Drei Fragen an... Christoph Lammers

Vom 15. bis 17. Juni findet in Trier der Kongreß ¡Die erschöpfte Theorie? statt. Im Vorfeld befragt der hpd die Referentinnen und Referenten zu den zentralen Aussagen ihres jeweiligen Vortrages.

Christoph Lammers organisierte 2003 die Tagung „Die ewige Wiederkehr des Religiösen“ zur Untersuchung der Auswirkungen von Religion und Esoterik in Bildung und Erziehung. Sein Vortrag „Kreationismus in Deutschland? – Vom Streitfall Evolution und der ‘Bildungsmarkt’“ eröffnet den Kongress (Freitag, 15.5.2007, 18 Uhr).

 
hpd: Was hat die Privatisierung von Bildungsangeboten in Deutschland mit dem Erstarken kreationistischer Vorstellungen zu tun?

Christoph Lammers: Es geht darum, was den Kindern in den Schulen gelehrt wird. Indem immer mehr Bildungseinrichtungen in privater Trägerschaft betrieben werden, nimmt zwangsläufig die staatliche Kontrolle der Lehrinhalte ab. Die Folge ist leider nicht, dass nun mehr progressive Anschauungen an die Schülerinnen und Schüler herangetragen werden, sondern entsprechend dem derzeitigen gesellschaftlichen Zustand werden Mindeststandards eher nach unten durchbrochen. Für unser Thema heißt das: immer häufiger halten Formen des Kreationismus Einzug in den Unterricht.

hpd: Wie findet diese Beeinflussung denn konkret statt?

Christoph Lammers: Ich sehe diesbezüglich derzeit drei Entwicklungen. Zum einen wächst die Zahl der Schulverweigerer aus fundamentalistischen Familien, die ihre Kinder selbst zuhause unterrichten wollen, um allzu weltliche Einflüsse von ihnen fernzuhalten. Hier ist – neben der Sexualkunde – die Evolutionstheorie immer ein zentraler Grund, warum die staatliche Schule abgelehnt wird. Zum zweiten gibt es Tendenzen, dass diese Gruppierungen eigene Schulen gründen, die dann gewissermaßen „evolutionsfrei“ wären. Hier stehen wir noch ganz am Anfang der Entwicklung, aber durch EU-weiten Regelungen zur Privatisierung von Dienstleistungen finden solche Schulen heute günstigere Voraussetzungen als noch vor zehn Jahren. Und schließlich werden auch immer wieder Fälle bekannt, dass kreationistisches Gedankengut in den Biologie-Unterricht an staatlichen Schulen einsickert.

hpd: Steckt hinter dieser Entwicklung eine Lobby?

Christoph Lammers: Es gibt seit langem eine Lobby für kreationistische Modelle, die vor allem aus dem evangelikalen Bereich kommt. Und sicherlich gibt es seit einiger Zeit verstärkte Unterstützung für die sog. Homeschooling-Bewegung aus den USA. Aber dies allein kann in meinen Augen nicht erklären, warum mittlerweile Politiker wie der thüringische Ministerpräsident Althaus oder die hessische Kultusministerin Wolff offen Sympathien für eine Idee zeigen, über die alle Fachwissenschaftler nur den Kopf schütteln. Offenbar wirkt sich hier auch aus, dass materialistische Modelle, die Welt zu erklären, derzeit im gesellschaftlichen Diskurs eher auf dem Rückzug sind.

 

Die Fragen stellte Martin Bauer.

Weitere Informationen zum Kongress.