OSLO. (hpd) Humanistinnen und Humanisten in Norwegen scheuen sich nicht, über den eigenen Tellerrand zu blicken. Deshalb existiert HAMU: Humanistisk aksjon for menneskerettigheter i utviklingsland, die „Humanistische Aktion für Menschenrechte in Entwicklungsländern“. Die erst seit 1994 tätige Organisation arbeitet heute bereits mit einem Etat von mehr als einer Viertelmillion Euro pro Jahr.
„In Indien, Nepal, Brasilien, Nigeria und Uganda gibt es Projekte, die von HAMU gefördert werden“, so Gunnar Olafsen. Insgesamt seien es bereits 15 lokale Projekte, freut sich der seit mehreren Jahrzehnten engagierte Humanist aus Norwegen. Bereits vor 26 Jahren war er als Mitglied im Vorstand des Humanistischen Verbands Norwegen an der Gründung von HAMU im Jahr 1985 beteiligt. Seit rund 16 Jahren ist HAMU praktisch aktiv. Auf dem Welthumanistenkongress 2011 in Oslo ist HAMU damit heute eine der Mitgliederorganisationen, auf welche die norwegischen Humanisten besonders stolz sind. Sie ist nach ihrem niederländischen Pendant HIVOS die zweitgrößte humanistische Organisation dieser Art.
HAMU unterstützt und fördert Projekte, welche für die Durchsetzung der Menschenrechte und gegen Unterdrückung und Ungerechtigkeit aus religiösen und traditionellen Gründen in Entwicklungsländern kämpfen. Man setzt vollständig auf Kooperation mit lokalen Initiativen, eigene Mitarbeiter in den Ländern gibt es nicht. Die dort ansässigen Organisationen bewerben sich bei HAMU, das aus den vorgeschlagenen Projekten die erfolgversprechendsten und wichtigsten auswählt.
Der Kriterienkatalog ist einfach gehalten. Ein zentrales Ziel ist, die Umsetzung von Menschenrechten zu fördern und marginalisierten Menschengruppen Hilfe und Unterstützung zu bieten, damit sie ein möglichst würdevolles Leben führen können. Dafür werden säkulare und gemeinnützige Nichtregierungsorganisationen unterstützt, die für in Not befindliche Menschen Schutz, Bildung und Ausbildung realisieren können. Im Vordergrund steht die Sicherung der Rechte von Frauen und Kindern. Nachhaltige Lösungen sind ein zentrales Anliegen. Die Vielfältigkeit von Visionen, Pluralismus und Demokratie sind Werte, die bei den Entscheidungen von HAMU als Richtlinien dienen.
Der Fokus liegt auf der Bekämpfung von Hexenverfolgung und Aberglauben, die Unterstützung von „Unberührbaren“, vor allem Frauen und Kindern, sexuellen Minderheiten und der Selbstbestimmung bei der Fortpflanzung.
In Indien fand HAMU sein erstes Projekt. Dort war es Brauch, unerwünschte Mädchen mit Gottheiten zu verheiraten. Die Eltern und Dorfgemeinschaften versprachen sich davon Schutz vor Epidemien, Hungersnöten und anderen denkbaren Gefahren. Die jungen Frauen, oft nicht älter als 13 oder 14, werden dadurch aber zu sexuellen Dienstleistungen gegenüber den Männern des Ortes und vor allem den Angehörigen höherer Kasten verpflichtet. Zwar ist diese Sitte seit 1988 in Indien offiziell verboten, wird aber teilweise noch praktiziert. Der indische Kooperationspartner SAMSKAR hat bisher rund 2.200 Mädchen geholfen, diesem Schicksal zu entkommen und einen Neuanfang zu finden.
Ebenfalls in Indien gibt es ein Projekt, das die Verringerung der Analphabetenquote unter Mädchen in ländlichen Regionen senken soll, wo weniger als zehn Prozent der Gemeinschaft lesen kann. Für insgesamt fünf Klassen werden Unterkunft, Verpflegung und Kleidung bereitgestellt. Andere Projekte beschäftigen sich mit sozialer Integration von kriminell gewordenen Jugendlichen oder unterhalten mobile Kliniken.
WHC2011: Gunnar Olafsen mit Gästen „Die Finanzierung besteht aus drei Teilen“, so Gunnar Olafsen. Ein Drittel der derzeit umgerechnet rund 266.000 Euro pro Jahr bringt der Humanistische Verband Norwegen auf, ein Drittel der Mittel wird vom norwegischen Staat zur Verfügung gestellt und der Rest kommt aus Einzelspenden. „Darunter sind auch viele Menschen, die selbst nicht im Verband Mitglied sind“, so Olafsen. Auch einige der Heranwachsenden in Norwegen tragen so ihren Teil bei um die Lage von Gleichaltrigen in anderen Regionen der Welt zu verbessern, berichtet er. So würden im Anschluss an Konfirmationsfeiern die Jugendlichen oft einen kleinen Teil ihrer Geldschenke in die HAMU-Spendenbox stecken. Olafsen: „Ist so etwas nicht großartig?“
Arik Platzek (zurzeit in Oslo)