Am Besten wäre es vielleicht, man gäbe den Atheismus einfach auf. Die Menschheit hat sich schon so viele Götter ausgedacht, ein halbwegs attraktiver ist sicherlich darunter.
Frauen liegen dem muskulösen Thor zu Füßen, die liebreizende Aphrodite hat schon so manchen Jüngling verführt und Jahwe wird gewiss nicht so böse sein, wenn man ihn erst einmal näher kennenlernt. Dionysos, der griechische Gott des Weines und der Fruchtbarkeit, befindet bei vielen Ungläubigen ohnehin schon lange hoch im Kurs.
Denn als Atheist hat man es erheblich schwerer. Man wird verklagt wegen Gotteslästerung, zum Sozialdarwinisten oder Stalinisten erklärt, man wird der Morallosigkeit bezichtigt, zum militanten Feind aller Religionen hochstilisiert, verflucht, verhext, verdammt, verbrannt und die Leute beschweren sich über das Bad-Religion-Fanshirt.
Jüngst hat es das ungläubige Online-Lexikon Athpedia erwischt. Gerade einmal zweieinhalb Stunden nachdem der hpd darüber berichtete, dass die Enzyklopädie online ist, erhielten die Betreiber ein Schreiben von Arne Klempert, Geschäftsführer der Wikimedia Foundation Deutschland. Angeblich bestünde Verwechslungsgefahr mit dem Wikipedia-Logo, allein schon, weil der Schriftzug so ähnlich ausschaut. Andere Urheberrechte habe man auch zu großzügig ausgelegt. Und „Athpedia“, das klingt ja schon so ähnlich wie „Wikipedia“.
Vielleicht sollte man es lieber Ungläubigopedia nennen, oder Lexikon für Höllenfahrer und verlorene Seelen.
Aber eigentlich war die Mail soweit ganz lieb und man bot artig seine Hilfe an, außerdem kam sie von höchster Stelle und die interessieren sich für gewöhnlich nicht für irgendwelche Gottesleugner. Nicht interessieren tun sie auch religiöse Wikipedia-Ableger wie Kathpedia oder das Theologiewiki, die schlicht und ergreifend machen dürfen, was sie wollen, ohne sich an wohldurchdachte Urheberrechte zu halten. Es ist andererseits davon auszugehen, dass deren Leser eine göttliche Medienkompetenz an den Tag legen und all dies sofort erkennen. Da können die Atheisten eben nicht mithalten.
Die Athpedia war ebenfalls artig und ist dem Aufruf zur Besserung gefolgt. Ein neues Logo wurde ausgearbeitet und alle urheberrechtlichen Falten wurden sofort glatt gebügelt. Davon abgesehen geht es der Athpedia ohnehin sehr gut. Man ist alle möglichen Angriffe bereits gewohnt und konnte schnell darauf reagieren, um das Lexikon der unfehlbaren Konkurrenz ein Stückchen näher zu bringen. Das Projekt wird in zahlreichen Foren diskutiert und beinahe einstimmig begrüßt. Über 90 Autoren haben sich bislang angemeldet, mit stark ansteigender Tendenz. Jene dürfte nicht zuletzt der positiven Erwähnung des Projekts im Spiegel geschuldet sein. Dort heißt es:
„Auf Deutsch gibt es seit kurzem auch eine 'Athpedia' für Atheisten – die sich allerdings ganz explizit nicht 'als Konkurrenz zu Wikipedia' versteht, sondern als 'ergänzendes Angebot für den interessierten Internetuser'.
Der findet dort ausführliche Einträge über Begriffe wie 'Religion', 'Weltanschauung', oder über den Evolutionsbiologen Richard Dawkins. Der hat übrigens mal etwas gesagt, das man auch den Conservapedia-Dichtern ins Stammbuch schreiben könnte: ‚Ich bin gegen Religion, weil sie uns lehrt, damit zufrieden zu sein, die Welt nicht zu verstehen.‘“
Nicht damit zufrieden sind die Athpedia-Mannen und -Frauen. Ein Problem hat das Lexikon dennoch: Es hapert an der aktiven Beteiligung. Technische Mitarbeiter gibt es genug, aktive Federschwinger zu wenige. Neue Artikel wollen geschrieben werden, kopierte Wikipedia-Artikel erfordern eine wissenschaftliche Überarbeitung. Jobs für Handlanger sind ebenfalls noch zu vergeben. Also nutzt die Chance, liebe Science-Freaks und Göttergegner, die religiöse Konkurrenz lebt schon auf Wolke sieben und lässt sich von Dionysos Weintrauben in die offenen Münder werfen.
Andreas Müller