STUTTGART. (hpd) Die katholische Nachrichtenagentur (KNA) hat heute die Meldung verbreitet, dass vom Bistum Rottenburg-Stuttgart Strafanzeige gegen das
religionskritische Kinderbuch „Wo bitte geht's zu Gott? fragt das kleine Ferkel" gestellt worden sei.
Die Meldung ist sachlich richtig, aber verwundert doch, da das Bistum diese Strafanzeige bereits am 17.12.2007 bei der zuständigen Staatsanwaltschaft Aschaffenburg gestellt hat und bisher keinen großen Wert auf mediale Verbreitung legte. Ein möglicher Anlass ist ein aktuelles Interview mit dem Tübinger Religionspädagogen Albert Biesinger, der nach Informationen des Bistums den Indizierungsantrag veranlasst hat, indem er sich an antragsberechtigte Politiker gewandt habe, die dann diesen Antrag auf den Weg gebracht haben.
„Menschenfresser" sei eine Beleidigung
Der Religionspädagoge Albert Biesinger hält das Kinderbuch für gefährlich, da es Kindern Angst vor Religion mache. Zudem habe es antisemitische Tendenzen und auch der Islam werde inkompetent dargestellt. Zudem würden katholische Christen „als ‚Menschenfresser' tituliert. Ein Zitat aus dem Buch belege dies: „Das sind Menschenfresser! Wenn die schon den Sohn vom Herrn Gott verspeisen, wer weiß, was die kleinen Igeln und Ferkeln antun." Hier werde die Grenze von Religionskritik überschritten. „Im Blick auf das eigentliche Verständnis von ‚Leib und Blut Jesu Christ' ist das völlig inakzeptabel." Und: „Außerdem erfüllt es den Tatbestand der Beleidigung; ich lasse mich von niemandem als "Menschenfresser" titulieren, weil ich mich am Brotbrechen und Kelchtrinken im Sinne des Auftrags Jesu beteilige."
Was ist Transsubstantiation?
Im Heiligenlexikon liest man: Transsubstantiation bezeichnet die Lehre der katholischen Kirche von den Elementen im Abendmahl. Danach werden die Elemente Brot und Wein durch das Handeln des Priesters in ihrer Substanz real verwandelt in Leib und Blut Christi, wobei sie allerdings äußerlich Brot und Wein bleiben. Wegen der Gefahr, etwas vom Blut Christi zu verschütten, trinkt deshalb auch nur der Priester vom gewandelten Wein, die Gemeinde erhält den gewandelten Leib in Form der Hostie.
Christentum und Kannibalismus
Der angegriffene Autor Schmidt-Salomon hat es (zusammen mit Carsten Frerk) in dem Buch „Die Kirche im Kopf" wie folgt formuliert:
Kannibalismus: Wenn in der Sensationspresse Fälle von (satanischem) Kannibalismus präsentiert werden, ist das Entsetzen der Menschen groß. Von Christen allerdings sollte man gegenüber solchen Kulthandlungen eigentlich mehr Verständnis erwarten, denn das Eigenartige am Christentum liegt in seinem Kannibalismus gegenüber dem Religionsstifter obwohl oder gerade weil die „Menschenfresserei" eines der größten Tabus des christlichen Kulturkreises darstellt.
Offensichtlich ist dies in der Zeremonie des Abendmahls, das auf keinen Fall mit dem gemeinen „Abendbrot" zu verwechseln ist, da hier (Vorsicht Vegetarier!) der „Leib des HERRN" verspeist wird. Hauptdarsteller dieser feierlichen Zeremonie ist ein kleines Gebäck, das unter mysteriösen Umständen von einer vegetarischen Oblate zur jesusfleischigen Hostie mutiert. Katholiken und Protestanten haben sich seit jeher heftig darüber gestritten, wie es zu dieser sog. „Transsubstantiation" (der wahrhaftigen – nicht nur symbolisch gemeinten Wesensverwandlung) kommt. Nach katholischer Auffassung ist der Priester für die Verwandlung der Oblate in Jesu Leib verantwortlich, Luther hingegen meinte, das mache der liebe Gott persönlich. Davon ausgehend schaffte Luther das Sakrament der Priesterweihe ab, das den einfachen katholischen Geistlichen erst zum Priester, d. h. zum „magischen Teigverwandlungskünstler", macht.
Hier stoßen wir übrigens auf den theologischen Urgrund, warum nach katholischem Kirchenrecht ökumenische Abendmahlfeiern (Eucharistie) mit Protestanten (im Gegensatz zu ökumenischen Wortgottesdiensten) untersagt sind. Zuwiderhandlungen gegen dieses Verbot der „Interzelebration" werden auch heute noch mit dem Entzug der Weihevollmachten bestraft (nach Kanon 908 des kirchlichen Gesetzbuches).
Aus katholischer Sicht ist dies zweifellos auch gut so, denn: Lutherische Protestanten mögen zwar glauben, während des Abendmahls den wahrhaftigen Leib Jesu zu verspeisen, eigentlich aber kauen sie nach Ansicht der Katholiken nur auf vegetarischen (also gänzlich jesusfreien) Oblaten herum. Dies hat tief greifende Folgen, ist doch die Kommunion – wie der aktuelle Katechismus der Katholischen Kirche sagt – „Quelle und Höhepunkt des kirchlichen Lebens", denn „in diesem Sakrament vereinen wir uns mit Christus, der uns an seinem Leib und seinem Blut teilhaben lässt, damit wir einen einzigen Leib bilden" (Katechismus der Katholischen Kirche, S. 366). Mehr noch: „Durch diese Liebe, die die Eucharistie in uns entzündet, bewahrt sie uns vor zukünftigen Todsünden. Je mehr wir am Leben Christi teilhaben und je weiter wir in seiner Freundschaft fortschreiten, desto geringer wird die Gefahr sein, sich durch eine Todsünde von ihm zu trennen." (Katechismus der Katholischen Kirche, S. 383)
Aber nicht nur während des Abendmahls wird der Leib des HERRN verspeist. Auch im lecker Christstollen wird der Leib des Jesuskindes erkannt (deshalb Christ Stollen), bevor er dann gegessen wird. Zu Ostern gibt es das „Lamm Gottes" und der Fisch am Freitag ist auch der Herr persönlich. Und gibt es denn eine andere Kultur als die christliche, in der die Liebe „nicht nur durch den Magen geht", sondern die Lebenden sich gegenseitig beteuern, sie hätten sich „zum Fressen gern"?
Der Begriff des Kannibalismus ist deshalb für diese christlichen Kulthandlungen sachlich angebracht, da die Kannibalen keine „Menschenfresser" waren, die sich damit ernährten, sondern Menschenfleisch aßen – z. B. das Fleisch und Blut des getöteten Feindes –, um die Kraft und die Mentalität dieses tapferen Kriegers zu verinnerlichen. Es war also eine „Ehre" und ein Zeichen der „Hochachtung", nach seinem Tode rituell aufgegessen zu werden.
C.F.