Fast alle nach der Wende im Jahre 1989 entstandenen politischen Parteien (viele davon gibt es schon nicht mehr) hatten in ihren Satzungen irgendwelche Formulierungen über die Trennung der Kirche und des Staates. So gut wie keine der Parteien, auch nicht die postkommunistischen Sozialdemokraten, hat sich dafür tatsächlich eingesetzt. Die Parteibosse hofften, dass die freundlichen Beziehungen mit den Bischöfen, wenn nicht ihre Unterstützung, dann mindestens das freundliche Dulden der Partei bei den nächsten Wahlen bringen wird.
Alle Versuche seitens der konfessionslosen Bürger sich unter der Fahne einer politischen Partei zu vereinen sind fehlgeschlagen. Die größte Hoffnung hat die Partei "Ruch Palikota" erweckt. Die fast über eine Nacht entstandene Partei des Millionärs, Janusz Palikot, ging mit lauten antiklerikalistischen Parolen in die Parlamentswahlen des Jahres 2011, versammelte 10,2 % Stimmen und bekam 40 Sitze im Parlament. Der Parteigründer hat danach jedoch sehr schnell seinen Antiklerikalismus aufgegeben und dazu noch wegen seines unüberlegten und unseriösen Handelns Anhänger verloren.
Diesmal versuchen konfessionslosen Bürger sich außerhalb der institutionellen politischen Szene zu organisieren. Der entsprechende Aufruf ist noch nicht offiziell veröffentlicht.
Im Moment werden zum Organisationskomitee zuerst nur persönlich bekannte Organisationen eingeladen: Verbände, bürgerliche Initiativen, Gemeinschaften, Vereine... Es scheint, dass es viele werden. Der für Herbst geplante Kongress soll den Politikern und ihren Parteien zeigen, dass der säkulare Staat und die wirkliche Trennung von Staat und Kirche der Wunsch sehr vieler Bürger ist. Sie sind auch Wähler, die für diese Parteien stimmen werden, die ehrlich ihr Programm realisieren werden. Paradoxerweise das wäre auch von Vorteil für die Kirche. Sie bekommt jetzt zwar üppige finanziellen Spenden aus der Staatskasse, aber gleichzeitig verliert in zunehmendem Tempo die getreuen Anhänger, die die Unterstützung der rechts-nationalen, autoritären Staatsmacht seitens der Kirche nicht akzeptieren.
Aufruf der Säkularen gegen den fortschreitenden Klerikalismus
- Wir wenden uns mit dem Aufruf an alle Mitbürger, an die meinungs- und kulturbildenden Milieus, an die politischen und gesellschaftlichen Organisationen, entschlossenen Widerspruch gegen den fortschreitende Klerikalismus in unserem Land zu äußern. Mit größtem Besorgnis beobachten wir das Überlassen von weiteren Gebieten des gesellschaftlichen und öffentlichen Lebens unter den Einfluss der Römisch-Katholischen Kirche durch die Staatsbehörden.
- Der fortschreitende Klerikalismus im Bildungswesen, der Gesundheitspflege, der Sozialhilfe, in der Wissenschaft, Kultur und bei staatlichen Zeremonien, sowie das Platzieren der kirchlichen Symbole in staatlichen Institutionen führt zu der Unterordnung aller Gebiete der Staatsaktivitäten und der Aktivitäten der Bürger unter die Regeln und Ritualen des katholischen Glaubens. Das ist ein unzulässige Eingriff in die bürgerlichen Rechte und Freiheiten, insbesondere in die Rechte der Frauen, der sexuellen, nationalen, ethnischen und religiösen Minderheiten, die das geltende polnische Recht und internationale Standarts garantieren.
- Wir sind der Meinung: Der Staat sollte sich nicht dafür engagieren, die Forderungen der Kirche nach einer ausschließliche Gestaltung der Moralvorstellungen, der der Sittlichkeit und der Ausbildung der Gesellschaft zu befriedigen. Das konfessionell definierte Wertesystem darf nicht über eine weltanschaulich differenzierten Gesellschaft verhängt werden, weil die aus der so einseitigen Perspektive unternommenen moralischen Bewertungen ungerecht für alle sind, die die ethische Grundlagen ihres Lebens auf anderen, nichtkonfessionellen Prinzipien stützen.
- Die unverschämte Identifizierung des Polentums mit dem katholischen Glauben und die Unwilligkeit der Behörden gegenüber Personen anderen Glaubens und Konfessionslosen schließt erhebliche Teile der Gesellschaft aus der Staatsgemeinschaft aus und verursacht die Entstehung von Antagonismen, die für das gesellschaftliche Gleichgewicht und Zusammenhalt gefährlich sind.
- Mit großer Empörung beobachten wir, wie die momentan regierende politische Partei für die Einführung ihrer Pläne skrupellos und schamlos die Unterstützung, Hilfe und Förderung der Katholischen Kirche nutzt. Die Kirche hat die Rolle des politischen Spielers, des Verbündeten und tatsächlichen Koalitionär der Machthaber übernommen. Dafür erhält die Kirche großen, ihr nicht zustehenden materiellen Nutzen, der aus dem gemeinsamen Budget für uns alle – den gleichberechtigen Bürger der Republik Polen – stammt.
- Wir rufen alle verantwortlichen Milieus und Organisationen auf, deutlichen Einspruch gegen die Handlungen der regierenden Partei zu äußern, die zu der fortschreitenden Umwandlung Polens in einen konfessionellen Staat führen. Nur die Konsolidierung und Integration unserer Bemühungen erlaubt die Absicherung des polnischen Staates gegen den zerstörerischen und rückständigen Einfluss der katholischen Kirche. Um dieses Prozess und einen konstruktiven Dialog in möglichst großen Umkreis zu beginnen, haben wir unsentschieden, einen Säkular-Kongress zu organisieren.
Er soll eine Plattform für die Debatte über die Relationen Kirche – Staat, über die Rolle der Kirche in dem gesellschaftlichen und politischen Leben und über die Möglichkeiten der Handlungen gegen die diesbezüglich entstehenden Pathologien bilde.
Wir laden zum gemeinsamen Gespräch und zur Teilnahme an dieser Veranstaltung herzlich ein.Das Organisationskomitee
Warschau, in Februar 2017.
4 Kommentare
Kommentare
Gustav am Permanenter Link
Viel Erfolg, leider dauert es lange bis sich etwas zum positiven bewegt, aber es gab ja auch den Frauenaufstand in Polen, der hat ja auch etwas bewegt
Andrzej Wendryc... am Permanenter Link
Besten Dank. Ja, schnell geht das nicht, aber der Prozess der Säkularisierung in Polen geht ununterbrochen immer weiter. Das gibt sogar die Kirche zu.
Kay Krause am Permanenter Link
In Polen eine diesbezügliche und rechtmäßige Änderung der Strukturen zu erreichen, dürfte ein langwieriger Prozeß sein.
Andrzej Wendryc... am Permanenter Link
Ja das stimmt. Aber die Unterschiede zwischen Stadt und Dorf sind schon nicht mehr so groß und die Säkularisierung erreicht auch langsam die ländlichen Gebiete.