste Gut auf Erden im Glück, das größte Übel im Unglück. Epikur versuchte seinen Mitmenschen die Furcht vor den Göttern und dem Tod zu nehmen. Der Sinn des Lebens ist das Leben selbst." Und weiter heißt es: "Der evolutionäre Humanismus versteht sich als offenes System: keine absoluten Kategorien. Er weiß um die Relativität menschlicher Erkenntnis, weshalb er die religiöse Strategie historisch gewachsene Vorstellungen in heilige Dogmen zu verwandeln ablehnt."
Aber was bedeutet das für den Einzelnen, also für mich, wenn ich keinen Rückhalt in einer Kirchengemeinde mehr habe. Wird man da nicht traurig, einsam und unglücklich. Nein.
Für mich ist das Glück der Glaube an das Jetzt: Carpe diem oder wie Albert Camus geschrieben hat "Wir müssen uns Sisyphos als einen glücklichen Menschen vorstellen". Max Weber hat diesen Sachverhalt so formuliert. Er sagt: "Wer mit der Welt im Hader liegt, will nicht erlöst werden. Er hat zu tun." Oder wie Heinrich Heine in "Deutschland ein Wintermärchen" gereimt hat:
Es wächst hienieden Brot genug
Für alle Menschenkinder
Auch Rosen und Myrten, Schönheit und Lust
Und Zuckererbsen nicht minderJa, Zuckererbsen für Jedermann,
sobald die Schoten platzen!
Den Himmel überlassen wir
Den Engeln und den Spatzen
Also mein Fazit: "Oster Behn, Oster Behn. Mit Glaubenster Behn ist des Menschen Verder Behn".
Volker Panzer ist Herausgeber des Humanistischen Pressedienstes. Zuvor arbeitete der Journalist und Moderator für das ZDF und mehrere ARD-Anstalten.
26 Kommentare
Kommentare
Theo Regnier am Permanenter Link
Das ist doch mal ein treffender und trefflicher Beitrag, dessen Aussagen ich mir uneingeschränkt zu eigen machen kann. Danke, Volker!
Markus Schiele am Permanenter Link
Ein schöner Text, nur möchte ich auf eine mögliche Verwechslung hinweisen: Zieht man den Kontext in Betracht, ist statt des KZ-Arztes Josef Mengele wahrscheinlich der Präsident des Volksgerichtshofs, Roland Freisler,
Wolfgang am Permanenter Link
Der Sinn des Lebens? Es einfach zu genießen und zwar ohne christlichen Hokuspokus.
Mir ist eine schöne Rose lieber als ein fast nackter Mensch an einem Kreuz. Religion wäre die Rose.
Martin Weidner am Permanenter Link
Ich danke Herrn Panzer für die Darstellung, warum so ein angstmachender katholischer Glaube, wie die Auffassung von Gott als Kontingenzbewältigung, sowie ein Glaube in absoluten Dogmen eng, unterdrückend und irreführe
Schwieriger finde ich den Teil, in dem er positiv beschreibt, was ihm wichtig ist.
Zweimal benutzt er die Formel „x ist nichts anders als y“. Diese Formel hält er ja selber nicht ganz aufrecht – warum bringt er sie dann? Heute geht man von der emergenten Struktur des Universums aus, d. h. es entsteht Neues, das aus dem vorherigem nicht ableitbar ist und man so einen Hokuspokusbegriff wie Emergenz braucht, um zu überspielen, dass man das weder naturwissenschaftlich noch philosophisch irgendwie einordnen kann.
Das wird an dem einen Satz deutlich: >>Das "Ich" ist nichts anderes als ein Artefakt des "körperbewussten Gehirns"<< Der Satz setzt voraus, dass das Gehirn sich des Körpers eines Lebewesens bewusst ist, hat also Bewusstsein. Der Satz meint also, dass das Ich ein Produkt des Bewusstseins ist. Subjekt des Bewusstseins ist das Gehirn, das ist so eine Art homunculus, ein kleines „ich“. Man kann ja ruhig solche abstrusen bzw. tautologischen Thesen vertreten, aber damit zu erklären, was ein Ich ist, ist schon starker Tobak. Mit Hilfe welcher Ideologie kommt man eigentlich auf so etwas?
Verwundert lese ich den völlig unbegründeten Satz: >> Wir sind nicht böse<<, wobei gar nicht erklärt wird, was damit gemeint ist. Denn wir sind mit der Welt entfremdet, das zeigen die vielen ökologischen Krisen. Deren Auswirkungen der Ressourcenverbrauch und andere Folgen unseres modernen Lebenstils führen zu Kriegen und Terror. Zudem sind wir Menschen auch mit uns selbst entfremdet. Diese beiden Grundbezüge – zur Welt und zu sich selbst – beschreiben die Religionen in den Mythen. Das scheint mir doch näher an der Wirklichkeit zu sein als so ein unbegründeter Satz, der sich mit allen Erfahrungen des Menschen nicht vereinbaren lässt.
Interessant auch der Satz: >>Sprache ist entstanden, damit wir tratschen können<< Das ist eine teleologische Betrachtungsweise der Welt, was bemerkenswert ist, weil moderne Naturwissenschaft teleologisch denken will. Ich weiß, dass an dieser Stelle oft ein Rückzieher kommt, dass das nur metaphorisch und abgekürzt gemeint ist usw. Aber warum braucht man das dann überhaupt? Evolution ist ohne Teleologie und top-down-Kausalität gar nicht beschreibbar. Ich frage mich da allerdings, wie das mit einem naturalistischem Weltbild vereinbar ist.
>> Religion, so sagen die Evolutionsforscher ist entstanden, als die Gruppen, oder Herden immer größer wurden und Schamanen oder charismatische Führerpersönlichkeiten sich in den Vordergrund drängten und jede Form des Andersdenkens verhinderten.<<
Das ist eine Hypothese, für die es schwer fallen wird, belastbare Fakten zu bringen. Dies ist doch nur ein Mythos in wissenschaftlichem Gewand. Monokausale Erklärungen mit Macht dürften sowieso der komplexen Wirklichkeit nicht gerecht werden. Schade, dass Panzer so etwas unkritisch übernimmt.
>> Wir müssen uns Sisyphos als einen glücklichen Menschen vorstellen<<
Das ist der berühmte irrationale Sprung, den Camus verlangt. Es gibt keine rationale Begründung, warum man das muss. Moderne Mystiker verstecken ihren Irrationalismus gerne, haben ihn wohl verdrängt. Hier wird ein nebulöser Mystizismus als Ersatz für Religion geboten. Da ist mir doch eine Religion lieber, die klar eine Begründung für Hoffnung liefert.
Man kann ja gerne so einer Auffassung sein, aber man sollte doch so ehrlich sein, dass sie weder wissenschaftlich noch logisch-rational ist.
Ockham am Permanenter Link
Hallo Herr Weider,
Ihr Zitat: "Das "Ich" ist nichts anderes als ein Artefakt des "körperbewussten Gehirns"… Man kann ja ruhig solche abstrusen bzw. tautologischen Thesen vertreten, aber damit zu erklären, was ein Ich ist, ist schon starker Tobak."
Herr Panzer vertrat sicher nicht den Anspruch das "Ich" in einem derart kurzen Statement in Gänze erklären zu wollen.
Ihr Zitat: "Verwundert lese ich den völlig unbegründeten Satz: >> Wir sind nicht böse<<, wobei gar nicht erklärt wird, was damit gemeint ist." Es ehrt Sie, dass Sie genau lesen, was Herr Panzer schreibt. Er meint damit natürlich nicht, dass wir alle Engel sind. Damit drückt er aus, dass wir keinen Retter benötigen, weil wir selbstbestimmt/autonom denken und damit auch handeln können. Von Gottes Willen oder dem Willen anderer abhängig zu sein wäre Heteronomie (Fremdgesetzlichkeit).
Ihr Zitat: "Interessant auch der Satz: >>Sprache ist entstanden, damit wir tratschen können<< Das ist eine teleologische Betrachtungsweise der Welt, was bemerkenswert ist, weil moderne Naturwissenschaft teleologisch denken will."
G. Vollmer schreibt dazu in seinem neuen Buch "Im Lichte der Evolution" von der amerikanischen Philosophin Ruth Garet Millikan, die eine viel beachtete evolutionäre Theorie vorgelegt hat, wie Sprache entstand. Man spricht hier von "Teleosemantik". Danach sind die Bedeutungen von Wörtern, Sätzen, Aussagen, Texten in der Evolution entstanden; sie dienten bestimmten Zwecken. Ein mentaler Zustand bezieht sich dann und deshalb auf einen äußeren Sachverhalt, wenn und weil es in der Evolution seine nützliche Aufgabe, seine Funktion war, diesen Sachverhalt anzuzeigen. (vgl. S. 173) Herr Panzer hat mit der Klatsch-Theorie die soziale Funktion der Sprache angesprochen. Die Klatsch-Theorie wird von Dunbar und Baumeister vertreten. Danach dient Sprache dem sozialen Zusammenhalt, ist verbale Fellpflege. (Quelle: Im Lichte der Evolution, G. Vollmer, S. 172) G. Vollmer zeigt ab S. 172 zwölf verschiedene Vermutungen/Theorien über den Ursprung der Sprache auf.
Ihr Zitat: ">> Religion, so sagen die Evolutionsforscher ist entstanden, als die Gruppen, oder Herden immer größer wurden und Schamanen oder charismatische Führerpersönlichkeiten sich in den Vordergrund drängten und jede Form des Andersdenkens verhinderten.<<
Das ist eine Hypothese, für die es schwer fallen wird, belastbare Fakten zu bringen. Dies ist doch nur ein Mythos in wissenschaftlichem Gewand. Monokausale Erklärungen mit Macht dürften sowieso der komplexen Wirklichkeit nicht gerecht werden."
E. Voland schreibt dazu in seinem Buch "Soziobiologie" vom Schwarzfahrerproblem zweiter Ordnung, nach dem sich allerdings nicht die Schamanen oder Führer in den Vordergrund drängten, sondern dies einem Gott als Normüberwacher überließen, dem im Vergleich zu ihnen nichts mehr entgeht:
Das Schwarzfahrer-Problem lässt sich in dem Maße zurückdrängen, wie es gelingt, die nicht kooperierenden Normübertreter als solche zu erkennen und zu sanktionieren. In einfach überschaubaren Gemeinschaften, in denen nichts verborgen bleibt und jeder jeden kennt, bedarf es keiner besonderen sozialen Rolle oder Institution zur Normüberwachung. Wenn soziale Komplexität zunimmt, reicht informelle, gegenseitige Supervision der Tugendhaftigkeit zur erfolgreichen Aufrechterhaltung von Kooperation und Solidarität nicht mehr aus. Es muss jemanden geben, der urteilt und straft. Aber warum sollte jemand diese soziale Funktion übernehmen? Schließlich produziert der Richter mit seiner Leistung für die Gemeinschaft selbst ein öffentliches Gut, und zwar auf eigene Kosten, ohne selbst nennenswerte Vorteile davonzutragen. Wir haben es also mit einem "Schwarzfahrer-Problem zweiter Ordnung" zu tun und deshalb wieder mit jenem naturgewachsenen Hindernis, das der spontanen Entstehung und anhaltenden Verlässlichkeit von Kooperation im Wege steht (Fehr und Gächter 2002). Könnte es sein, dass Religionen auch hier eine konstruktive Rolle spielen? Man hat überlegt, ob nicht Gottesfurcht und damit die Internalisierung von Moral und Normentreue und deren Überwachung durch die innere Instanz des Gewissens biologisch als adaptive Antwort auf das Schwarzfahrer-Problem zweiter Ordnung evolviert sein könnte. Einiges spricht dafür: Kulturvergleichende Studien belegen, dass der Glaube an strafende Götter mit der Gruppengröße, mit sozialer Komplexität und dem Ausmaß sozialer Kooperation zunimmt. In einfachen, überschaubaren Subsistenzgruppen haben Götter, Ahnen und Geister vorrangig andere Aufgaben, eine Strafandrohung bei Normübertretung gehört nicht prominent hierzu (Rose und Raymond 2003). (vgl. S. 228 f., Auflage 4)
Ihr Zitat: ">> Wir müssen uns Sisyphos als einen glücklichen Menschen vorstellen<< … Da ist mir doch eine Religion lieber, die klar eine Begründung für Hoffnung liefert."
Ihr Bezug zur Hoffnung erscheint mir etwas fehl am Platz, da Camus folgendes mit seinem Sisyphos meinte:
Erst erfährt das Individuum die Welt als undurchdringbar und sinnlos, dann beginnt es sie hinzunehmen und zu akzeptieren. So gesehen ist Sisyphos als Allegorie des Lebens zu verstehen: Er sucht vergeblich nach einem Sinn, kann die ewig gleiche Handlungsabfolge jedoch hinnehmen und so ein Stück weit seine Freiheit zurückerobern. Freiheit heißt bei Camus also, über Revolte gegen die Sinnlosigkeit zu einer Akzeptanz zu finden – und das Sosein des Lebens anzunehmen. Damit ist jedoch nicht gemeint, in eine Art Schockstarre zu verfallen – vielmehr müssen wir jene Gegebenheiten akzeptieren, die wir nicht ändern können und Entscheidungen treffen, wenn wir sie sehr wohl ändern können und wollen. …Worum es also wirklich geht sind Entscheidungen über Situationen, die wir beeinflussen können: Wir müssen einfach nur losgehen. (Quelle: http://www.hoheluft-magazin.de/2013/12/warum-sisyphos-gluecklich-ist/)
Mit anderen Worten geht es also darum, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann, Dinge zu ändern, die ich ändern kann und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
Brillanter Kommentar - leider zu jemandes Äußerungen, den andere Meinungen und Argumente nicht wirklich zu interessieren scheinen.
Martin Weidner am Permanenter Link
Sehr geehrter Herr Ockham, vielen Dank für Ihre ausführliche Antwort.
Das stimmt, das war falsch von mir, er hat es nicht erklärt, sondern wegerklärt. Die „nichts anderes als“-Formel ist die Behauptung der schwachen Emergenz, die wirklich Neues verleugnet, damit ist das „Ich“ nicht real, sondern nur eine Einbildung.
Ad: >> Wir sind nicht böse<<,
>>Damit drückt er aus, dass wir keinen Retter benötigen, weil wir selbstbestimmt/autonom denken und damit auch handeln können. Von Gottes Willen oder dem Willen anderer abhängig zu sein wäre Heteronomie (Fremdgesetzlichkeit).<<
Gott als Retter und selbständig handeln widerspricht sich nicht. Sonst könnten Christen nicht dazu aufgefordert werden, dem Guten nachzudenken, alles zu prüfen, etc, wie es im Neuen Testament steht. Auch sind „nicht-böse-sein“ und autonom sein verschiedene Aussagen, weswegen ich Ihren nicht folgen kann.
Ad: Teleologie: Da enthält mein Text einen sinnentstellenden Fehler, ein „nicht“ habe ich aus Versehen vergessen:
Ich wollte posten: „…weil moderne Naturwissenschaft NICHT teleologisch denken will.“ Dies war eine Problemanzeige.
Ad: Entstehung von Religion. Nach Ihren Ausführungen kann das Schwarz-fahrer-Syndrom 2. Ordnung kaum als Erklärung in Frage kommen, da kleinere Gruppen diese Funktion von Religion nicht haben, aber sehr wohl Religion haben. Überprüfen Sie doch noch mal die innere Logik dieser Argumentation. Wie gesagt. Das sind alles schöne Überlegungen, aber eben nicht mehr als Spekulation.
Ad: Sisyphos / Sinnlos und glücklich
Ich kann bei Sisyphos nur das Hinnehmen erkennen, nicht das Aktive verändern. Ihr Schlusssatz ist ein Zitat eines Theologen, der Satz ist da durch eine Hoffnung begründet. Diese Begründung fehlt natürlich bei Camus, wie auch jede Begründung, warum er glücklich ist, damit auch die Begründung für das aktive Gestalten von dem, was man ändern kann, was dann auch nicht Thema ist. Natürlich gibt es das bei Camus, aber er springt dahin ohne Begründung.
Ockham am Permanenter Link
Ihr Zitat: Die „nichts anderes als“-Formel ist die Behauptung der schwachen Emergenz, die wirklich Neues verleugnet, damit ist das „Ich“ nicht real, sondern nur eine Einbildung."
Der Terminus "emergent" hat keinerlei Erklärungskraft; er bezeichnet vermeintlich prinzipielle Lücken in unserem Naturverständnis, die um so unverständlicher erscheinen, je erfolgreicher das physikalistische Programm in anderen Bereichen durchgeführt werden kann: … Theorien der Emergenz haben keinen explanatorischen Anspruch. Durch die Charakterisierung einer Eigenschaft als "emergent" verstehen wir nicht besser, weshalb ein System diese Eigenschaften hat. Vielmehr sind Emergenztheorien klassifikatorisch. Sie geben Antworten auf metaphysische Fragen, auf Fragen über die Natur von Eigenschaften, Zuständen und Ereignissen; und sie erlauben es – im Unterschied zu Mechanismus und Vitalismus -, alle Eigenschaften naturalistisch zu deuten. (Quelle: Emergenz; Von der Unvorhersagbarkeit zur Selbstorganisation; Achim Stephan; 2., unveränderte Auflage, vgl. S. 137)
Ihr Zitat: "Gott als Retter und selbständig handeln widerspricht sich nicht."
Das stimmt. Ein Analoges Beispiel ist die Annahme des Deismus, bei dem Gott die "Initialzündung" der Evolution war, dann aber nicht weiter eingreift. Damit wird Gott zum "Lückenbüsser". Des Weiteren verletzt der Deismus das "Sparsamkeitsprinzip" (Ockhams Rasiermesser).
Ihr Zitat: "Auch sind „nicht-böse-sein“ und autonom sein verschiedene Aussagen, weswegen ich Ihren nicht folgen kann."
Anders ausgedrückt: Bendedict de Spinoza bezeichnet das Böse als etwas, was die Selbstbehauptung des Einzelnen hemme und somit die freie Entfaltung hindere.
(Quelle: Wikipedia: Das Böse)
In diesem Zusammenhang habe ich auf die Autonomie verwiesen.
Ihr Zitat: "Ad: Entstehung von Religion. Nach Ihren Ausführungen kann das Schwarz-fahrer-Syndrom 2. Ordnung kaum als Erklärung in Frage kommen, da kleinere Gruppen diese Funktion von Religion nicht haben, aber sehr wohl Religion haben."
Es ging nicht um eine Komplett-Antwort auf die Frage nacht der Entstehung von Religion.
Ich wollte zeigen, dass das Schwarzfahrer-Problem zweiter Ordnung bei größer werdenden Gruppen eher in Betracht kommt als ein sich in den Vordergrund drängender Schamane oder Führer.
Ihr Zitat: "Ich kann bei Sisyphos nur das Hinnehmen erkennen, nicht das Aktive verändern. Ihr Schlusssatz ist ein Zitat eines Theologen, der Satz ist da durch eine Hoffnung begründet."
Camus meint, Sisyphos erkenne, dass der Fels allein seine Sache ist: «Sein Schicksal gehört ihm». Darin bestehe sein Glück. Dasselbe gelte für uns Menschen: In einem gottlosen Universum gibt es keinen Plan, ausser wir Menschen schmieden ihn. Der bewusste Mensch ist, wie Camus schreibt, «Herr seiner Tage» und seines Schicksals Schmied.
(Quelle: https://www.srf.ch/kultur/literatur/albert-camus-zum-glueck-hat-das-leben-keinen-sinn) Mit dem schmieden des Planes ist aktives Verändern gemeint.
Wo finden Sie im Gelassenheitsgebet ein Begründung durch Hoffnung?
Martin Weidner am Permanenter Link
>> Wenn von (schwacher) Emergenz die Rede ist, bezieht sich das auf das Bewusstsein.<<
Ihr zweites Zitat zu Emergenz ist sehr schön, es sagt es viel besser als ich es mit meinen schnoddrigen Worten gepostet hatte, aber schon, dass wir uns da einig sind.
Wollten Sie mir das mit Ihrem Zitat sagen?
Ad: Handeln Gottes und des Menschen
Im Neuen Testament folgt aus dem, dass Gott etwas schenkt die Aufforderung, das umzusetzen. Weil Glaube ein Beziehung-Geschehen ist, ist Gottes Rettertat und das aktive Handeln des Menschen zugleich aussagbar. Das hat mit Deismus nichts zu tun, mit dem ich auch nichts anfangen kann. (Allerdings bezweifle ich, dass Deismus unweigerlich den Lückenbüßer-Gott enthält. Auch wenn ich den Deismus ablehne, muss ich ihn ja nicht schlechter zeichnen, als er ist. Aber da kenne ich mich auch nicht so aus.)
Ad: Das Böse und die Autonomie:
Natürlich kann man fragen, ob ein Mensch, der Böses tut, da noch er selbst ist und darin frei ist. Spinoza und Paulus stellen das auf ihre eigene Weise in Frage. Wenn von (schwacher) Emergenz die Rede ist, bezieht sich das auf das Bewusstsein. Aber ist es nicht gerade das, was wir ständig erfahren: Wir wollen die Umwelt erhalten und leben doch so, dass sie den Bach herunter geht, weil wir in Dingen eingeflochten sind und darin nicht frei. Das Böse ist eine Blockade der Freiheit. Deshalb braucht der Mensch auch einen rettenden Gott, der ihm durch die Vergebung die Blockaden nimmt, so dass er frei und autonom handeln kann.
Ad. Entstehung der Religionen
Herrn Panzer ging es schon um die Erklärung, wie Religion entstanden ist. Ich verstehe Ihr Posting deshalb als indirekte Kritik an den Artikel. Da stimme ich mit Ihnen überein. Wollten Sie mir das sagen?
Ad: Sinn(los) / Glück / Hoffnung / Camus:
Sein Schicksal hat jeder Mensch teilweise in der Hand – das hängt nicht daran, ob man das Leben als absurd ansieht oder nicht. Man kann auch nicht abschütteln, dass man sein Leben sinnvoll leben will – egal ob Nihilist oder Theist. Und alle sind in ihrem Leben so weit dabei gekommen, wie sie möchten. .Ich kenne Christen, die bei einem sehr schweren Schicksal revoltiert haben, es selbst in die Hand genommen haben aufgrund ihres Glaubens. Es wäre aber anmaßend, das nur für Gläubige gepachtet zu sehen, genauso ist das aber nicht nur denen vorbehalten, die nicht an Gott glauben.
Die Frage ist, wie es zu diesem „trotzdem“ des Lebens kommt. Camus glaubt an die menschliche Würde und Solidarität, dafür gibt es keine Begründung.
Genauso wenig kann man Gott logisch begründen. An der Stelle hat jeder einen „irrationalen Sprung“, wenn der auch sehr unterschiedlich aussieht.
In dem Gebet steckt übrigens die Hoffnung, dass es gelingen wird, die Teile des Lebens zu entdecken und zu ergreifen, die man aktiv gestalten kann. Die Hoffnung ist auf jemanden gerichtet, zu dem man betet, sie liegt streng genommen nicht im Gebet selber.
Ockham am Permanenter Link
Der Deismus ist folgendermaßen definiert: Im engeren Sinne sind Deisten diejenigen, die das Göttliche zwar mit dem Ursprung des Universums in Verbindung bringen, ein weiteres Eingreifen Gottes jedoch bestreiten.
Mit dem Deismus meinte ich, dass dabei zusätzlich zur Evolution noch ein Gott in die Lücken des unvollkommenen Naturverständnisses gepresst wird. Aber ist das notwendig? Meiner Ansicht nach nicht. Denn die Evolutionstheorie erklärt sehr vieles, was man von einem Gottespostulat nicht behaupten kann. Gott ist nicht be- bzw. widerlegbar, die Evolutionstheorie ist es dagegen schon! Genauso ist ein selbständiges Handeln des Menschen ausreichend. Wird Ockham´s Rasiermesser konsequent eingesetzt, stellt die Retter-Hypothese nur unnötigen Ballast dar und kann abrasiert werden.
Ihr Zitat: "Wir wollen die Umwelt erhalten und leben doch so, dass sie den Bach herunter geht, weil wir in Dingen eingeflochten sind und darin nicht frei. Das Böse ist eine Blockade der Freiheit. Deshalb braucht der Mensch auch einen rettenden Gott, der ihm durch die Vergebung die Blockaden nimmt, so dass er frei und autonom handeln kann."
An die Willensfreiheit glaube ich nicht. Deshalb folge ich Ihren Schlussfolgerungen auch nicht. Wir sind geprägt von unseren Erbanlagen, unserer Erziehung und durch die Reize, die aus der Umwelt auf uns einwirken. Diese Determinanten sind Ursachen der resultierenden Wirkungen.
Sie haben recht, die Antwort von V. Panzer auf die Entstehung der Religion ist nach E. Voland´s Ausführungen wohl eher ungenügend bzw. falsch.
Ihr Zitat: "Ich kenne Christen, die bei einem sehr schweren Schicksal revoltiert haben, es selbst in die Hand genommen haben aufgrund ihres Glaubens."
Glaube kann bei Coping (Bewältigungsstrategien) verstärkend/ergänzend helfen. Aber: Die religiösen Bewältigungsstrategien ersetzen die allgemeinmenschlichen, säkularen nicht – etwa „Kampfgeist “ oder „Suche nach sozialer Unterstützung “. (Quelle: http://www.religio.de/tagung/vortraege18/grom18.pdf; vgl. S. 11)
Ihr Zitat: "In dem Gebet steckt übrigens die Hoffnung, dass es gelingen wird, die Teile des Lebens zu entdecken und zu ergreifen, die man aktiv gestalten kann."
Das Gelassenheitsgebet ist für mich völlig säkular auch ohne einen Bezug zur Hoffnung zu verstehen. Was ein Mensch in seinem Leben ändern kann ist dadurch determiniert, was an Bewältigungsstrategien, Wissen oder Erfahrungen bei dem jeweiligen Individuum vorhanden ist. Um sich sich diesbezüglich Neues anzueignen, ist der Wille zur Tat entscheidend und keine Hoffnung.
Martin Weidner am Permanenter Link
Ad Deismus: Nach der zitierten Definition hält der Deismus Gott aus jeglichem Naturgeschehen heraus, was das exakte Gegenteil vom Lückenbüßer-Gott ist.
Sie wollen mir etwas mitteilen, aber glauben nicht an die Willensfreiheit. (Ihr Posting hört damit auf, dass der Wille zur Tat entscheidend ist.) Egal, wie Sie diesen Widerspruch aushalten - für mich ist das einfach nur Unsinn. Aber da ihr Posting nur ihre Erziehung, ihre Erbanlagen und Reaktion auf Umweltreize ist, die Sie erleiden, muss ich das, was Sie sagen, auch nicht ernst nehmen. : - )
Aber selbst wenn ich Ihre Sichtweise übernehme, ist der Zuspruch der Vergebung Gottes ein Reiz, der Blockaden zum Handeln nimmt.
Ad Revolte gegen Schicksal: Natürlich hören Christen nicht auf, Menschen zu sein, das hat auch keiner behauptet. Im Gegenteil: Das liegt nahe dem, was ich meinte: Das keiner (Atheist / Christ) das für sich gepachtet hat. Da sind wir uns also einig bzw. nahe.
Ad Hoffnung: Nein, Hoffnung ist auch ein Beziehungs-Geschehen, jedenfalls mehr als das, was in einem Menschen an Erfahrungen, Wissen und Strategien etc. vorhanden ist. Ich habe schon Menschen das Leben gerettet, indem ich ihnen Hoffnung gab, die sie von sich aus nicht hatten und die sie brauchten, um einen Neuanfang zu wagen. Ihr Ansatz wäre mE Gift für alle schwer depressiven Menschen, wenn sie mitten im Loch sind.
Ockham am Permanenter Link
Herr Weidner, tun Sie doch nicht so, als ob Sie nicht wüssten, was ein Lückenbüsser-Gott ist.
Dass ich Ihnen etwas mitteile (Handlung) hat nichts mit Willensfreiheit zu tun, sondern mit Handlungsfreiheit!
Ihr Zitat: „Ich habe schon Menschen das Leben gerettet, indem ich ihnen Hoffnung gab, die sie von sich aus nicht hatten und die sie brauchten, um einen Neuanfang zu wagen.“
Respekt! Wenn Sie jemandem das Leben gerettet haben ist Ihnen ein Platz im Himmelreicht zur Rechten Gottes gewiss sicher! Sollte sich dort Jesus schon breit gemacht haben, können Sie Ihn ja fragen, ob Sie auf seinem Schoß platz nehmen dürfen...
Martin Weidner am Permanenter Link
In Ihrem Posting vom 26. Juni geht es Ihnen darum, dass ein Lückenbüßer-Gott in die Erklärungslücken der Evolutionstheorie gepresst wird. Dieser Lückenbüßer-Gott mischt sich also in der Naturgeschehen ein.
Ich will den Deismus gar nicht verteidigen, ich lehne ihn aus verschiedenen Gründen ab, will ihm aber auch nichts Falsches unterstellen, sein Ziel ist es doch, einen Lückenbüßer-Gott zu vermeiden. Ein solcher Lückenbüßer-Gott taucht aber dann auf, wenn Gott als Erklärung der Welt dient und die Schöpfung am Anfang als Startpunkt und damit Teil einer Kausalkette angesehen wird. Dann verschiebt der Deismus in der Tat die Lücke, in die Gott gepresst wird, einfach an den Anfang des Weltalles. Das ist weder theologisch noch naturwissenschaftlich überzeugend.
Sie unterscheiden zwischen Handlungs- und Willensfreiheit. Solche Unterscheidungen sind pragmatisch sinnvoll. Aber es geht doch um jeweils einen Menschen der etwas will und dementsprechend handelt. Oder wollen sie mir mitteilen, dass Sie mir nichts mitteilen wollen? Ich kann beim besten Willen keinen Sinn in Ihren Ausführungen erkennen.
Da sie Plätze im Himmelreich vergeben, wie es nur Gott kann, halten Sie sich für Gott oder machen sich über meine Bemerkung lustig. Ich gebe zu, das meine Formulierung schwülstig klingt, aber mir ging es um die Tatsache, dass jemand, der in Gefahr ist, sein Leben weg zu werfen, durch Hoffnung, die ihm von außen vermittelt wurde, davon abgehalten wurde. Es ging doch darum, dass Ihre These in ihrer apodiktischen Einseitigkeit nicht haltbar ist, weil Menschen eben Beziehungswesen sind.
Ockham am Permanenter Link
Genau darum geht es, der Deismus verschiebt die Lücke zur Schöpfung, wie Sie selber feststellen.
Menschen sind Beziehungswesen. Während Sie an eine Beziehung mit Gott denken, ziehe ich (nur) menschliche Beziehungen vor.
Martin Weidner am Permanenter Link
Stimmt, Sie haben nicht die Stelle Gottes, sondern seines Propheten eingenommen, der die Platzvergabe verkündigt.
Martin Weidner am Permanenter Link
Übrigens: Es ist so gut wie unmöglich, die Evolutionstheorie zu widerlegen, weil sie eine Metatheorie ist, mit Kuhn gesprochen ein Paradigma.
Ockham am Permanenter Link
Am 14.
Wenn Sie sagen, Hoffnung ist ein Beziehungsgeschehen, meinen Sie dann die Menschliche Beziehung oder die Beziehung Mensch-Gott?
Martin Weidner am Permanenter Link
Sie sprechen auch Herrn Kammermeier an, der wird antworten: die menschliche Beziehung. Für mich schließt das eine das andere nicht aus.
Antje am Permanenter Link
Meine Gedanken dazu sind noch;
Der Mensch ist in der Lage, vorzusorgen, Er kann also eingeschränkt über den Tag hinaus denken.
Die Bibel nennt den einen Narren, der nur an das Hier und jetzt glaubt.
Wenn wir das tun, werden wir früher oder später zu dem Schluss kommen, dass es Gott gibt und wenn wir ihn aufrichtig suchen, gibt er sich zu erkennen.
Ich habe schon manchen Spötter erlebt, den Gott doch noch überzeugt hat.
Für mich gibt es nichts herrlicheres, als die Tatsache zu wissen, dass Jesus der Sohn Gottes selbst sein Leben für mich gab, damit ich ewiges Leben haben kann. So sehe hat Got die Welt geliebt, das er seinen einziggeborenen Sohn gab, damit jeder, der an IHN glaubt, nicht verloren gehen, sondern ewiges Leben haben. Johannes 3,16
Dieter Bauer am Permanenter Link
.... Gott ist allgegenwärtig..... rede mit Gott, so redet er mit dir.... ....Gott antwortet auf alle deine Fragen....
Realität schließt Fantasie und ihre Früchte aus.
Martin Weidner am Permanenter Link
Gegenfrage: Wie soll es funktionieren, dass es fühlende Lebewesen gibt, wo doch alles auf 4 Grundkräften zusammen gesetzt ist, die kein fühlen beinhalten.
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
"Gegenfrage: Wie soll es funktionieren, dass es fühlende Lebewesen gibt, wo doch alles auf 4 Grundkräften zusammen gesetzt ist, die kein fühlen beinhalten."
Ich weiß, Sie werden das nie begreifen.
Ich gebe Ihnen trotzdem ein Beispiel aus meinem Alltag: Es gibt drei subtraktive Grundfarben: Yellow, Magenta und Cyan. Alle drei zu gleichen Teilen gemischt ergeben im Idealfall Schwarz. Die Abwesenheit aller drei Farben Weiß. Sämtliche Farbtöne können aus diesen drei Grundfarben gemischt werden. Wenn ich ein kunterbuntes Bild male, benutze ich in der Regel nur diese drei Grundfarben. Das ist doch komisch, folge ich Ihrer "Argumentationsweise".
Ich kann auch aus zwei sehr einfachen Elementen Wasser mischen. Und das kann ich trinken, kann mich damit waschen, ich kann es einfrieren oder zum Inhalieren verdampfen. Komisch, oder?
Unsere DNS ist aus sehr wenigen Elementen zusammengesetzt, einem binären Computer reicht sogar "An" und "Aus", um die komplexesten Programme arbeiten zu lassen.
"Sie Stellen sich Gott als ein Lebewesen vor, das ein Teil des Universums ist. Das glaubt aber kein Christ, denn Gott ist kein Teil der Schöpfung, er ist der, der alles geschaffen hat."
Dann sollten Sie mal die Bibel lesen. Wenn "Gott" durch die Abendkühle des Paradieses lustwandelt und nach Adam ruft, weil er gerade nicht weiß, wo der ist, dann vermittelt die Bibel ein höchst personelles Wesen, das als Baumeister das Universum innerhalb der Urflut geschaffen hat.
Dass heute - um sich nicht völlig lächerlich zu machen - einzelne Theologen von diesem sehr konkreten Bild abrücken, ist deren Privatangelegenheit. In der Bibel steht ein Gott, der nach seinem Rückzug in himmlische Gefilde im Himmel thront und die Erde als Fußbank (man könnte auch sagen: Fußabtreter) benutzt.
Natürlich können Sie sich den alten Theologen (d.h. denen bis vor einigen Jahrzehnten) als überlegen präsentieren und deren personelle Auffassung des biblischen "Gottes" ablehnen, aber diese Theologen hatten wenigstens die Bibel auf ihrer Seite.
"Man kann natürlich die Überzeugungen anderer so verdrehen, dass man sie lächerlich machen kann."
Sie wie Sie?
"Genauso gut könnte man behaupten, dass alle Atheisten glauben, dass Gravitation oder Wechselwirkungen wie Elektromagnetismus geistige Wesen sind, die sie wie einen Gott verehren und allen Atheisten, die dem widersprechen entgegen halten, dass sie ihre eigene Überzeugung verwässern und unlogisch sind."
Zeigen Sie einen Atheisten, der so denkt. Ich kann Ihnen hingegen viele Theologen - z.B. Luther, weil er gerade so schön gefeiert wird - nennen, die von einem realen "Gott", der über der Erde thront, ausgehen.
"Schade, dass sie sich auf so ein niedriges Niveau begeben. Haben Sie das nötig?"
Willst du den Weidner im Niveau ganz oben sehn,
dann musst du nur das Schema drehn...
Martin Weidner am Permanenter Link
Zu Ihren Beispielen der Emergenz:
Durchs Malen entstehen keine elektromagnetische Wellen, die es vorher nicht gab. Neu ist das Bild, das ein Produkt des Geistes ist.
Das kann man mit einer Metaphysik wie bei Whitehead beschreiben, oder einfach mit der Gottheit „Selbstorganisation der Materie“. Das Faktum des Neuen in der Welt lässt sich nicht so einfach fassen.
Computerprogramme sind eine Art Sprache. Sie besteht in der Tat aus nur 2 „Buchstaben“. Buchstaben einfach wahllos aneinanderreihen ergibt noch kein Programm, es ist ein Produkt des menschlichen Geistes.
Erstaunlich finde ich, dass Sie dies in einem Atemzug nennen mit der DNA. Das können Vertreter von Intelligent Design ebenso. Wollten Sie mir mit diesen Beispielen Ihre Bewunderung für ID mitteilen? Ich weiß, blöde Frage, aber es zeigt, wie nichtssagend Ihre Beispiele sind.
Sie haben sich anscheinend mit dem Phänomen des Neuen nicht ernsthaft befasst, was die merkwürdige Liste Ihrer Beispiele zeigt. Das kaschieren Sie damit, dass Sie wissen, dass ich es nie begreifen werde. Nett!
Zu Gottesvorstellungen:
In Israel wurde Gott durch 2 „Eigenschaften“ beschrieben: Er ist der heilige, heilig ist das Abgesonderte, d.h. Gott steht jenseits von allem. Zugleich ist er der Gott Israels, der sich mit Menschen verbindet, sich auf ihre Geschichte einlässt. Es gibt sogar die paradoxe Formulierung. Gott als der Heilige Israels.
Beides wird durchgehalten. Nirgends finden wir, dass Gott ein Teil der Schöpfung ist (darum ging es doch, das haben Sie im Eifer wohl vergessen), noch ist er teilnahmslos der Welt und den Menschen gegenüber. Sie können das weder in der Bibel finden noch bei den „alten Theologen“.
Da Sie sich ja so gut auskennen, wissen Sie, dass Genesis 1 aus Jeremia 4 „hervorgegangen“ ist, dass Gott das zerstörte Land, das ein Kriegstrümmerhaufen ist, nicht im Chaos lässt. In Genesis 3 ist es Gott, der dem Menschen nachgeht. Gott ist kein Geschöpf, sondern der Schöpfer, aber er geht dem Menschen nach. Davon rückt keiner ab. Ist das Hiobbuch von der Bibel abgerückt, als es die Erde über dem Nichts aufgehängt sah? Im Alten Testament werden Weltbilder der Umgebung aufgegriffen und zugleich kritisiert. Das, was andere Völker anbeteten wird als Gebrauchsgegenstände Gottes beschrieben (so Psalm 104). Das machen Theologen bis heute. Das ist übrigens keine Verachtung, sondern eine Entgötterung der Welt. Aber das werden Sie nie begreifen :-: - )
Ihr Posting geht an meiner Kritik an Herrn Bauer vorbei.
Aber ich kenne viele, die von „der Natur“, „der Evolution“ u. ä. so reden, als wären es Götter.
Ich bin mir bewusst, dass in dieser Darstellung zwar ein Körnlein Wahrheit liegt, es aber eine sinnentstellende Verdrehung von dem ist, was diejenigen meinen. Sie dagegen sind sich Ihrer Sinnverdrehung nicht bewusst und werden es nie begreifen : - ).
Josef am Permanenter Link
Ich kann den Autor beruhigen, es gibt im Himmel Tiere, der Religionslehrer hatte bloß keine Ahnung:
Jesaja 65
Martin Weidner am Permanenter Link
Da gibt es noch mehr: Römer 8: Alle Kreatur ist in der Hoffnung auf Erlösung mit eingeschlossen.
Bernd Kammermeier am Permanenter Link
"Aber wen interessiert es hier, was in der Bibel steht, wenn es nicht dazu dient, den Religiösen Menschen etwas überwatschen zu können?"
Weil wir uns für die Bibel interessieren und sie oft genug besser kennen als Gläubige, üben wir Kritik an Religion. Das mit dem "Überwatschen" überlassen wir Gläubigen, die darin geübter sind...