Religionsfrei im Revier

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Diskussionsrunde / Foto: Thomas Häntsch

BOCHUM. (hpd) „Tief im Westen, wo die Sonne verstaubt!“, so beginnt Herbert Grönemeyer den Song über seine Heimatstadt Bochum. Ob dem so ist, blieb verborgen, denn die Sonne war längst untergegangen und die Luft war alles andere als staubig, als die Zusammenkunft der Gruppe „Religionsfrei im Revier“ am vergangenen Freitag gegen 19:00 Uhr begann.


Jeden 4. Freitag im Monat treffen sich die engagierten Streiter der Gruppe „Religionsfrei im Revier“ für einen wahrhaften Laizismus in der Bundesrepublik Deutschland im Bahnhof Langendreer, der in ein Kulturzentrum umgewandelt wurde. Nur das regelmäßige Donnern vorbeifahrender Zuge erinnert daran, dass man sich nahe der Gleise befindet. Die Zusammenkunft der rund 25 Teilnehmer wurde von Christoph Lammers, Politik- und Sozialwissenschaftler sowie Chefredakteur der MIZ moderiert.

Den Lesern, die fern des Ruhrgebietes leben und diese Region lediglich mit Kohle, Dreck und die düsteren Szenen aus den Schimanski-Tatorten verbinden, sei gesagt, dass diese Industrie- und Kulturlandschaft weit mehr bietet, als es diese betagten Klischees suggerieren.

So geht es bei Grönemeyers Lied auch positiv weiter; „Ist es besser, viel besser, als man glaubt!“,

Trotz aller Wandlungen wird das Gebiet, das sich von Duisburg im Westen und Dortmund im Osten erstreckt, immer noch mit den Begriffen „Kohlenpott“, „Revier“ oder in aller Kürze „Pott“ betitelt.

Die Teilnehmer des Treffens kamen aus allen Teilen dieses Gebietes und aus Ecken, die sich nicht mehr dazuzählen.

Auffallend war, ohne das Quotenklischee zu strapazieren, dass ein Viertel der Anwesenden Frauen waren. Dass die Frauen in atheistischen Gruppen und Verbänden kaum zu finden sind, hat sich in Bochum nicht bestätigt und die in der fast dreistündigen Diskussion eingebrachten Vorschläge und Anregungen stellen die Gretchenfrage nicht oder zumindest in den Hintergrund. Es wäre gut für die Arbeit dieser und ähnlich arbeitender Gruppen, wenn es gelänge, mehr Frauen zur aktiven Arbeit zu gewinnen. Frauen wie Ricarda Hinz oder Heike Jackler können in dieser Hinsicht vielleicht mehr erreichen als mancher Mann.

Da sich an diesem Abend einige neue Interessierte eingefunden hatten, begann die Runde mit einer kurzen Vorstellung. Dort wurde deutlich, dass die Gründe für die Teilnahme so unterschiedlich wie Alter und Beruf waren. Vom Mitarbeitervertreter eines Krankenhauses mit kirchlichem Anstrich über den ehemaligen Messdiener bis hin zum pensionierten Juristen war die Bandbreite recht groß.

Die Unterschiedlichkeit der Besucher in Hinblick auf Beruf und Alter wurde nicht zuletzt in der Diskussion deutlich, die das Bearbeiten der geplanten Themen (Rückblick auf 2011 und Vorhaben in 2012) nicht gerade einfach machte. Nach drei Stunden war es dann doch vollbracht und man hatte, betrachtete man die Liste der vorgeschlagenen Aktionen für die restlichen elf Monate des Jahres, das Gefühl, es stünden irgendwo noch hundert Leute zur Mitarbeit bereit. Dem ist bedauerlicherweise noch nicht so.

Hauptziele für die Arbeit sind die bessere Vernetzung mit anderen Gruppen im Revier sowie die Kontaktsuche und -pflege zu politischen Parteien. Die CDU wurde in Konsens aller Anwesenden aus gutem Grunde davon ausgenommen.

Die regionale Gruppe will mit Infoständen an bestimmten Feier- und Gedenktagen auf sich und damit auf das Problem der unzureichenden Trennung von Staat und Kirche aufmerksam machen. Die kirchentreuen Gesetze, die zum Beispiel den Karfreitag zum Schweigetag machen, will man durch zivilen Ungehorsam ad absurdum führen.

Den Gewerkschaften soll in der Debatte um ein demokratisches Arbeitsrecht in kirchlich geführten Einrichtungen geholfen sowie Schwulen- und Lesbenreferate an den Unis beraten und unterstützt werden. Kontakt zu humanistischen Studentengruppen herzustellen und mit diesen zusammenzuarbeiten ist ein weiteres Bestreben für das Jahr 2012.

Lesungen, Filmvorführungen und Vorträge wie etwa über das Thema „Evangelikale Netzwerke“ runden den Katalog von Vorhaben ab.

Jörg Schnückel, einer der aktivsten Macher und Koordinatoren bei „Religionsfrei im Revier“ sah sich angesichts der Anzahl von Ideen veranlasst, die Sache so zu kommentieren. Es sei unmöglich so viele Maßnahmen umzusetzen, denn dafür sind finanzielle Gesichtspunkte zu berücksichtigen und ohne die Frau und den Mann vor Ort geht es auch in den meisten Fällen nicht.

Bleibt zu hoffen, dass es der Gruppe 2012 gelingt, einen Teil ihrer Pläne in die Tat umzusetzen und, was ganz wichtig erscheint, neue Mitstreiter zu gewinnen.

Tatsache ist doch. Der Kirchenaustritt spart dem, der diese Institution verlässt, zwar die eigene Steuer, doch die verdeckten Kosten, die Staatsleistungen und weitere Vergünstigungen für die Religionsgemeinschaften bleiben davon unberührt.

Thomas Häntsch