NÜRNBERG. (hpd) Es ist Herbst in der Buchbranche, man merkte das an der Umtriebigkeit, welche die nahe Messe ankündigte; in der Redaktion von Aufklärung und Kritik merkt man es an dem Engagement, die auf das letzte Heft des Jahres hindeutet.
Es freut uns außerordentlich, in dieser Ausgabe eine bislang unveröffentlichte Gedankenskizze Karl Raimund Poppers von 1991: „Das Geist-Gehirn-Problem – eine versuchsweise Lösung“ publizieren zu dürfen. Dank für diesen Beitrag gebührt insbesondere Dr. Manfred Lube und der Karl-Popper-Sammlung der Universitätsbibliothek Klagenfurt, die uns diese Publikation ermöglicht haben, und Dr. Hans-Joachim Niemann für die Übersetzung und seinen Kommentar unter dem Titel Geist als ein Kraftfeld, der hilft, Poppers Gedanken in sein Werk einzuordnen und ihre Entstehung nachzuvollziehen. Gut in diesen Zusammenhang passend: Die Rezension des soeben bei Mohr Siebeck erschienenen zwölften Bandes der Popper-Gesamtausgabe „Wissen und das Leib-Seele-Problem“, herausgegeben von Dr. Niemann und ausführlich besprochen von Prof. Dr. Thomas Rießinger.
Prof. Dr. Gerhard Stremingers Beitrag zu David Humes Kritik an der Theorie des Egoismus ist der Auftakt zu einer Reihe um den schottischen Philosophen, die in den kommenden beiden Ausgaben fortgesetzt wird. In diesem ersten Teil befasst sich Streminger mit den Ausführungen Humes einerseits zur positiven Empathie, andererseits zum Egoismus des Einzelnen, und zeigt auf, welchen Wandel Humes Verständnis von Egoismus im Lauf seines Lebens vollzogen hat.
In ihrem Beitrag Säkulare Wertbegründung liefert Prof. Dr. Dagmar Fenner von Wert- und Interessensethiken bis zum Konstruktivismus einen Überblick über verschiedene Ansätze, Werte rein säkular zu begründen.
Prof. Dr. Thomas Rießinger wendet sich in seinem Aufsatz Päpstliche Reinigung Joseph Ratzingers Verständnis der Liebe zu, das dieser in seinen Enzykliken und anderen Publikationen ausführt. Rießinger weist sowohl auf die logischen wie auch auf die praktischen Widersprüche der päpstlichen Lehre hin – von der Metaphysik bis zur Caritas.
Einem höchst aktuellen und erschreckenden Phänomen widmet sich Prof. Dr. Jorge Conesa-Sevilla in seinem Beitrag Apostasie in den akademischen Einrichtungen des 21. Jahrhunderts, in dem er den Umgang amerikanischer Universitäten mit „ketzerischen“ Meinungen untersucht, mit Meinungen also, die dem Geschmack der Institutionen nicht entsprechen und die von deren Machtstrukturen unterdrückt werden.
Auch bei Prof. Dr. Roland Benedikter geht es um die Bedeutung der Religion in der US-amerikanischen Gesellschaft: In Mythologie und Politik im US-Präsidentschaftswahlkampf 2012 klärt er im Gespräch mit Victor Faessel (Universität von Kalifornien), welche Rolle mythische Bilder, antiaufklärerische Ideen und religiöse Bekenntnisse spielen, um die Gunst der Wähler in den Vereinigten Staaten zu gewinnen.
Prof. Dr. Mark Lindley und James Farmelant befassen sich in ihrem Beitrag Zurück in die Zukunft der ökonomischen Wissenschaften mit der Ökonomiegeschichte des 20. Jahrhunderts – und einem Ausblick auf die wesentlichen Fragen, mit denen sich die Wirtschaftswissenschaften im 21. Jahrhundert zu befassen haben werden.
Bei Prof. Dr. Rudolf Lüthe geht es um unser Verhältnis von Wahrheit und Lüge – insbesondere im Hinblick auf die Lüge, und wie wir uns selbst über dieses Verhältnis belügen. Die Lüge über die Lüge liefert spannende und überraschende Wahrheiten über Lug und Trug.
PD Mag. Dr. Clemens Stepinas Beitrag Eine andere Theorie des Handelns beginnt als Auseinandersetzung mit klassischen und modernen aristotelischen, individuell-subjektiven Handlungstheorien und kommt schließlich zu einem eigenen, an der Soziogenese ausgerichteten Modell.
Ist der Transhumanismus die gefährlichste Idee der Welt?, fragt Dr. Stefan Lorenz Sorgner in Anlehnung an Francis Fukuyama. Er geht in seinem Beitrag auf die grundsätzliche Idee des Trans- und des Posthumanismus ein und analysiert gegenwärtige Diskursbeiträge, etwa von Jürgen Habermas und Peter Sloterdijk.
Den Abschluss des Hauptteils dieser Ausgabe macht Bernd A. Laska mit seiner ideengeschichtlichen Studie 1750 – Rousseau verdrängt La Mettrie. Er untersucht die Beziehung des Denkens beider Philosophen aufeinander und insbesondere die Wirkungsgeschichte, die nach Laskas Ansicht das Jahr 1750 als „Signum einer schicksalhaften Weichenstellung“ für den Verlauf der Geschichte der Aufklärung kennzeichnen sollte.
Das FORUM versammelt wieder kurze Diskussionsbeiträge zu diversen Themen. Dr. Wilhelm Richard Baier befasst sich mit den Möglichkeiten digitaler Speicher- und Verbreitungsmedien für die Bildung, Klaas Schüller betrachtet die Eurokrise und ihre Bedeutung für das Projekt der Aufklärung, Ludwig A. Minelli befasst sich mit „Freiheit, Verantwortung und Demokratie“. Die seit einigen Ausgaben von Aufklärung und Kritik schwelende Induktionsdebatte setzt Prof. Dr. Hans Albert fort. Dr. Gerhard Engel nimmt nochmals die Diskussion zu einer naturalistischen bzw. humanistischen Moralbegründung im Verhältnis zu Kant auf.
Wichtig der Hinweis auf eine Online-Publikation diverser Leserbriefe: Wir hatten Sie gebeten, uns Ihre Meinung dazu mitzuteilen, wie sich atheistische Organisationen und Individuen im Spannungsfeld zwischen sachlicher Argumentation und provokativer Aufmerksamkeitsgewinnung in der öffentlichen Diskussion präsentieren sollten. Da Zahl und Umfang der Zuschriften diese Ausgabe gesprengt hätten, wurden sie in ein Online-Dokument aufgenommen, das ausschließlich im Internet erscheint. Ein weiterer Hinweis von Prof. Dr. Hermann Josef Schmidt weist auf eine umfangreiche Online-Publikation zu einer „Genetischen Nietzsche-Interpretation“ hin.
Dr. Richard Albrecht befasst sich mit „Zerstörter Sprache“, Dr. Dr. Joachim Kahl interpretiert den berühmten Text Jean Pauls „Rede des toten Christus vom Weltgebäude herab, dass kein Gott sei“ und abschließend berichtet Dr. Assia Maria Harwazinski von der Tagung „Religion, Space and Diversity – Negotiating the Religious in the Public Sphere“ vom Juni dieses Jahres. Kurz vor Redaktionsschluss erreichte uns noch ein engagierter Beitrag zur aktuellen Beschneidungsdebatte, mit dem unser Mitglied RA Walter Otte für eine sachliche und am demokratischen Rechtsstaat orientierte Diskussion plädiert.
Selbstredend bietet auch diese Ausgabe von Aufklärung und Kritik wieder einen umfangreichen Rezensionsteil. Besprochen werden etwa die neuen Bücher unserer Mitherausgeber Prof. Dr. Dr. Norbert Hoerster: „Muss Strafe sein?“ und Prof. Dr. Hubertus Mynareks: „Luther ohne Mythos – Das Böse im Reformator“ sowie Losurdos „Freiheit als Privileg“ und Armin Kreiner über „UFOs und Jesus“; besonders aktuell, obwohl schon länger erschienen: „Die Hurma. Schariatrechtlicher Schutz vor Eingriffen in die körperliche Unversehrtheit“ – darüberhinaus gibt es diverse Rezensionen zu Liberalismus, Bioethik, Sprache und weiteren historischen und allgemein philosophischen Themen.
Es wünscht Ihnen – im Namen der gesamten Redaktion – eine inspirierte Zeit und stets gute Lektüre
Dennis Schmolk