Zivildiener retten Wehrpflicht

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Bundesheer am Wiener Heldenplatz, Foto: (c) Daniel Weber

WIEN. (hpd) Österreich behält die Wehrpflicht bei. Bei einer bundesweiten Volksbefragung sprachen sich am Sonntag 60 Prozent der Teilnehmer für den Präsenzdienst aus. Einem ausgeprägten Hang zum Militarismus dürfte das Ergebnis nicht geschuldet sein.

Das Ergebnis der Volksbefragung beschert Österreich endlich den ersehnten weltweiten Ausnahmestatus. Mit überwältigender Mehrheit haben die Österreicherinnen und Österreicher beschlossen, die Wehrpflicht nicht abzuschaffen. Wie alle Nachwahlbefragungen zeigen, taten sie das, um den Zivildienst beizubehalten. Das macht Österreich zum einzigen Land der Welt, in dem die Möglichkeit der Wehrdienstverweigerung höchstoffiziell zur Existenzberechtigung der Wehrpflicht gemacht wurde. Die Zivildiener haben die Wehrplicht gerettet. Da soll noch wer sagen, die mehr als latent intellektuellenfeindlichen Österreicher seien unfähig zur Dialektik.

Vermutlich rechtfertigt Christoph Schönborn die Taufe nächstens damit, dass man nur so mit 14 wieder austreten könne. Oder man führt die Todesstrafe wieder ein, damit der Bundespräsident alle Todeskandidaten zu einer lebenslangen Haftstrafe begnadigen kann. Das lässt das Gnadenrecht besser zur Geltung kommen.

Man kann zur Wehrpflicht stehen, wie man will. Dass Österreich im Gegensatz zu fast allen europäischen Staaten die Wehrpflicht beibehält, mag man mit einem Lächeln als skurril abtun oder als bewusste Verweigerung eines gefährlichen Trends. Schwerer wiegt, dass es in der gesamten Debatte praktisch nie um die Armee ging. Wer öffentlich für die Wehrpflicht eintrat, tat dies mit den Argumenten Katastrophenschutz (im Gegensatz zu Deutschland kann das österreichische Bundesheer auch bei Naturkatastrophen eingesetzt werden) und Zivildienst.

Beides zählt nicht zu klassischen militärischen Kernaufgaben. Wozu eine Truppe, die laut Befürwortern der Wehrpflicht vorwiegend besteht, um Sandsäcke zu schleppen - oder deren Verweigerer zu Hungerlöhnen alte Menschen pflegen -, Sturmgewehre, Panzer und Abfangjäger braucht, blieb merkwürdigerweise unbeantwortet. Das ist nicht nur angesichts der Kosten etwas skurril. Es hat gleichzeitig etwas ungemein beruhigendes.

Weder Öffentlichkeit noch Politik nehmen das österreichische Bundesheer als militärische Einrichtung wahr. Bestenfalls als etwas teure Operettenarmee, die man sich hält, um ein wenig Unterhaltung zu haben und nebenbei möglichst viele Wehrdienstverweigerer zu produzieren. Sozusagen die erste wahrhaft pazifistische Armee der Welt. Das teure Spielzeug dient nur dem optischen Aufputz für den, der so was mag. Hierzulande wird nichts so heiß gegessen wie gekocht.

Nur ernstgenommen sollte man nicht mehr werden wollen. Die dialektische Meisterleistung, eine Verpflichtung mit ihrer ausdrücklichen Negation zu legitimieren, wird vermutlich nicht überall auf der Welt verstanden. Möge das Gegenüber Verfechter einer Berufsarmee oder eines Volksheeres sein. Um das zu würdigen, muss man ausgebildeter Philosoph sein. Dann sieht man das Ergebnis mit seiner mehr als skurrilen Begründung vielleicht als einer ernsthaften Analyse wert an und nicht bloß als einen aktiven Beitrag der Bevölkerung zur Realsatire.

Christoph Baumgarten