Ein kreativer Weg zur Philosophie

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Foto: Lutz von Werder

BERLIN. (hpd) „Seit 17 Jahren für jeden offen“. Der Autor, Moderator, Soziologe, Philosoph und Hochschullehrer Prof. Dr. Lutz von Werder ist der Veranstalter eines regelmäßigen philosophischen Cafés in Berlin. Er stellt philosophische Systeme und Konzepte anschaulich dar und diskutiert sie mit den Gästen.

 

Dabei sind für das Jahr 2011 alle Veranstaltungen zwei übergeordneten Themengebieten zugeordnet, „Philosophie des Ichs“ und „Moderne Ethik“. Am 04.05.2011 war das Thema in seinem philosophischen Café: „Jenseits von Gut und Böse (Schmidt-Salomon)“.

„Der Atheismus ist in die Jahre gekommen“

Im gemütlichen Kaminraum des Literaturhauses Berlin gab Lutz von Werder einen Einblick in die Ethik von Michael Schmidt-Salomon. Nicht nur die Problematik des Unterteilens in „Gut“ und „Böse“ wurde vorgestellt, auch in Schmidt-Salomons Positionen zu Willensfreiheit, Ethik und Moral, Religion und Atheismus, Gene und Meme („kulturelle Informationseinheiten“) wurde trotz der kurzen Zeit ein Einblick gegeben.

Nach jedem Segment des Vortrags wurde die Diskussion mit einer gezielten Frage angeregt. Auf die erste Fragestellung „Abschaffung aller Religionen für die Befreiung des Menschen?“ argumentierten die Teilnehmer geschlossen einig, besonders bei der Ablehnung der Indoktrinierung von Kindern durch/ mit Religion oder dem gewünschten Wegfall der moralischen Oberhoheit der Religionen. Aber auch ein gewisser Neid auf „religions- bzw. glaubensfähige“ Menschen wurde geäußert, was Herrn Lutz von Werder dazu bewegte Kierkegaard hinzu zu ziehen: „Wer glaubt muss die Vernunft opfern.“

Bei den insgesamt doch recht anspruchsvollen Themen war sowohl beim Vortrag, als auch beim Dialog mit den Teilnehmern, ein dezenter Humor sehr angenehm und auflockernd, natürlich ohne dass dabei die Sachlichkeit unter den Tisch gefallen wäre.

Bei den folgenden Diskussionen über Willensfreiheit und insbesondere Schuldfähigkeit (z.B. von Straftätern), wurde dann erbittert argumentiert und man merkte deutlich die gestiegene emotionale Anspannung vieler Gäste bezüglich solcher Fragestellungen. Die Frage nach dem Umgang mit Straftätern (geht man von der persönlichen Schuldunfähigkeit derer aus) war für die meisten Teilnehmer der Debatte schnell das vorrangige Problem.

Über die „große Erfahrung der Leichtigkeit des Seins“, quasi dem Resultat des ethischen Systems von Schmidt-Salomon für den Einzelnen, kam die Gruppe aus Zeitgründen leider nicht mehr zu sprechen. Dadurch dann auch der am Ende der Veranstaltung gefundene gemeinsame Konsens: Man muss sich auf Schmidt-Salomons ethisches Modell intensiv gedanklich einlassen, 90 Minuten sind dafür garantiert nicht ausreichend. Doch sie genügen für einen Einblick und wecken den Wunsch sich ausgiebiger mit der Materie zu befassen – so jedenfalls empfanden eindeutig vielen der Gäste.

Ein Ort des philosophischen Selberdenkens für Alle

So wünscht man sich ein philosophisches Café: ein spannendes Thema und verständlich vermittelte Inhalte als Diskussionsgrundlage sowie rege Beteiligung der Gäste. Lutz von Werder wies zum Ende der Veranstaltung noch auf die zahlreichen philosophischen Cafés in Frankreich hin und bedauerte die doch sehr überschaubare Anzahl solcher Veranstaltungen in Berlin.

Auf seiner Homepage sind neben den nächsten Terminen und Themen auch 11 Thesen zum philosophischen Café aufgestellt; um eine zu zitieren: „Die heutige herrschende Philosophie ist lebens- und existenzfern. Im Café ist das Selberdenken einleuchtend und evident.“

Das philosophische Cafe mit Lutz von Werder findet jeden 2. Sonntag von 10:30 – 12:00 Uhr in der Urania Berlin und jeden 2. Mittwoch von 17:30 – 19:00 im Literaturhaus Berlin statt.

Nicolai A. Sprekels