Sowohl der Bund für Geistesfreiheit München als auch diverse Regionalgruppen der Giordano-Bruno-Stiftung protestieren an diesem Osterwochenende einmal mehr gegen die Bevormundung durch die Kirchen. Diesen gelingt es – mit staatlicher Unterstützung durch die Feiertagsgesetzgebung – noch immer, ihre für richtig gehaltene Lebensweise jedem aufzudrängen. Dagegen wird in einigen Städten getanzt. Und in Bochum wieder zum gemeinsamen "Brian"-Schauen eingeladen.
Der Bund für Geistesfreiheit (bfg) München lädt an den sogenannten Stillen Tagen Gründonnerstag, Karfreitag und Karsamstag alle Menschen zu seinen "Heidenspaß-Partys" nach München ein. Auch in Nürnberg findet zum ersten Mal eine Veranstaltung statt. Insgesamt gibt es 40 Veranstaltungen in 28 Münchner Clubs, Bars und Tanzschulen. Die Ermöglichung eines bunten Programms mit Reden, Musik und Tanz auch 2025 ist einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu verdanken.
Die "Clubrevolution München" präsentiert an Gründonnerstag 21 Veranstaltungen. Bei "Bayerns größter Party gegen das Tanzverbot" kommen die Feiernden mit einem Ticket für 10 Euro in alle beteiligten Clubs. Mit dabei sind: 089 Bar, Americanos, Bistro No. 2, Die Bombe, Filmcasino, Gin City, Goldener Reiter, Helene, Kölsch Bar, La Nuit, Lenbachs, MilchBar, Nachtgalerie – Nachtwerk, Neuraum, Pacha, Prosecco Bar, Schlagergarten, Sugar Shack, Sweet Club, The Keg Bar und Unter Deck.
Und die Clubrevolution geht an den nächsten Tagen weiter. Einige der Clubs und Bars, die am Donnerstag mitmachen, haben auch an Karfreitag und Karsamstag geöffnet. An Karfreitag dabei sind: Filmcasino, Goldener Reiter, ImportExport, Kulturbühne Hinterhalt, Neuraum, NY. Club, Prosecco Bar, Shamrock Irish Pub, The Keg Bar und Unter Deck. Und am Karsamstag kann im Bistro No. 2, Freiheitshalle, Goldener Reiter, ImportExport, Prosecco Bar und Vintage Club gefeiert werden.
Assunta Tammelleo, Vorsitzende des bfg München, freut sich, "dass wir es auch dieses Jahr wieder geschafft haben, so viele Veranstaltungen auf die Beine zu stellen. Auch die Zusammenarbeit mit dem Münchner Kreisverwaltungsreferat verlief wie an Ostern 2024 sehr kooperativ und reibungslos. Dass das nicht immer so ist, zeigt leider das Verhalten des Ordnungsamts Nürnberg, welches uns die Durchführung der Veranstaltungsreihe 'Nürnberg will Tanzen' an Gründonnerstag 2024 mit 14 Clubs nicht genehmigt hat. Und auch dieses Jahr an Karfreitag, an dem wir nur eine Veranstaltung in Nürnberg durchführen, allerlei unnötige Auflagen gemacht hat."
Urteil des Bundesverfassungsgerichts macht es möglich
Warum darf an einem Stillen Tag, an dem Tanzen und Feiern eigentlich verboten ist, trotzdem mit dem bfg München getanzt und gefeiert werden? Das ist einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2016 zu verdanken. Die Richter*innen in Karlsruhe hatten entschieden, dass Artikel 5 des Bayerischen Feiertagsgesetzes mit der Weltanschauungsfreiheit und der Versammlungsfreiheit nicht vereinbar ist.
Das Gericht hatte festgestellt, dass "(...) Bevölkerungsteilen anderer kultureller und weltanschaulich-religiöser Prägung durch die Auswahl des Feiertages und seinen Schutz insofern keine unzumutbaren Belastungen auferlegt werden (dürfen), als niemand gezwungen werden darf, diesen Tag entsprechend einer bestimmten religiösen Überlieferung oder auch nur im Sinne innerer Einkehr zu begehen" (BVerfG, v. 27.10.2016 1 BvR 458/10 RDNr. 66).
Damit folgte es einer Verfassungsbeschwerde, mit der sich der bfg München nach dem Verbot seiner "Heidenspaß- statt Höllenqual-Party" an Karfreitag 2007 durch alle Instanzen geklagt hatte. Seitdem sind an Karfreitag und allen anderen acht Stillen Tagen Ausnahmen möglich, wenn Feste und Feiern "Ausdruck einer klaren weltanschaulichen Abgrenzung gegenüber dem Christentum" sind.
Erste Veranstaltung gegen Tanzverbot und Stille Tage in Nürnberg
In Nürnberg hingegen findet an Karfreitag, organisiert vom bfg Nürnberg und bfg München, nur eine Veranstaltung im Club Rakete statt. Hintergrund ist, dass im vergangenen Jahr der bfg München von Gründonnerstag auf Karfreitag unter dem Motto "Nürnberg will tanzen" eine Veranstaltungsreihe mit 14 Clubs in Nürnberg geplant hatte. Diese aber wurde vom Nürnberger Ordnungsamt nicht genehmigt. Der bfg München hatte daraufhin seinen Anwalt beauftragt, eine einstweilige Anordnung zu erwirken, mit dem Ziel, die Partys doch noch zu ermöglichen. Die Anordnung wurde jedoch vom Bayerischen Verwaltungsgericht in Ansbach zurückgewiesen.
Vor wenigen Wochen, am 5. März 2025, kam es in Ansbach zur Verhandlung im Hauptsacheverfahren. Zwei Tage später erfuhr der bfg München aus der Presse, dass das Gericht dem Ordnungsamt Nürnberg Recht gegeben hatte. Die Behörde befürchtete damals in ihrem ablehnenden Bescheid vor allem eine erhebliche Störung des Ruhe- und Stillecharakters des Karfreitags, da es sich um große publikumsstarke Betriebe im Innenstadtbereich handele. Eine schriftliche Begründung des Urteils liegt bisher nicht vor.
Nürnberger Frühlingsfest startet am Stillen Karsamstag
Weniger Probleme mit "publikumsstarken" Veranstaltungen und dem "Stillecharakter des Tages" hat das Ordnungsamt offenbar mit dem Nürnberger Volksfest, das am Karsamstag, ebenfalls ein Stiller Tag, startet. Obwohl es in Artikel 3 Absatz 2 des Bayerischen Feiertagsgesetzes heißt, dass "an den Stillen Tagen öffentliche Unterhaltungsveranstaltungen nur dann erlaubt (sind), wenn der diesen Tagen entsprechende ernste Charakter gewahrt ist", wird an Karsamstag ein großes Volksfest in der Stadt eröffnet, das nach Angaben der Organisator*innen in 16 Tagen von über zwei Millionen Menschen besucht wird. Das wären täglich circa 125.000 Besucher*innen.
Tanz- und Feierverbot abschaffen
"Wie an Karsamstag auf dem Nürnberger Volksfest der 'ernste Charakter' des Tages gewahrt werden wird, kann sich vermutlich jeder selbst ausmalen. Es ist schon ziemlich verlogen, an einem Karsamstag das Frühlingsfest starten zu lassen, gleichzeitig aber an sogenannten Stillen Tagen wie Gründonnerstag und Karfreitag das Feiern und Tanzen in Nürnberger Clubs und Diskotheken zu verbieten. Entweder Politik und Verwaltung sind der ernste Charakter der Stillen Tage wichtig oder eben nicht. Dass hier mit zweierlei Maß gemessen wird, ist offensichtlich", kritisiert Assunta Tammelleo.
Tammelleo fordert generell die Abschaffung der Tanz- und Feierverbote im Bayerischen Feiertagsgesetz: "Tanzverbote sind Instrumente der Bevormundung und Kontrolle von Menschen. So etwas hat in einem demokratischen Rechtsstaat nichts zu suchen. Unser Ziel ist es, diese obrigkeitsstaatlichen Relikte zu schleifen. Warum sollte jemand an Stillen Tagen nicht tanzen dürfen? Woran soll sich eigentlich ein gläubiger Christ stören, wenn an Gründonnerstag eine Party in einem geschlossenen Raum stattfindet? Es kann nicht Aufgabe des Staates sein, Menschen Vorschriften zu machen, wie sie an einem Feiertag ihre Freizeit verbringen sollen. Selbstverständlich sollen und dürfen Christ*innen in Stille und Trauer gedenken. Sie dürfen aber Anders- und Nicht-Gläubige nicht zwingen, es ihnen an einem solchen Tag gleich tun zu müssen. Daher muss das Bayerische Feiertagsgesetz endlich liberalisiert werden", so die Vorsitzende des bfg München.
Eines ist Assunta Tammelleo wichtig zu betonen, weil der Vorwurf immer wieder erhoben wird: "Nein, wir wollen keine gesetzlichen Feiertage abschaffen, aber wir können uns eine Umbenennung von Feiertagen in einem stetig säkularer werdenden Land gut vorstellen. Und wir plädieren zudem für andere gesetzliche Feiertage, zum Beispiel Internationaler Frauentag am 8. März, Tag der Befreiung am 8. Mai oder Tag der Menschenrechte am 10. Dezember."
Weltanschauliche Ansprache
Auf seinen Veranstaltungen muss der bfg München regelmäßig erläutern, was seine Anliegen sind. Denn laut Urteil des Bundesverfassungsgerichts darf es nicht nur ums Tanzen und Feiern als Ausdruck der Weltanschauung gehen, sondern die veranstaltende Organisation muss auch ihren Einsatz für Bürgerrechte und Demokratie und ihre Weltanschauung erläutern. Nur dann darf gefeiert und getanzt werden.
Zum Schluss hat der Bund für Geistesfreiheit München noch eine frohe Botschaft: "Alle Menschen sind herzlich eingeladen, an den sogenannten Stillen Tagen zu unseren Partys zu kommen. Und mit 'alle' meinen wir alle! Nicht nur Ungläubige sind willkommen, sondern auch Gläubige, Andersdenkende, Zweifelnde jeden Alters, jeden Geschlechts, jeder sexuellen Orientierung, jeder Herkunft. An Gründonnerstag, Karfreitag und Karsamstag wollen wir mit viel Tanz und Musik wunderbare und friedvolle 'Heidenspaß-Partys' feiern."
Karfreitagsveranstaltung auch in Konstanz und in Stuttgart
Vergangene Woche wurde auch die endgültige Genehmigung erteilt, dass es in der Stadt Konstanz zu Karfreitag zum ersten Mal eine Heidenspaß-Party geben wird.
Der 18. April (Karfreitag) ist einer von sieben "Stillen Tagen" in Baden-Württemberg. Das Sonn- und Feiertagsgesetz (FTG) verlangt von der gesamten Bevölkerung, unabhängig von deren Weltanschauung, einen Tag des Trauerns. Keine Musik, keine Filme ohne sogenannte "Feiertagsfreigabe", keine Schachturniere, kein Ausschank. Nichts, was trauernde Christen stören könnte – auch wenn es in einem Industriegebiet oder im zweiten Kellergeschoss stattfindet.
Nur mit Anmeldung und Ausnahmegenehmigungen und bevormundender Kontrolle durch das Ordnungsamt können öffentliche Veranstaltungen an Stillen Tagen durchgeführt werden. Für eine beantragte Ausnahmegenehmigung muss eine Veranstaltung weltanschaulich begründet werden. Und die sonst überlasteten Ordnungsämter nehmen es mit der Genehmigung sehr genau.
Es ist diskriminierend, dass die Kirchen dazu befragt werden, wenn eine Veranstaltung angemeldet wird, die weltanschaulich als nicht-kirchliche Veranstaltung begründet wird. Bisher konnte das Ordnungsamt nicht davon abgehalten werden, die evangelische und die katholische Kirche über die beantragte Ausnahmegenehmigung zu informieren. Die Institution Kirche selbst ist nicht interessiert, die Kontrolle über die gesamte Bevölkerung abzugeben. Sie will ihren starken Einfluss auf die Politik und ihre Macht im Staat behalten. Von den Kirchen erfolgt eine Rückmeldung an das Ordnungsamt mit seitenlangen Hinweisen auf die Gesetzeslage und die Aufforderung, die Ausnahmegenehmigung zu verweigern.
Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Feiertagsgesetz (FTG) aus dem Jahr 2016 geht nicht weit genug und sollte verbessert werden. Bürokratieabbau und Entlastung der Ordnungsämter wären möglich und angebracht. Warum müssen Menschen, die tanzen oder feiern wollen, gegängelt werden? Wer trauern oder in die Kirche gehen will, wird von niemandem abgehalten oder gestört. Einschränkungen der Freiheit müssen begründet werden – ein durch ein heiliges Buch begründeter christlicher Feiertag darf nicht die gesamte Bevölkerung zu einem Tag der Trauer zwingen. Das FTG schränkt die Freiheit aller Bürger in einer Weise ein, die schon lange nicht mehr zeitgemäß und akzeptabel ist.
Die Veranstaltungen an Stillen Tagen stehen unter einem weltanschaulichen Motto, das auf den Protest gegen das Tanzverbot beziehungsweise das Feiertagsgesetz hinweist, zum Beispiel: "Gegen Tanzverbot und Stille Tage" oder "Feiern gegen Tanzverbote" oder "Heidenspaß statt Höllenqual" oder "Keine Stille am Stillen Feiertag – Karfreitags-Aufklärung und Tanz".
In Stuttgart wird am 18. April im LKA Longhorn getanzt, in den Climax Institutes am gesamten Karwochenende.
Zum zehnten Mal Protest gegen die klerikale Bevormundung durch das Feiertagsgesetz: "Das Leben des Brian" am Karfreitag in Bochum
Seit 2013 zeigt die Initiative Religionsfrei im Revier mit Corona-Unterbrechung am Karfreitag in Bochum die Filmkomödie "Das Leben des Brian".
Das Feiertagsgesetz von Nordrhein-Westfalen verbietet an sogenannten Stillen Feiertagen jegliche Unterhaltungsveranstaltungen. Mehr als 700 Filme dürfen zum Beispiel am Karfreitag nicht gezeigt werden. Das "Leben des Brian" gehört dazu. Die Stadt Bochum verhängte ein Bußgeld, als der Film trotzdem vorgeführt wurde. Gegen diese klerikale Zensur wurde vor dem Bundesverfassungsgericht geklagt. Das Gericht nahm die Klage aber nicht an, weil der Rechtsweg nicht ausgeschöpft worden sei und schrieb, dass die Initiative mit guten Chancen eine Ausnahmegehmigung hätte beantragen können. Diesen Hinweis nimmt die Bezirksregierung seitdem ernst und genehmigt damit in Bochum die einzige legale Unterhaltungsveranstaltung am Karfreitag in NRW, verbietet aber gleichzeitig Theateraufführungen zum Beispiel in Dortmund und Bochum, die überhaupt nicht lustig sind.
Jedes Jahr besuchen viele Menschen die Bochumer Protestveranstaltung gegen die klerikale Bevormundung durch das Feiertagsgesetz. Einige kommen regelmäßig und finden, dass zehn Mal "Das Leben des Brian" anzuschauen nun genug ist. In diesem Jahr wird deshalb ein zweiter Film gezeigt: "Wer früher stirbt, ist länger tot" wird von Religionsfrei im Revier als fast so unterhaltsam wie "Das Leben des Brian" bewertet. Beide Filme laufen gleichzeitig im Bahnhof Langendreer und im angeschlossenen Kino Endstation. Beginn ist jeweils um 20 Uhr. Ab 19 Uhr läuft ein Vorprogramm, das unter anderem die Abschaffung des alten Gotteslästerungsparagrafen 166 StGB fordert.
