Ein unerschrockener Aufklärer

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Franz Buggle © Evelin Frerk

FREIBURG. (hpd) Franz Buggle ist tot. Der bekannte Entwicklungspsychologe und Religionskritiker starb vergangene Woche in Au bei Freiburg. Ein Nachruf von Michael Schmidt-Salomon.

 

Wenn man nach den wichtigsten religionskritischen Büchern der letzten Jahrzehnte fragt, so fällt unweigerlich der Titel „Denn sie wissen nicht, was sie glauben – Warum man redlicherweise nicht mehr Christ sein kann“ von Franz Buggle. Mit Recht! Denn kaum ein Buch hat Gläubige wie Ungläubige so bewegt wie dieses. Ich weiß aus zahlreichen Gesprächen: Für viele war die Lektüre des „Buggle-Buchs“ der entscheidende Impuls dafür, der Kirche endgültig den Rücken zu kehren.

Als ich Buggles fulminante Streitschrift kurz nach ihrem Erscheinen 1992 las, lag mein Abschied von der Kirche bereits hinter mir. Dennoch war ich von dem Werk zutiefst beeindruckt: Nie zuvor hatte ein Autor die ethische Unzulänglichkeit der biblischen Schriften in solcher Klarheit aufgezeigt. Erst nachdem ich Buggle gelesen hatte, verstand ich, dass die „Kriminalgeschichte des Christentums“ (Deschner) kein „Betriebsunfall“ war, sondern sich durchaus folgerichtig aus den religiösen Quellentexten ableitete. Buggle hatte den Mut, als Psychologe zu formulieren, was die meisten Theologen allzu gerne unter den Teppich kehrten, nämlich dass die Bibel „in ihren zentralen Teilen ein gewalttätig-inhumanes Buch“ ist, welches sämtliche Mindeststandards einer „heute verantwortbaren Ethik“ unterschreitet. Diese Erkenntnis war schockierend, vor allem für „aufgeklärte Christen“: Denn damit war die beliebte Kompromissformel „Jesus ja, Kirche nein!“ ebenso hinfällig wie der Versuch liberaler Theologen, exegetisch zu retten, was auf redliche Weise nicht mehr zu retten ist.

Mitte der 1990er Jahre lernte ich Franz Buggle, der lieber „Frank“ als „Franz“ genannt werden wollte, persönlich kennen. „Frank“, der von 1974 bis 1998 als Professor für Entwicklungspsychologie in Freiburg lehrte, hatte so gar nichts „Professorales“ an sich – sieht man einmal von einer gewissen „professoralen Zerstreutheit“ ab, die der Vielbelesene mitunter an den Tag legte. Er war freundlich, zuvorkommend und vor allem: erfrischend unarrogant. Allerdings bedrückten ihn die Erfahrungen, die er seit der Veröffentlichung seines religionskritischen Buches machen musste. In der wissenschaftlichen Community wurde das Werk im Gegensatz zu seinen sonstigen Veröffentlichungen kaum beachtet, Fernseh- und Radiosendungen, zu denen er eingeladen wurde, wurden kurzfristig abgesagt. Er fühlte sich in dieser Hinsicht lange Zeit isoliert, zum „Einzelkämpfer-Dasein“ verdammt. Ein Thema, über das wir häufig miteinander sprachen.

Es war daher eine pure Selbstverständlichkeit, dass wir im Zuge der Gründung der Giordano-Bruno-Stiftung bei „Frank“ anfragten, ob er Mitglied des Stiftungsbeirats werden wolle. Natürlich sagte er sofort zu und war gleich mit vollem Einsatz bei der Sache. Von Beginn an war er bei nahezu allen Stiftungstreffen zugegen und beteiligte sich rege an den Diskussionen – auch als sich sein Gesundheitszustand infolge einer Krebserkrankung zunehmend verschlechterte.

Der Tod kam für ihn viel zu früh. Denn „Frank“ hatte noch große Pläne. Vor allem wollte er endlich das lange erwartete Nachfolgebuch zu „Denn sie wissen nicht, was sie glauben“ schreiben. Doch daraus wurde nichts: Am 12. Januar starb Franz „Frank“ Buggle im Alter von 77 Jahren infolge seiner schweren Erkrankung. Ich habe viel von ihm gelernt. Er war ein unerschrockener Aufklärer, ein mutiger Kämpfer für Humanität und intellektuelle Redlichkeit. Wir vermissen ihn schon jetzt.