Rezension

"Machttechniken der Wokeness" – eine nicht ganz so gelungene Kritik

Mit dem Buch "Generation Krokodilstränen" sollen die "Machttechniken der Wokeness" laut der Verfasserin Pauline Voss entlarvt werden. Das gelingt der Autorin indessen nicht wirklich, da sie bei einer eher allgemeinen Kritik des gemeinten Phänomens verbleibt, dafür aber mit Michel Foucault gegen dessen selbsternannte Schüler argumentiert.

Mittlerweile gibt es auch zahlreiche deutschsprachige Bücher, welche die sogenannte Wokeness-Bewegung kritisieren. Dabei unterscheiden sie sich in Form und Inhalt, Methode und Richtung: Sie haben mal eine differenzierende oder pauschalisierende, mal eine konservative oder linke, mal eine ideologiekritische oder polemische, mal eine selektive oder umfassende Perspektive. Auch das Buch, das als "Generation Krokodilstränen. Über die Machttechniken der Wokeness" von Pauline Voss vorgelegt wurde, lässt sich in diese Kategorie einordnen. Sie ist Jahrgang 1993, war im Auslandsressort für die Neue Züricher Zeitung als Redakteurin tätig und arbeitet seit Oktober 2023 nun als freie Journalistin. Die Angabe des Jahrgangs ist insofern wichtig, weil bezogen auf eine bestimmte Generation geschrieben wurde. Es gibt auch einige autobiographische Anmerkungen im Buch von Voss. Denn die "Generation Krokodilstränen" ist ihre Generation, zumindest ordnet sich die Autorin dieser Generation altersmäßig, aber nicht mental zu.

Über deren Angehörige heißt es gleich zu Beginn: "Doch wenn ich mich umsehe, wie meine Generation ihr soziales Umfeld umgestaltet … und wie sie sich fast manisch in immer neue sexuelle und geschlechtliche Kategorien einsortiert, dann erscheint es mir als lege sie sich selbst die Fesseln an, die sie immer vermisst hat" (S. 10). Anders formuliert: Die Gesellschaft ist gar nicht so rückständig, wie die gemeinte Generation unterstellt. Das allgemeine Klagen stehe für die titelgebenden "Krokodilstränen". Damit gingen konkrete Bedürfnisse, politische Instrumentalisierungen und spezifische Interessen einher, was dann für das ganze Buch das konkrete Thema wäre. Beabsichtigt sei das Ausleuchten des Hintergrundes eines neuen Spießertums, das auch mit einem einflussreichen französischen Denker bezüglich der "Machttechniken" aus dem Untertitel entlarvt werden solle. Gemeint ist Michel Foucault, der als postmoderner Autor eigentlich gern von den gemeinten Identitätslinken als geistiges Vorbild bemüht werde. Diese Deutung sei falsch, meint Voss.

Die von ihm entwickelten Auffassungen etwa zum Diskurs, der Interessen an Macht vermittle, fielen auf die Sympathisanten der Wokeness zurück. Insofern könne man mit seinen Ansätzen auch deren Manipulationsmethoden entlarven: "Mit Foucaults Maulschlüsseln wollen wir die Machttechniken der Wokeness auseinandernehmen" (S. 20), heißt es als Absichtsbekundung der Autorin. Einschlägige Aussagen des französischen Denkers lassen sich als formale Deutungen auf das gemeinte Phänomen übertragen, abstrahiert man von den konkreten Inhalten und blickt genauer auf das diskursive Vorgehen. In dieser Ausrichtung besteht das Originelle bei Voss. Sie verweist etwa auf Disziplinierungsforderungen für Sprache, wobei die angestrebte "Schriftmacht" zum Umdenken nötigen soll: "Foucault gibt uns das theoretische Rüstzeug, um beides anzuerkennen: die Unterdrückung einerseits und ihre Instrumentalisierung durch vermeintliche Befreier andererseits" (S. 70). Man kann demnach mit Foucault gegen seine selbsternannten Nachfolger argumentieren.

Dann erschöpft sich aber die ganze Argumentation auch schon. Die folgenden Ausführungen, die insbesondere auf geschlechtliche Identität bezogen sind, mögen mit ihrer Kritik zutreffend sein. Sie bleiben aber mehr an der inhaltlichen Oberfläche, auch bei den feuilletonistischen Spitzen. Einzelne Detailkritik geht nicht mehr über diese Ebene hinaus. Ein gelungenes Beispiel ist etwa: "Butlers mangelnde Anschaulichkeit setzt in der Sprache fort, was ihr auch auf inhaltlicher Ebene fehlt: das Interesse an realen Zuständen und der Mut, diese zu benennen und sich dadurch angreifbar zu machen" (S. 128). Danach reiht die Autorin aber primär Beispiele aneinander, ohne sie einer allgemeineren wie differenzierteren Erörterung zu unterziehen. Auch bleiben die genauen Akteure der anvisierten "Machttechniken der Wokeness" letztendlich doch diffus. Irgendwann ist der Bezug auf Foucault in den Kapiteln auch inhaltlich ausgereizt, es hätte dann einer konkreteren Anschaulichkeit bedurft, auch und gerade bezogen auf das im Untertitel eigentlich Versprochene.

Pauline Voss, Generation Krokodilstränen. Über die Machttechniken der Wokeness, München 2024, Europa Verlag, 200 Seiten, 22 Euro

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