UNHCR kennt Blumencron nicht

(hpd) Anlässlich eines Auftrittes der österreichischen Autorin Maria Blumencron in der ZDF- Spendensammelgala „Ein-Herz-für-Kinder" hatte der Humanistische Pressedienst im Dezember über erhebliche Zweifel an deren Glaubwürdigkeit berichtet. Nun gibt es weitere Hinweise, dass ihre Berichte über tibetische Flüchtlingskinder als zweifelhaft anzusehen sind.

 

Da die Meldung einige Medienresonanz nach sich zog, sah sich Blumencron zu einer Stellungnahme auf ihrer Webseite veranlasst. Allerdings nahm sie zu keinem der vorgetragenen Kritikpunkte inhaltlich Stellung, vielmehr wiederholte sie nur ihre Behauptungen. Zudem verwies sie auf das „Flüchtlingskommissariat der Vereinten Nationen" (United Nations High Commissioner for Refugees [UNHCR]), das, wie sie schreibt, in Kathmandu ein „Auffanglager für tibetische Flüchtlinge" betreue, das sogenannte „Receiption Center"[sic!], an dem „jeder Flüchtling, der illegal aus Tibet herauskommt, registriert" werde. Die „Flucht jedes einzelnen Tibeters", die sie in ihren Büchern und ihrem Film „Flucht über den Himalaya" beschreibe, sei „im Receiption Center von Kathmandu registriert". Ihre Ausführungen erwecken den Eindruck, als stehe sie in enger Verbindung mit dem UNHCR-Büro.

Kein „Auffanglager für tibetische Flüchtlinge"

In der Tat betreut das nepalische UNHCR-Büro seit Anfang der 1990er Tibeterinnen und Tibeter, die via Nepal nach Indien ausreisen wollen. Im Gegensatz zu jenen Exilanten, die vor 1990 angekommen waren und nach Registrierung in besagtem Tibetan Reception Centre offiziellen Flüchtlingsstatus mit Aufenthaltsgenehmigung in Nepal erhalten hatten, werden Exilanten seither ausdrücklich nicht mehr als „refugees" (Flüchtlinge) geführt, sondern als „new arrivals" (Neuankömmlinge).

In Absprache mit den nepalischen Behörden und mit der in verschiedenen Sozialhilfeeinrichtungen vor Ort tätigen Lutheran World Federation als ausführendem Organ ermöglicht das UNHCR ihnen einen sicheren Transit durch Nepal; eine Aufenthaltserlaubnis für Nepal wird nicht mehr erteilt, auch Identitäts- oder sonstige Papiere werden nicht mehr ausgestellt. (Der ursprüngliche Träger des Tibetan Reception Centre, das von der tibetischen „Exilregierung" gesteuerte und mit keinerlei offiziellem Mandat versehene Tibetan Refugee Welfare Office, wurde vor Jahren schon von den nepalischen Behörden geschlossen.)

Auch Pilgergruppen, die von Ost-, Zentral- oder Südtibet aus über Kathmandu zum Exilsitz des Dalai Lama ins nordindische Dharamsala reisen wollen, werden über das UNHCR-Büro bzw. das „Tibetan Reception Centre" während ihres Transits durch Nepal betreut. Die Frage, ob die „Neuankommenden" die chinesisch-nepalische Grenze legal oder illegal überschritten haben (die meisten kommen über die 120 Kilometer östlich von Kathmandu gelegene Grenzstation von Kodari/Zhangmu), ist für das UNHCR-Büro ebenso wenig von Belang wie die Frage, ob es sich um Exilanten handelt oder um Pilger oder sonstige Reisende, die eine Rückkehr nach Tibet beabsichtigen: das UNHCR-Büro beschränkt sich auf die Überwachung und Abwicklung des Transits nach Indien.

Maria Blumencrons Darstellung der Rolle des nepalischen UNHCR-Büros ist insofern irreführend: Wie aus einem Schreiben des UNHCR vom 8.1 2009 hervorgeht, ermöglicht es lediglich über eine Drittorganisation Tibetern einen sicheren Transit durch Nepal („For Tibetan new arrivals UNHCR facilitates their safe transit to a third country. In addition, UNHCR ensures their protection and material needs while in Nepal. UNHCR implements this program through the Lutheran World Federation, at the Tibetan Reception Centre [TRC] in Kathmandu.") Ein vom UNHCR betreutes „Auffanglager für tibetische Flüchtlinge" in Kathmandu, wie Blumencron behauptet, gibt es nicht.

Diffamierung anstelle von Argumentation

Insofern nimmt es nicht wunder, dass Maria Blumencron auf die Vorwürfe inhaltlich nichts zu entgegnen hat. Zur Bestätigung ihrer Angaben bietet sie auf ihrer Webseite den früheren Vorsitzenden der Deutschen Tibet-Initiative (TID) Klemens Ludwig auf, seines Zeichens hauptberuflicher Horoskopedeuter. Dieser weist die vorgetragenen Zweifel als jeder Grundlage entbehrend zurück, führt allerdings keine überzeugenden Argumente oder Belege an, sondern bemüht sich lediglich, die Glaubwürdigkeit Colin Goldners zu untergraben. In einem der Redaktion vorliegenden Briefwechsel führt er diese ad personam-Argumentation fort und behauptet, Goldner vertrete in „gezielter Manipulation" die These, der „Dalai Lama sei ein Faschist und Kriegstreiber.[...] Das tut er, indem er behauptet, der Dalai Lama pflege intensiven Umgang mit Faschisten und Kriegstreibern." In welcher Schrift Goldner diese These aufgestellt haben soll, verrät Ludwig freilich nicht. Glücklicherweise, so der ehemalige TID-Aktivist weiter, gebe es aber „von den Print- oder Rundfunkmedien - selbst im linken Spektrum - keine, die ihn ernst nimmt [sic!]. Na gut, einzige Ausnahme, das mühsam reanimierte FDJ-Blättchen ‚Neue Welt' [gemeint ist die Tageszeitung Junge Welt], das [...] ganz in der Tradition von Ulbrichts Schwarz-Weiß-Weltbild der sechziger Jahre hängengeblieben ist. Wer dort schreibt, ist für seriöse Medien ohnehin untendurch." Seine Äußerungen gipfeln in dem Versuch, Colin Goldner als psychisch krank darzustellen: dessen Einfluss „auf die Wahrnehmung der großartigen Arbeit von Maria Blumencron ist noch weit geringer als er es sich in seinen schlimmsten Depressionen ausmalen mag".

Auch auf dem Umschlag des neuen Buches von Maria Blumencron „Auf Wiedersehen, Tibet: Auf der Flucht durch Eis und Schnee" (2008) steht zu lesen, niemand habe „bislang mit einer solchen Hingabe von der Flucht des tibetischen Volkes [sic!] aus seiner Heimat erzählt." Das UNHCR-Büro in Kathmandu hingegen teilte auf Anfrage mit, von einer Maria Blumencron und ihrer „großartigen Arbeit" noch nie gehört zu haben: „The office in Nepal is not familiar with the mentioned person".

Martin Bauer