Blasphemie heute – eine Tagung

BERLIN. Der Begriff „Blasphemie“ stammt vom griechischen Wort Blasphemos. Es bedeutet etwa „Schaden redend“ und bezeichnet

ursprünglich eine Lästerung, eine öffentliche Leugnung, Verhöhnung oder Verfluchung eines Gottes. Zur Begriffs- und Fallhistorie gibt es ein Buch von Alain Cabantous Geschichte der Blasphemie (Weimar 1999). Dazu hat Ludger Lütkehaus in der ZEIT eine anregende Rezension geschrieben. Ein Artikel zur Kulturgeschichte von Blasphemie und Intoleranz findet sich auch bei scienzz.

Die deutsche Historie ist wunderbar und mit vielen Beispielen illustriert bei Alois Payer zu besichtigen sowohl hinsichtlich der Karikaturen als auch anhand religionskritischer Gedichte und Texte. Der berühmteste deutsche Fall ist wahrscheinlich der gegen George Grosz 1928.

 

Filme wie „Dogma“ oder Auftritte von „Madonna“ und die öffentliche Reaktion darauf erinnern daran, dass die Sache sehr aktuell ist. Vor zwei Jahren sorgte der gekreuzigte Frosch des 1997 verstorbenen Künstlers Martin Kippenberger für handfeste Aufregung, nicht zuletzt, weil das Werk in einer Londoner Ausstellung mit dem Titel „100 Künstler sehen Gott“ zu sehen war, die ganz und gar nicht blasphemisch angelegt war. Ein Jesus als Ochse am Kreuz und andere Karikaturen hat dieses Urteil nicht aufhalten können. Wie auch? Welcher Staat oder welche Religion kontrolliert das Internet?

Pfingsten startet die nächste Staffel der MTV-Serie „Popetown“. Erneut wartet tiefschwarzer britischer Humor auf seine Zuschauer in Popetown, wie bereits im letzten Jahr. Damals hatten auf die erste Werbung die katholische Kirche und die CSU sehr empört reagiert. Selbst der Werberat hatte MTV für seine Anzeige gerügt. Markus Söder (CSU) forderte in der Mittelbayerischen Zeitung prompt Blasphemie zum Straftatbestand zu erklären.

In Frankreich hatte so etwas jüngst Erfolg. Die weibliche Inszenierung des christlichen Abendmahls in einer Werbung des Mode-Labels Girbaud empfand die Katholische Kirche als Blasphemie. Zumindest klagte sie in Frankreich und bekam Recht, u.a. mit der Begründung Ihres Anwalts, wenn man hier Raum gebe, verkaufe demnächst vielleicht Jesus unter dem Kreuz noch Socken.

Besonders der „Karikaturenstreit“ hat die internationale Dimension des Problems verdeutlicht. Man findet im Netz diverse Dossiers unmittelbar dazu. Zum Thema erschienen in letzter Zeit verschiedene Publikationen, darunter die Broschüre „Bilderstreit 2006“ von Ursula Baatz, Hans Belting u.a. (Wien 2007), die aber eher die Konjunktur der Thematik zu nutzen versuchte. Auch der Autor hat hierzu seine Auffassung publiziert.

 

Es lohnt auch ein kleiner Streifzug durch mehr oder weniger aktuelle Beispiele im Netz, um ins Thema zu finden. Hier findet sich „Battle Pope“, ein rauchender, trinkender, sexsüchtiger Junkie-Papst, der die weltlichen Freuden in vollen Zügen genießt, bis Gott die Tore zum Himmel und zur Hölle öffnet und der Papst richtig was zu tun bekommt.

Nicht zu zählen sind die Äußerungen in der Bloggosphere, die sich gegen Blasphemie wenden. Und wer Karikaturen finden möchte, der findet sowieso jede Menge, so den Cartoon von Til Mette „Blas-phemie“.

 

Auch heute noch ist in Deutschland, siehe oben den entsprechenden Ruf der CSU, die Beschimpfung sowohl von religiösen als auch weltanschaulichen Bekenntnissen bzw. Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaften nach § 166 StGB (dem „Gotteslästerungsparagraphen“) strafbar – unter der Einschränkung: wenn sie geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören. Doch wann ist dies der Fall? Gotteslästerung ist also kein Thema aus alter Historie und von fremden Ländern, sondern sehr aktuell und sehr hiesig.

Die „Humanistische Akademie Berlin“ lädt deshalb zu einer öffentlichen Tagung Blasphemie heute ein, und zwar zum 10. Mai 2007, 16:00 bis ca. 20:00 Uhr, zu einer öffentlichen, reich illustrierten Vortragsveranstaltung mit Diskussion und zur anschließenden Geselligkeit im Szenekeller. Ort ist das „Kulturzentrum Danziger50“ in der Danziger Str. 50, 10435 Berlin, wo auch die „Jungen HumanistInnen“ ihren Sitz haben. Referenten sind Gunnar Schedel und Dr. Roland Seim.

 

Gunnar Schedel (Aschaffenburg, Jg. 1964) ist Literaturwissenschaftler, hpd-Redakteur und Leiter des alibri Verlages. Zu verweisen ist auf das Buch mit dem Pseudonym der Autorengruppe Clara u. Paul Reinsdorf, zu der er gehört „Zensur im Namen des Herrn. Zur Anatomie des Gotteslästerungsparagraphen“ (Aschaffenburg1997), eine Rezension findet sich hier. Sein Thema lautet: „Religionskritik und öffentlicher Friede. Zur Geschichte und Aktualität der Gotteslästerung in Deutschland“. Er wird zunächst auf die Kulturgeschichte eingehen und historisch den § 166 vom Kaiserreich bis heute vorstellen, um dann aktuell zur „Gotteslästerung" in der multireligiösen Gesellschaft (Karikaturenstreit, Integration, Identität) zu sprechen. In der Debatte wird sicher die aktuelle Verwischung der Frontlinien problematisiert.

 

Dr. Roland Seim (Münster, Jg. 1965) ist Kulturwissenschaftler und Leiter des Telos Verlages. Sein Thema lautet „Blasphemie in der Populärkultur. Beispiele und Gründe“. Es geht um blasphemische Ästhetik, ihre Äußerungen gegen traditionelle Weltanschauungen und Institutionen, um das Beleidigen gläubiger Menschen und um konkrete Fallanalysen. Die Diskussion könnte sich darum drehen, wer bei wem Sanktionen fordert und warum.

 

Zur Veranstaltung wird ein Eintritt von 2,50 € erhoben. Mitglieder der Akademie haben freien Eintritt. Ermäßigungen gibt es wie üblich. Anmelden kann man / frau sich hier.

 

Horst Groschopp