Notizen aus Spanien

Rigorose Abschiebepraxis.

Madrid, 9. Januar. Die spanische Regierung hat im vergangenen Jahr fast jeden illegal ins Land gekommenen Flüchtling

wieder abgeschoben. Über 90 Prozent mussten Spanien verlassen.

Seit Jahren versuchen Tausende von Menschen, darunter auch Minderjährige und Frauen, die Kanaren zu erreichen, was nur durch eine gefährliche Überfahrt über den Atlantik möglich ist. Viele sterben dabei, doch auch die Angekommen können sich nicht endgültig sicher sein. Wer von den Sicherheitsbehörden aufgegriffen wird, muss mit baldiger Abschiebung in sein Heimatland rechnen. Von 100 illegalen Einwanderern, die 2007 das Land erreichten, wurden 92 wieder in ihre Heimat zurückgeschickt. 2006 hatten 39.180 Menschen illegal spanischen Boden betreten, im vergangenen Jahr waren es nur noch 18.057, ein Rückgang von 54 Prozent.

Die spanische Regierung plant nun offenbar, in großem Stil illegal ins Land gekommene Flüchtlinge wieder in ihre Heimatländer abzuschieben. Sie werde ihre Politik stoppen, Einwanderern automatisch Aufenthaltsgenehmigungen zu erteilen, sagte der französische Staatspräsident Nicolas Sarkozy jüngst auf einer Pressekonferenz. Die Ministerpräsidenten von Italien und Spanien, Romano Prodi und José Luis Rodriguez Zapatero, hätten ihm gegenüber angeregt, zusammen kollektive Ausweisungen vorzunehmen.

Sarkozy fühlt sich damit nach eigenen Worten in seiner rigiden Politik bestätigt. Er wehrte sich zugleich gegen Vorwürfe, Menschen ohne Papiere würden kriminalisiert. (Deutsch) (Deutsch)

Abtreibungskliniken streiken

Madrid, 8. Januar. Weil die Behörden mehrere Kliniken wegen vermutlich illegalen Schwangerschaftsabbrüchen geschlossen haben, sind spanische Abtreibungskliniken in den Streik getreten. Rund 2000 Frauen können deswegen nicht behandelt werden.

Die Abtreibungskliniken in Spanien sind aus Protest gegen angebliche Schikanen der Behörden in einen „Streik“ getreten. An dem fünftägigen Ausstand, der in der Geschichte des Landes ohne Beispiel ist, beteiligen sich 32 Kliniken. (Deutsch)

Diskussion um Abtreibungsgesetz

Barcelona/Madrid, Dezember/Januar. Eine Dokumentation des dänischen Fernsehsenders DR1 hat Ende Dezember die gängige Praxis von Spätabtreibungen in einer Barceloner Klinik aufgedeckt und damit eine heftige Debatte um das spanische Abtreibungsgesetz entfacht. Eine in Spanien tätige Journalistin von DR1 hatte angegeben, unter Depressionen zu leiden. Sie wollte daher noch in der 30. Woche ihrer Schwangerschaft ihr ungeborenes Kind durch eine Injektion töten lassen.

Generell gilt Abtreibung in Spanien als Strafvergehen, ist jedoch seit 1985 legal in drei Situationen, die durch psychologische und ärztliche Gutachten bestätigt sein müssen: im Fall einer Vergewaltigung, bei Gefahr der Missbildung des Kindes oder wenn die Gesundheit der Mutter stark gefährdet ist. Bei einer Vergewaltigung muss laut Gesetz bis zur 12. Woche abgetrieben werden, im Fall schwerer Beeinträchtigungen des Fötus bis zur 22. Woche. Kritiker argumentieren, dass viele gesundheitliche Störungen des Kindes erst nach der 22. Woche diagnostizierbar sind.

Hinsichtlich der Abtreibung bei Gesundheitsgefährdung der Mutter existiert keine Frist. Demzufolge kann eine hochschwangere Frau sogar noch im 8. oder 9. Monat abtreiben, da eine gesundheitliche Bedrohung unterschiedlich definiert werden kann. Diese dritte Ausnahmesituation des Gesetzes wurde in den vergangenen Jahren sehr liberal ausgelegt und diente 2005 bei 96,6 Prozent der Abtreibungen als offizieller Grund. Kritische Stimmen betonen, dass die unklare Regelung Frauen wie Ärzte unnötig unter Druck stelle.

Abtreibungsgegner protestieren regelmäßig vor den betreffenden Kliniken. Sie klagten auch die in dem dänischen Fernsehbericht erwähnte Barceloner Klinik wegen illegaler Abtreibungen an. Ein nach Ausstrahlung der DR1-Dokumentation verhafteter und mittlerweile zu 6 Monaten verurteilter Arzt verwies auf die widersprüchliche Gesetzeslage. Die Aufdeckung der Spätabtreibungen führte auch zu Verhaftungen weiterer Ärzte, Psychologen und Klinikmitarbeiter in Barcelona und Madrid. Nun traten die Mitarbeiter der Abtreibungskliniken in einen einwöchigen Streik, um die Politik wachzurütteln (siehe vorherige Meldung).

Die derzeit regierende Sozialistische Arbeiterpartei Spaniens (PSOE) kündigte im Januar an, eine Reform des Abtreibungsgesetzes in ihr Wahlprogramm für die im März stattfindenden Parlamentswahlen aufzunehmen. Doch ihr Parteiführer und gleichzeitig spanischer Ministerpräsident José Luis Rodriguez Zapatero lehnt dieses Vorhaben ab, um die politische Mitte der Wählerschaft nicht zu verstoßen. Zapatero tritt vielmehr für eine „reflektierende Besinnungsphase“ im Lande ein, die klären soll, ob das Abtreibungsgesetz verändert werden solle oder nicht. Die konservative Volkspartei (PP) als politische Opposition sieht keine Reform des Abtreibungsgesetzes in ihrem Wahlprogramm vor.

Spaniens Abtreibungsgesetz ist 22 Jahre alt und galt in der Post-Franco-Ära als äußerst progressiv. Seitdem wurde es nicht mehr modernisiert und zählt mittlerweile zu den restriktivsten im Vergleich zu anderen europäischen Staaten. Spanische Organisationen für Familienplanung klagen daher die Einführung einer Fristenregelung, wie sie in vielen europäischen Staaten üblich ist, nachdrücklich ein. Danach können Schwangerschaften ohne Auflagen innerhalb der ersten 12 Wochen abgebrochen werden. (Spanisch) (Spanisch) (Spanisch) (Spanisch) (Deutsch) (Deutsch)

„Tag der christlichen Familie“

Madrid, 30. Dezember/4. Januar. Kurz vor dem Jahreswechsel fand in Madrid ein „Tag der christlichen Familie“ statt, der in Erinnerung an die heilige Familie aus Nazareth die „traditionellen Familienwerte“ in der heutigen Gesellschaft hochhalten sollte. Die Freiluftmesse wurde von der spanischen Bischofskonferenz organisiert, laut deren Angaben sich zwei Millionen Menschen auf dem großen Kolumbusplatz im Stadtzentrum Madrids versammelt hatten. Unabhängigen Berechnungen zufolge kamen jedoch allenfalls 160.000 Menschen zusammen.

Auf der Veranstaltung sprach auch Papst Benedikt XVI. per Videozuschaltung aus Rom zu den Teilnehmern und betonte erneut, dass die Grundlage der Familie „der unauflösliche Bund zwischen Mann und Frau sei“. In diesem Sinn ließen es sich die anwesenden spanischen Geistlichen nicht nehmen, drei Monate vor den spanischen Parlamentswahlen die Politik der alleinregierenden Sozialistischen Arbeiterpartei Spaniens (PSOE) zu kritisieren. Die Kardinäle bezogen explizit Stellung gegen deren neue Gesetze, die unter anderem „Express-Scheidungen“ und gleichgeschlechtliche Eheschließungen ermöglichen. Solche Erscheinungen seien nach Auffassung der Kirche kontraproduktiv für den Erhalt der Familie.

Kardinal Rouco aus Madrid warf der Regierung vor, dass sie Prinzipien und Lebensstile fördere, „die im Gegensatz zum unauflöslichen Bund der Ehe und der Geburt neuen Lebens stehen.“ Es sei bedauernswert, dass „unsere Rechtsordnung Rückschritte hinsichtlich der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte macht, mit der die UNO vor fast siebzig Jahren erkannt und festgelegt hat: Die Familie ist die natürliche Grundeinheit der Gesellschaft und hat Anspruch auf den Schutz durch Staat und Gesellschaft.“

2005 hatte die sozialistische Regierung unter Ministerpräsident Zapatero mit einem kontrovers diskutierten Gesetz das Institut der Ehe für homosexuelle Paare geöffnet und ihnen die Adoption von Kindern erlaubt. Ebenso wurde das spanische Scheidungsrecht liberalisiert. Es ermöglicht nun Scheidungen bereits nach drei Monaten und sieht ein geteiltes Sorgerecht beider Elternteile für das gemeinsame Kind vor.

Als Reaktion auf den „Tag der christlichen Familie“ erwiderte der Sprecher der spanischen Sozialisten José Blanco am Tag nach der Manifestation, dass seine Partei den Kurs der sozialen Reformen zum Schutz der Freiheit des Individuums beibehalten werde. Blanco konterte, dass es im Gegenteil die Kirche sei, die bestimmte Freiheiten nicht respektiere, und forderte eine öffentliche Rücknahme der geäußerten Meinungen. Die konservative Volkspartei (PP) als politische Opposition nannte die Kritik der Sozialisten als völlig überzogen und versicherte der katholischen Kirche ihre volle Unterstützung.

Doch auch christliche Organisationen, die an der Freiluftmesse mitgewirkt hatten, übten Kritik an den einseitigen Äußerungen der Kirchenoberen. So meinte der Sprecher der Organisation „Somos Iglesia“ (Wir sind Kirche), es scheine, als würde für die Amtskirche das Thema „Familie“ nur aus Abtreibung, Scheidung und Homosexuellen-Ehe zu bestehen. Dabei sollten zum Thema „Schutz der Familie“ besser so wichtige Aspekte wie die Aufteilung von Arbeits- und Familienzeit, der erschwerte Zugang zu Wohnungen oder geschlechtsbezogene Gewalt diskutiert werden.

Mittlerweile haben sich die Fronten um die Familienpolitik zwischen den regierenden Sozialisten und der katholischen Kirche verhärtet. PSOE-Sprecher José Blanco warf den Bischöfen vor, mit ihrem Verhalten Propaganda für die konservative Volkspartei (PP) zu machen. Wenn sie unbedingt Politik machen wollen, sollten sich die Bischöfe selbst als Kandidaten aufstellen lassen, fügte er hinzu. (Spanisch) (Spanisch) (Spanisch) (Deutsch)

Homophobe Aussagen spanischer Kleriker

Madrid, 29. Dezember 2007. Ein protestantischer und ein katholischer Geistlicher sind wegen ihrer homophoben Aussagen in die Kritik geraten.

Die Regionalregierung der Autonomen Gemeinschaft Galicien im Nordwesten des Landes untersucht derzeit die Aktivitäten des protestantischen Pfarrers Marcos Zapata. Er und seine Organisation, die nach eigenen Aussagen verwirrten Jugendlichen Beistand leiste, werden beschuldigt, ein Seminar zum Thema „Wie erzieht man heterosexuelle Kinder?“ durchgeführt zu haben. Dort habe Herr Zapata Homosexualität mit Alkoholismus verglichen und als eine Krankheit bezeichnet, die man durch eine Familientherapie heilen könne. Wörtlich empfahl er: „Umarmen Sie Ihre Söhne, sooft Sie es können. Denn wenn Sie es nicht tun, wird es möglicherweise ein anderer Mann tun.“

Die Regionalregierung Galiciens erklärte hierzu, dass sie gegen jede Art von Bekehrung oder homophobe Gesinnungen sei. Und Toni Poveda, der Vorsitzende des Nationalen Netzwerks von Lesben, Schwulen, Trans- und Bisexuellen, sagte: „Nachdem wir so viele juristische Erfolge in unserem Land erzielt haben und die Menschen erstmals offen über Homosexualität in den Schulen reden, haben wir es nun wieder mit fundamentalistischen Gruppen zu tun, die uns in die Zeit der Franco-Diktatur zurückversetzen wollen.“ Selbstverständlich werde man sich diesen Bestrebungen widersetzen, da die sexuelle Orientierung angeboren und nicht korrigierbar sei.

Der katholische Bischof von Teneriffa und den Kanaren erklärte in einem Interview, dass „Homosexualität die Gesellschaft bedroht, und wir dafür zahlen werden.“ Er verglich gleichgeschlechtliche Liebe mit Pädophilie und Drogensucht. (Englisch)

Spanien erkennt Scientology als Kirche an

Madrid, 2. November. Spanien erkennt die umstrittene Scientology-Organisation als Kirche an. Der Nationale Gerichtshof sprach der Organisation das Recht zu, sich in das Register der offiziell anerkannten religiösen Gemeinschaften einzutragen. Das Madrider Justizministerium hatte eine solche Eintragung 2005 abgelehnt. Scientology erhob gegen die Entscheidung des Ministeriums Klage. Dieser wurde nun stattgegeben.

Nach spanischen Presseberichten entschieden die Richter unterdessen, dass Scientology alle rechtlichen Voraussetzungen für eine Anerkennung als religiöse Vereinigung erfülle. Die Organisation versuche „geistliche, humanistische oder ähnliche Werte" zu verbreiten. Scientology war Anfang der 80er Jahre nach Spanien gekommen. (Deutsch)

Jeremy Borger
Tibor Vogelsang