Am 23. Mai wäre Karlheinz Deschner 100 Jahre alt geworden. Aus diesem Anlass widmet die MIZ das Titelthema von Heft 1/24 dem Kirchenkritiker, Literaten und Humanisten. Dabei geht es auch um die Wirkung, die Deschner im Leben der Menschen hinterlassen hat, die in ihm einen Wegbegleiter bei ihrer eigenen Emanzipation gesehen haben.
In einem sehr persönlichen Editorial erzählt Christoph Lammers von seiner Korrespondenz mit Karlheinz Deschner. Als junger Mann während seines Ablöseprozesses vom Christentum hatte er mit zahlreichen prominenten Kritiker:innen der Kirche Kontakt aufgenommen. Doch nur die Antwort Deschners schätzte er letztlich als wichtig ein. Für ihn wurde Deschner zu einem "Leuchtturm", der weltanschaulich-politische Orientierung bot.
Diese Einschätzung teilt der MIZ-Chefredakteur mit vielen Menschen vor allem aus der ersten Nachkriegsgeneration, die in einer Zeit heranwuchsen, als Deutschland wieder christlich restauriert war und die Emanzipationsbestrebungen der Weimarer Republik kaum noch nachklangen. Dies zeigen die Antworten auf eine Umfrage der Redaktion, die von der MIZ-Redaktion über ihre Social Media-Kanäle sowie über die säkularen Verbände verbreitet worden war.
Neben diesen wirkungsgeschichtlichen Aspekten wird eine gekürzte Fassung der Laudatio abgedruckt, die der Philosoph Hermann Josef Schmidt zur Feier von Deschners 80. Geburtstag hielt. Diese gibt einen guten Überblick über den Streitschriftsteller in all seinen Facetten.
"Der gottlose Staat"
Grundlegende Überlegungen zur Komplizenschaft zwischen Staat und Kirche stellt Helmut Ortner an. Sein Fazit: "Alle können ihren Gott oder mehrere Götter haben, der Staat selbst aber muss gottlos sein".
In einem gottlosen Staat gäbe es sicherlich auch kein Arbeitsrecht, das sich auf religiöse Bestimmungen zurückführt. Da Deutschland davon aber noch ein Stück entfernt ist, muss politischer Druck aufgebaut werden, um die Abschaffung des kirchlichen Arbeitsrechts zu erreichen. Corinna Gekeler berichtet von einer Unterschriften-Aktion der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di, die genau dies erreichen soll.
Über eine Perspektive, wie endlich der Verfassungsauftrag der Ablösung der Staatsleistungen verwirklicht werden könnte, hat MIZ mit Wulf Gallert gesprochen, der für Die Linke im Landtag von Sachsen-Anhalt sitzt. Wäre es ein gangbarer Weg, nicht auf ein Rahmengesetz des Bundes zu warten, sondern die Sache auf Landesebene anzugehen?
Israel, die Hamas und der 7. Oktober
Zwei Beiträge befassen sich dem Themenkomplex "7. Oktober 2023". Anlässlich einer Konferenz zur Siedlungspolitik in den besetzten Gebieten problematisiert die italienische Publizistin Cinzia Scuito die Beteiligung der extremen und der religiösen Rechten an der israelischen Regierung. In deren Forderungen (z.B. die Palästinenser zur "freiwilligen Auswanderung" aus dem Gazastreifen zu bewegen), sieht sie einen Grund dafür, dass es derzeit kaum Aussichten auf eine politische Lösung des Konflikts gibt.
Die Frauenrechtlerin Rebecca Schönenbach kritisiert die Reaktion einiger Frauenorganisationen, aber auch die UN Women, die nach dem 7. Oktober nicht klar Partei für die Opfer der systematischen sexualisierten Gewalttaten der Hamas-Kämpfer ergriffen haben. Jedes "Aber" bei Gewalt gegen Frauen bedeute ein Empowerment von Tätern.
Islamismus, Atheismus
Im Bereich der muslimische Hochschulgruppen haben sich in den vergangenen Jahren auffällige Veränderungen ergeben. Warnte deren Koordinationsverein 2019 noch vor Vereinnahmungskampagnen seitens islamistischer Gruppierungen, mehren sich nach Corona die Anzeichen, dass ausgerechnet das Umfeld der Muslimbruderschaft mittlerweile zur bestimmenden Größe aufgestiegen ist.
Die Aktivitäten zum diesjährigen Atheist Day am 23. März, einschließlich der "Liste der säkularen Gefangenen" 2024, werden von Romo Runt vorgestellt.
Daneben bietet das Heft die Rubriken Zündfunke, Blätterwald und Internationale Rundschau. Letztere in der vorliegenden Form möglicherweise zum letzten Mal, da Gerhard Rampp unmittelbar vor Drucklegung des Heftes überraschend gestorben ist. In Heft 2/24 wird die Redaktion auf die Internationale Rundschau verzichten und dessen politisches Engagement würdigen; wie es ab Heft 3/24 mit der Rubrik weitergeht, ist noch nicht geklärt.