Hitler, Steiner, Mussolini

Was der Historiker Helmut Zander als End- und Höhepunkt von Steiners Rassendenken zitiert, „Die weiße war nun »die zukünftige, die am Geiste schaffende Rasse« (GA 349,67 [1923])“, wird bei Detlef Hardorp zu, (Zitat Hardorp) „Steiners Haltung zur multikulturellen Gesellschaft in einer globalisierten Welt“. Dieses Weißwaschen „gelingt“ Hardorp durch selektives und sinnentstellendes Zitieren Steiners (siehe: „Waldorfschule: Dr. Detlef Hardorp verkauft Rudolf Steiners Rassismus als Multikulti“).

Bei Hardorp wird aber neben dem professionellen auch noch ein persönliches, „privates Motiv“ sichtbar: Nur wenn Steiners Heiligenschein unbefleckt bleibt, kann sich Hardorp weiter als der große „Geistesforscher“ und Steiner-Experte präsentieren, wie er es mit seinem „Forschungsergebnis“ tat, dass Rudolf Steiner der eigentliche Entdecker der Quantenphysik sei (siehe: „Waldorfschule: Physik vom Hellseher“).

Vollends privat wird die Verehrung Rudolf Steiners und Massimo Scaligeros bei Michael Eggert, der meines Wissens keine offizielle Funktion in der Anthroposophie hat, und auch nicht in einer anthroposophischen Einrichtung arbeitet. Eggert soll hier für die Haltung des normalen Durchschnittsanthroposophen stehen.

Michael Eggert wurde von Peter Staudenmaier – dem dieser Artikel zu verdanken ist, siehe „Credits“, unten – und mir über Massimo Scaligeros Faschismus, Rassismus und Antisemitismus umfassend informiert. Michael Eggert hatte also nicht mehr die deutsche Standardausrede „Aber ich hab’ doch nichts davon gewusst!“, als er Massimo Scaligero auf seinem Blog „Egoisten“ als spirituellen Lehrer vorstellte. (siehe: „Die Kraft des Lebens“). Kein bedauerlicher Einzelfall, zuletzt gab es im Januar 2012 einen weiteren Blogeintrag Eggerts zu Scaligero: („Unbewegt“).

Eggert preist die „Spiritualität“ Massimo Scaligeros an, eine „Spiritualität“, die Scaligero als Legitimation der Judenverfolgung diente. Warum tut Eggert das? Fragen Sie ihn selber nach seinen privaten Motiven. Ich kann nur vermuten, dass es für Eggert und viele andere Anthroposophen einfach zu spät ist, sich von ihrem anthroposophischen Glauben zu befreien. Was bliebe ihnen noch? „Nehmen Sie einem Durchschnittsmenschen die Lebenslüge, und Sie nehmen ihm zu gleicher Zeit das Glück“ – Henrik Ibsen

Andreas Lichte
 

Erstveröffentlichung bei den Ruhrbaronen.
Dort auch noch weitere Links und Quellenverweise.

Credits: Die Darstellung des italienischen, anthroposophischen Faschismus ist eine Kurzzusammenfassung der Forschung von Peter Staudenmaier, seit August 2011 Professor für „Modern German History“ an der Marquette University. Quelle ist Peter Staudenmaiers Dissertation „Between occultism and fascism: Anthroposophy and the politics of race and nation in Germany and Italy, 1900-1945“, insbesondere das Kapitel: „Italian Anthroposophists and the Fascist Racial Laws, 1938-1945“, Seite 446–499. Die Darstellung wurde von Peter Staudenmaier durchgesehen.

 

Nachtrag 3.3.2012:

Der deutsche Wikipedia-Eintrag zu “Massimo Scaligero” wurde jetzt geändert. Neu eingefügt wurde: “1941/42 schrieb er häufig für die faschistische Zeitung »La difesa della razza«.”

 

Weiterführende Artikel der Ruhrbarone:

3 Jahre Rudolf Steiner ist „zum Rassenhass anreizend bzw. als Rassen diskriminierend anzusehen“ – die „Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien“ (BPjM) entschied, dass Bücher Rudolf Steiners rassistischen Inhalt haben

Waldorfschule: Dr. Detlef Hardorp verkauft Rudolf Steiners Rassismus als Multikulti

Waldorfschule: Physik vom Hellseher – Dr. Detlef Hardorp erklärt Rudolf Steiner zum eigentlichen Entdecker der Quantenphysik, von Dr. Tobias Maier

Waldiwissenschaft: Lorenzo Ravagli an der Privatuniversität Witten/Herdecke – über die Umdeutung von Rudolf Steiners Rassismus in Humanismus

Badische Zeitung und Rudolf Steiner: Bejubeln ja, Zitieren nein. – dazu der SPIEGEL: „Bei den Ruhrbaronen plädiert Rudolf Steiner gegen sich selbst“

 

Anmerkungen

(1) Memorandum vom März 1935, Titel: „Natur und Aufgaben der Waldorfschulen“, zitiert nach: Peter Staudenmaier, „Der ursprüngliche politische Kontext der Waldorf-Bewegung“:  „Das Memorandum betonte die besondere Eignung der Waldorfpädagogik, die Schüler zu nationalen Überzeugungen zu erziehen, in dem sie nationale Ideen pflege und die Quintessenz und Pflichten des Deutschtums betone. Waldorf-Erziehung sei in perfekter Übereinstimmung mit den Grundüberzeugungen des nationalsozialistischen Staates.“

(2) Peter Staudenmaier, „Between occultism and fascism: Anthroposophy and the politics of race and nation in Germany and Italy, 1900-1945“, Dissertation, Cornell University, August 2010, Seite 463: „Though anti-racists do not realize it, »the superior Aryan race« is »the avant-garde of a great marching army« and the racial group which »expresses in itself the potential of evolution.«“

(3) Rudolf Steiner, „Vom Leben des Menschen und der Erde – Über das Wesen des Christentums“, GA 349, Dritter Vortrag, Dornach, 3. März 1923

(4) Ettore Martinoli, „Un preannunziatore della nuova Europa: Rudolf Steiner“, in: „La Vita Italiana“, Juni 1943, Seite 566
Italienischer Original-Text: „Rudolf Steiner fu invece un vero anticipatore ideale della nuova Europa di Mussolini e di Hitler. Si è voluto, con questo scritto, rivendicare lo spirito e la figura di codesto grande mistico tedesco moderno al movimento non solo politico, ma anche spirituale, introdotto nel mondo dalle due parallele rivoluzioni fascista e nazionalsocialista, alle quali egli idealmente appartiene come vero precursore e pioniere spirituale.“

(5) Peter Staudenmaier, „Between occultism and fascism: Anthroposophy and the politics of race and nation in Germany and Italy, 1900-1945“, Dissertation, Cornell University, August 2010, Seite 495: „Above all Martinoli stresses »the perfect correspondence between Steiner’s thought and the most basic tendencies of Fascism and National Socialism in the political, social, and spiritual camp.«“

(6) Ebd., Seite 495f:
„In a section on Steiner’s »critique of British policy, of Judaism, and of Masonic-plutocratic influence,« Martinoli reports that Steiner »became well-known as an antisemite« during his Vienna period, due to his articles on »the Jewish question« from the 1880s, and continued this pattern in his mature anthroposophical period as well: »In numerous lectures in the years 1917 and 1918 he also directly confronted the influence of Jewish intellectualism within European civilization.«“

(7) Massimo Scaligero, „Coscienza del sangue“ in: „La Difesa della Razza“, 20.8.1942, Seite 4
Italienischer Original-Text: „Se esiste una finalità essenziale della dottrina razzista, questa necessariamente consiste in una prassi etico-scientifica che rettifichi i valori della razza, secondo un modello che non occorre inventare ma che già esiste. Ciò può essere realizzato non soltanto attraverso una serie di norme eugeniche e sanitarie, ma anche destando una sensibilità e una coscienza razzista, così che il popolo non accolga passivamente i risultati di un’azione razzista, ma divenga esso stesso consapevole cooperatore di tale azione.“

(8) Zur Kontrolle schickte ich meine Übersetzung der Scaligero-Zitate der italienischen Botschaft – Antwort der Dolmetscherinnen: „l’abbiamo trovata molto letterale, molto fedele al testo originale e corretta“ – „wir haben sie sehr wörtlich, sehr textgetreu und korrekt gefunden“.

Das miserable Deutsch ist also nicht meiner Übersetzung geschuldet, sondern dem italienischen Original – Scaligero scheint seinem Idol Rudolf Steiner nicht nur inhaltlich, sondern auch stilistisch nachzueifern: Max Dessoir spricht vom leerem Gerede Rudolf Steiners, „vorgebracht in einem Jammerdeutsch, (das) peinigt und quält“, und meint: „dieser »voraneilende Menschheitsgenius« sprach wie ein unbegabter Dorfschulmeister“.

(9) Massimo Scaligero, „La Razza di Roma“, Mantero, Tivoli, 1939

(10) „Wurzelrasse“: In der „Theosophie“, einer esoterischen Lehre, werden Entwicklungs-Epochen der menschheitlichen Entwicklung als „Wurzelrassen“ bezeichnet. Rudolf Steiner übernahm das Konzept der Wurzelrassen von der Theosophin Helena Petrovna Blavatsky

(11) Vergleiche: Peter Staudenmaier, „Between occultism and fascism: Anthroposophy and the politics of race and nation in Germany and Italy, 1900–1945“, Dissertation, Cornell University, August 2010, Seite 495ff.

(12) Massimo Scaligero, „Razzismo spirituale e razzismo biologico“ in: „La Vita Italiana“, Juli 1941, Seite 36-41

(13)  Vergleiche: Peter Staudenmaier, „Between occultism and fascism: Anthroposophy and the politics of race and nation in Germany and Italy, 1900–1945“, Dissertation, Cornell University, August 2010, Seite 472f.

(14) Massimo Scaligero, „Compito eroico dello spirito nell’azione razzista” in: „La Vita Italiana“, September 1939, Seite 327-33.
Italienischer Original-Text: „la eliminazione del virus giudaico e la reintegrazione biologica dei valori etnici ariani“

(15) Ebd., Seite 333

(16) Ebd., Seite 332

(17) Massimo Scaligero, „Fronte unico ario“ in: „La Difesa della Razza“, 20.2.1941, Seite 21-24

(18) Ebd., Seite 22
Italienischer Original-Text: „Il movimento anti-ebraico giustamente oggi deve acquisire un’ampiezza supernazionalistica sino a divenire un’intesa di tutti i paesi. Proprio perché si è mossi da un ideale di universalità che non abolisce ma mantiene e armonizza la differenziazione gerarchica, non si può ammettere l’azione di un gruppo etnico culturale a carattere internazionalistico, quale quello ebraico; tale inamissibilità per i popoli acquista vivente significato sopratutto allorchè alla concezione di una nuova universalità ariana corrisponde il risveglio di quell’elemento etnico-spirituale che inizialmente dette impulso a questo ideale di umanità. Ora, un fronte unico si rende necessario per dare all’universalità dell’ideale ariano uno strumento positivo sul piano dell’azione, in quanto non si tratta di combattere contro una nazione, ma contro una ‘internazionalità’ che è nazione nelle nazioni e si presenta non soltanto sotto l’aspetto di razza, ma sotto quello di religione, di cultura, di modo di pensare, di conoscere, di agire.“

(19) Helmut Zander, „Anthroposophie in Deutschland – Theosophische Weltanschauung und gesellschaftliche Praxis 1884–1945“, Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen, 2007, Seite 631f.

(20) Ebd., Seite 632

(21) Ebd., Seite 636