INTERNET. (hpd) Das „Virtuelle Museum für beleidigende Kunst" wurde eröffnet. Gedanken über die Grenzen der Freiheit
von Floris van den Berg
Warum sollte es ein Museum geben, das Kunst zeigt, die manche Menschen anstößig, beunruhigend, schockierend, beleidigend, gemein, geschmacklos, pornografisch, blasphemisch oder hässlich finden? Vor der Beantwortung dieser Frage müssen wir darauf hinweisen, dass ein solches Museum bereits vorhanden ist: Das „Virtuelle Museum für beleidigende Kunst", mit freiem Zugang für alle (das heißt, wenn das Internet nicht zensiert).
Es ist eine persönliche Wahl zu entscheiden, ob man in das Museum für beleidigende Kunst eintritt und die Gefahr besteht, dass man beleidigt oder schockiert wird. Das Museum besteht aus einer Sammlung von „Thumbnails" die Kunstwerke aus verschiedenen Zeiten und Orten zeigen, aber in erster Linie der zeitgenössischen westlichen Kunst. Wenn Sie ein Kunstwerk auswählen, wird die Ansicht vergrößert, und es erscheint – wenn auch in niederländischer Sprache – eine kurze Beschreibung der Arbeit. Dann eine Erklärung dessen, was passiert ist: Warum ist oder war dieses Kunstwerk anstößig und für wen?
Wenn Sie in der Sammlung, die derzeit aus 150 Exemplaren besteht, browsen, werden Sie sich selbst fragen: Warum ist dies beleidigend? Es scheint einfache Wege zur Beleidigung zu geben: Religiöse Satire ist eine erfolgreiche Strategie, vor allem, wenn Nacktheit, Pornografie, Homosexualität, besonders wenn im Zusammenhang mit den Homophobie-Bollwerken wie Armee und Kirche, beteiligt ist. Aber es ist jetzt schwer zu erkennen, warum im 19. Jahrhundert Werke von Rodin und Manet, wie „Dejeuner sur L'Herbe" skandalös waren.
Im Laufe der Geschichte haben die Gesellschaften auf Skandale in der Kunst durch die Forderung nach Zensur und Selbstzensur reagiert. Die meisten der hier gezeigten Arbeiten wurden zensiert. Aber Zensur ist immer nur vorübergehend: Dejeuner sur L'Herbe wird nun in allen Lehrbüchern der Geschichte der Kunst gezeigt. Und auch die dänischen Karikaturen werden in den Büchern der Geschichte eingehen, dank der Nachfrage nach Zensur durch die Muslime. Soziale Konventionen ändern sich.
Die Logik des Rechts, zu beleidigen
Das Ethos des Museums steht im Einklang mit den liberalen Ansichten über die Gesellschaft: Freiheit sollte so groß sein, wie sie logischerweise im Einklang mit der Freiheit der anderen Individuen steht. Einsatz von Gewalt und Anstiftung zur Gewalt bilden die klaren Grenzen der Freiheit. Das Recht auf freie Meinungsäußerung bedeutet logischerweise das Recht, zu beleidigen.
In einer offenen Gesellschaft haben die Menschen die Freiheit, ihr eigenes Leben so weit wie möglich ohne Einschränkung durch andere zu gestalten. Als solches ist es möglich, dass Sie von den künstlerischen Schöpfungen anderer Menschen gekränkt oder gar beleidigt werden.
Ein genauerer Blick auf die Sammlung des Museums zeigt, dass die Themen der Kunstwerke hauptsächlich unfreie Ideologien betreffen. Viele Werke sind ein Aufruf, ein Protest gegen de Tabus und moralische Gebote der autoritären Religionen und Ideologien. Von dieser Warte aus betrachtet, ist die Mehrheit der ausgestellten Werke ein Ruf oder sogar ein Schrei nach Freiheit.
Dies ist ein Museum ohne Zensur und damit wird alle beleidigende Kunst begrüßt. Die Sammlung lässt nachdenken: Was sind die Grenzen der Toleranz? Was ist Kunst? Was ist Freiheit? Warum ist etwas beleidigend? Warum erbosen sich Menschen darüber? Warum machen Menschen das? Es ist ein Ort für die künstlerische Kontemplation über die Freiheit und das Ideal der offenen Gesellschaft.
Kants Adagio der Aufklärung ist „sapere aude" - „Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!" Das Adagio der neuen Aufklärung könnte „videre aude" sein: „Habe Mut zu schauen, und sich frei für Beleidigung zu fühlen!"
Übersetzung: hpd/Rudy Mondelaers
Quelle: New Humanist