„Starke Zivilgesellschaften entwickeln“

In Europa gibt es heute fast überall Demokratien, mehr oder weniger. Die Rede von Regierungen ist daher auch immer eine Rede über uns selbst.

Ja, das stimmt.

Was sehen Sie nun beim Blick auf Europa und die EU?

Ich denke, dass eine Sache besonders für die neuen EU-Mitglieder wichtig ist: Sie sollten starke Zivilgesellschaften entwickeln – so stark, wie wir sie im westlichen Europa als gegeben ansehen. Gibt es keine starke Zivilgesellschaft in den Gesellschaften, werden Lücken anders ausgefüllt. Das besorgt uns sehr. Es werden viele Kirchen kommen, aber vor allem die katholische Kirche wird versuchen, in solche Lücken in den Zivilgesellschaften der östlichen Länder Europas zu treten – falls wir diesen Gesellschaften nicht bei ihrer Entwicklung helfen. Und sehen Sie all die heutigen Konkordate mit der Kirche? Ich bin überzeugt, hier haben wir einen wichtigen Punkt.

Sollten wir uns auf die Kritik daran beschränken?

Nein. Wir sollten uns auch für eine humanistische Perspektive auf das Zusammenleben der EU-Bürger einsetzen, mit ihren unterschiedlichen Glaubenshaltungen. Wir haben Gruppen mit starken religiösen Wurzeln in Europa, wir haben hier Migranten mit ebenso starken religiösen Wurzeln in anderen Kulturen und wir haben die Idee eines säkularen Miteinanders, um den Menschen mit und ohne Glauben ein Zusammenleben auf dem gleichen Kontinent, innerhalb einer nationalen Gemeinschaft möglich zu machen.

Kann es sein, dass diese Idee des säkularen Miteinanders wiederentdeckt werden muss?

Mit dieser Idee sollten wir uns wieder stärker beschäftigen. Und selbst Humanisten müssen insofern auch lernen, innerhalb Europas zu kooperieren. Dazu gehört es, Meinungsunterschiede aus nationaler Perspektive beilegen zu können. Denn die Geschichte der nationalen Bildungssysteme wie auch der politischen Systeme ist oft sehr unterschiedlich. Und das sollten wir realisieren und versuchen, miteinander auf einer persönlichen Ebene stärker ins Gespräch zu kommen. Natürlich sollten wir auch deshalb kooperieren, um mehr Gehör in den EU-Gremien zu finden – sowohl als Vertreter von Gruppen als auch von allgemeinen Interessen. Die EHF könnte hier eine wichtige Rolle spielen.

Ist jetzt schon die Zeit reif, um auch humanistische, skeptische und andere Gemeinschaften in den Entwicklungsländern zu unterstützen?

Ja. Das ist sehr wichtig. Wir könnten sicherlich jederzeit darauf verweisen, nicht genug Mitglieder, Zusammenarbeit und Geld in unseren europäischen Gemeinschaften zu haben. Aber auf jeden Fall existiert zu wenig davon auch in den Entwicklungsländern – nicht nur in Uganda oder Sri Lanka. Hier können wir sogar über Polen oder Chile sprechen. Es ist vital, sich dort zu engagieren. Ich träume davon, dass sich nationale Gemeinschaften von diesen Atheisten, Humanisten und Skeptikern mal einen Partner in den Entwicklungsländern suchen. Wir könnten viel damit erreichen.

Macht das die British Humanist Association?

Jetzt und hier an diesem Ort.

Die Fragen stellte Arik Platzek