Kommentar

Die Alternative für Deutschland ist gesichert rechtsextremistisch

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Die AfD ist deutschlandweit vom Bundesamt für Verfassungsschutz als rechtsextremistisch eingestuft worden, was die Fraktionsvorsitzende der AfD Alice Weidel als "schweren Schlag für die bundesdeutsche Demokratie" interpretiert. Auf dieser Basis können nun unterschiedliche Konsequenzen gezogen werden.

Spätestens seit der Thüringer AfD-Landesverband im März 2020 vom Thüringer Verfassungsschutz als Verdachtsfall eingestuft wurde, war fraglich, wie weit das rechtsextremistische Netzwerk in der Partei wohl reichen möge. Seither geriet ein Landesverband nach dem anderen ins Visier der Behörden, sodass bis Dezember 2024 insgesamt drei Landesverbände als "gesichert rechtsextrem", sechs als "Verdachtsfall" und ein weiterer als "Prüffall" eingestuft wurden.

Am Freitag dann die Zäsur: Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) stufte in einer Pressemitteilung die gesamte AfD-Partei als "gesichert rechtsextremistische Bestrebung" ein. Dies sei laut Mitteilung anhand der fundamentalen Prinzipien unserer Verfassung bewertet worden: "Menschenwürde, Demokratieprinzip und Rechtsstaatsprinzip". Die mehrjährigen Untersuchungen hätten ergeben, dass das "ethnisch-abstammungsmäßige Volksverständnis" der AfD mit der freiheitlich-rechtsstaatlichen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland (BRD) nicht vereinbar sei, da die Partei "kontinuierliche Agitationen gegen bestimmte Personen oder Personengruppen" schüren würde.

Erwartungsgemäß reagiert die AfD mit Unverständnis und zückt die Opferkarte. Die Fraktionsvorsitzende Alice Weidel sprach auf ihrem X-Account von einem "schweren Schlag gegen die bundesdeutsche Demokratie!"

Wie reagieren?

Offen bleibt, wie der weitere Umgang mit der AfD aussehen könnte. In den letzten Jahren geriet die Partei durch verschiedene Skandale immer wieder ins Zentrum öffentlicher Kritik, war Gegenstand diverser Debatten und konstitutiver Inhalt von regelmäßigen Demonstrationszügen gegen "Rechts". Durch die Einstufung als "gesichert rechtsextremistisch" können Einschränkungen der staatlichen Parteienfinanzierung gut verargumentiert werden. Zudem werden vermutlich Rufe nach einem Parteiverbotsverfahren nach Artikel 21 Absatz 2 Grundgesetz wieder lauter. In der Geschichte der BRD wurden Parteiverbote bisher nur zweimal durchgesetzt, einmal bei der Sozialistischen Reichspartei (SRP) im Jahr 1952 und gegenüber der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) 1956. Entgegen weitverbreiteter Annahmen ist die Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) nie verboten worden, zwar gab es zwei Verbotsverfahren, jedoch wurde die NPD als zu unbedeutend eingestuft, als dass sie ihre rechtsextremistischen Ideale hätte jemals durchsetzen können (ebd.). An dieser Stelle unterscheidet sich die AfD jedoch im Hinblick auf die letzten Bundestagswahlen signifikant, bei der sie zweitstärkste Partei wurde, mit steigender Tendenz. Wie es weitergehen wird, lässt sich aufgrund der der aktuellen parlamentarischen Stärke nur schwer vorhersehen.

Wie nicht reagieren?

Zynisch formuliert ist die AfD mittlerweile zu einer Partei der "Mitte" geworden, nicht etwa im politischen Sinne, sondern im Sinne der gesellschaftlichen Normalisierung von reaktionären Positionen. Wie es soweit kommen konnte, ist Gegenstand zahlreicher Diskussionen und gesellschaftspolitischer Debatten, die an dieser Stelle nicht geführt werden sollen.

Jedoch sollten wir uns eine nüchterne Realität vergegenwärtigen: Die AfD zieht. Wir müssen die Frage zulassen, warum etablierte Parteien und die gesellschaftliche Öffentlichkeit es nicht hinbekommen, Menschen für sich zu gewinnen, während es der AfD gelingt. Die einfache Lösung ist, einen Sündenbock zu benennen: "Die AfD ist böse und populistisch und geht auf Bauernfang".

Wer allerdings offen für intellektuelle Redlichkeit ist, wird sich vielleicht eher darüber Gedanken machen, warum die eigenen Positionen weniger attraktiv erscheinen als die der Rechtspopulisten. Eine Möglichkeit wäre, dass auch in AfD-Positionen Facetten enthalten sind, die nicht gänzlich von der Hand zu weisen sind. Für einige ein undenkbares Szenario, daher ein Beispiel: Deutsche Parteien tun sich mit dem Islamismus der letzten Jahre bekanntlich etwas schwer und tendieren zu Relativierungen. Auf der anderen Seite fürchten sich immer mehr Bundesbürger aufgrund islamistischer Bewegungen vor dem Islam. Während die AfD diesen Fakt erkennt und für sich nutzt, indem sie Teile ihrer Politik auf Islamfeindlichkeit aufbaut, sind die Jusos mit "ideologischer Sprachkritik" beschäftigt und sorgen sich mehr um religiöse Gefühle von Muslimen. Dass hier in der Passung etwas nicht stimmt, sollte einleuchten.

Eine kritische Auseinandersetzung mit der AfD ist mehr als geboten, allerdings sollte sie unideologisch stattfinden. Ein reines AfD-Bashing spricht nicht die Probleme der Menschen an, die diese Partei wählen. Im ungünstigsten Fall verhält sich ein AfD-Verbot wie eine Hydra, deren Kopf abgeschlagen wird: das Opfernarrativ wird bestätigt, die Wähler werden frustrierter, da sie sich nicht gesehen fühlen, und die AfD wächst unter neuen Namen mit mehreren Köpfen und stärker denn je wieder heran. Um mit Michael Schmidt-Salomon zu schließen: "Demagogen feiern mit halben Wahrheiten ganze Erfolge. Um sie zu stoppen, muss man ihnen recht geben, wo sie recht haben, und sie dort kritisieren, wo sie die Wirklichkeit verzerren."

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