Religiöse Menschen sind nicht automatisch toleranter

Immer wieder hört man, dass religiöse Ungebundenheit zum Verfall ethischer Werte, zu Intoleranz und Vorurteilen führe. Das nennt der Präsident des Humanistischen Verbandes Deutschlands (HVD) Berlin und Brandenburg, Bruno Osuch, in einem Gastartikel im Tagesspiegel "eine steile These, in der zudem eine gehörige Portion Überheblichkeit gegenüber Konfessionsfreien steckt."

Denn "weder gilt der Schluss, dass Religiosität automatisch vor Fremdenfeindlichkeit und Intoleranz schützt, noch gilt umgekehrt, dass eine fehlende religiöse Musikalität automatisch zu Werteverlust und gesellschaftlicher Gleichgültigkeit führt."

Für ihn ist das Problem deutlich komplexer. "Neben sozialer Stabilität und wirtschaftlicher Perspektive dürften vor allem auch eine umfangreiche Bildung sowie das persönliche Kennenlernen verschiedenster Religionen, Weltanschauungen und Kulturen zentrale Voraussetzungen für Toleranz und Liberalität sein." 

Osuch plädiert deshalb für den verbindlichen Ethikunterricht: "Nur so haben die Jugendlichen überhaupt die Chance, die ethischen, weltanschaulichen und religiösen Grundfragen, die sie einzeln mit sich tragen und pflegen, auch gemeinsam zu reflektieren. Das Lernen und Sprechen miteinander ist tausendmal sinnvoller als das Reden übereinander."