Assunta Tammelleo hat im Namen des Vorstandes des Bundes für Geistesfreiheit München (bfg München) einen sehr persönlichen Nachruf auf Gerhard Rampp geschrieben, den der hpd an dieser Stelle veröffentlicht.
Es ist wohl über 35 Jahre her, dass der Internationale Bund der Konfessionslosen und Atheisten (IBKA) unter dem Vorsitz seines Gründers Frank L. Schütte eine Auswahl an Mitgliedern und Aktivisten zu einer Sitzung nach Berlin geladen hatte. Eine überschaubare Anzahl engagierter und bekennender Gottloser sollte und wollte festlegen, wer alles dabei ist im weiteren, doch hoffentlich kämpferischen Einsatz für die Trennung von Staat und Kirche. Es ging nicht wirklich um die Reinheit einer Lehre, doch im Wesentlichen darum, ob der Freiburger Bund gegen Anpassung um den Verlagsinhaber, Autor und Psychoanalytiker Fritz Erik Hoevels überhaupt der Großfamilie der organisierten Atheisten angehören darf.
Illustrer hätte die Runde der streitbaren Diskutanten kaum sein können. Am großen Tisch trafen sich unter anderem Vertreter des Libertären Forums Aschaffenburg, des IBKA Berlin, des Bundes gegen Anpassung und Mitglieder des Bundes für Geistesfreiheit aus Bayern. Uns gottlosen Neulingen vom bfg München – Wolf Steinberger und mir – ist ein gutbürgerlich aussehender Mann mittleren Alters besonders aufgefallen; vor allen Dingen auch deshalb, weil man ihn anhand der Vortragsart und -weise (seiner nicht wenigen Redebeiträge) unschwer dem Berufsstand der Lehrer zuordnen konnte, und weil sein bürgerliches Äußeres zu den seinerzeit eher hippie-schlurfig gewandeten übrigen Protagonisten nicht so recht passen wollte. Wahrscheinlich war es vorrangig seinem wortgewaltigen Einsatz zu verdanken, dass man den Bund gegen Anpassung als gleichrangigen säkularen Partner dann nicht in den Kreis des säkularen Aktionsbündnisses aufnehmen wollte.
Gerhard Rampp war Anfang der 1980er Jahre Gründungsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Humanes Sterben (DGHS) und wohl zeitgleich bereits Vorsitzender des Bundes für Geistesfreiheit Augsburg; ein Amt, das er ohne Unterbrechung die kommenden 42 Jahre behalten sollte. Von Beruf war er Lehrer für Deutsch, Französisch und Ethik an einem Augsburger Gymnasium. Im Ehrenamt daneben seit Ende der 80er Jahre beständiges Redaktionsmitglied der säkularen Vierteljahreszeitschrift Materialien und Informationen zur Zeit (MIZ), im Vorstand der von ihm mit gegründeten DGHS noch fast 20 Jahre, viele Jahre verantwortlicher Regionalbeauftragter Bayern für den IBKA, ehemaliger langjähriger Vorsitzender des bfg Bayern, zeitweise Vorsitzender des bfg München (und dort seit Jahren langjähriges Ehrenmitglied), Unterstützer des hpd und schließlich Beirat und Stifter in der Giordano-Bruno-Stiftung. Ein säkulares Urgestein also – und als bayerischer Schwabe gleichermaßen mit schwäbisch-kleinlicher Pedanterie einerseits und bayerischer Renitenz gegenüber Obrigkeiten andererseits ausgestattet; eine wirkungsvolle Mischung im Einsatz für ein hohes politisches Ziel, die Trennung von Staat und Kirche in Deutschland.
Sein säkulares Steckenpferd war vor allem das Thema "Die Kirche und Ihr Geld", das er – wie auch damals der ehemalige Priester, Soziologie-Professor und Kirchenkritiker Horst Herrmann – sehr früh als das zentrale Thema der Geistesfreiheit erkannte, um die diesbezüglich ahnungslose deutsche Bevölkerung über die staatliche Finanzierung der nicht immer segensreichen Aktivitäten der beiden deutschen Großkirchen aufzuklären und sie über diese Erkenntnis zum notwendigen Kirchenaustritt zu bewegen.
Vor allen Dingen auf diese Art und Weise – so die einleuchtende Logik des organisierten Schachmeisters Rampp – musste die politische Forderung nach Trennung von Staat und Kirche zwangsläufig das zur realen Umsetzung notwendige Gewicht gewinnen. Diese Überzeugung hat der Stratege in ihm nie aufgegeben, auch wenn die Anzahl der Kirchenaustritte über die vielen Jahre – nicht zuletzt wegen der unfassbaren Meldungen kirchlichen Missbrauchs von insbesondere Kindern und Jugendlichen – immer beeindruckender geworden ist, doch im Gegensatz dazu die tatsächliche Trennung von Staat und Kirche nach wie vor in weiter Ferne war und ist. Unabhängig davon war und blieb sein Einsatz auf diesem Gebiet unermüdlich.
Es hat ihm als Staatsdiener zu keinem Zeitpunkt an außerordentlichem Mut gefehlt. Jahrzehntelang hat er weder beruflich noch privat – auch außerhalb Bayerns – bei irgendwem Zweifel an seiner säkularen Geisteshaltung aufkommen lassen, was insbesondere in Staatsdiensten in Bayern vor Jahrzehnten kaum besonders gut angesehen gewesen sein dürfte, deutlich weniger noch als heute. Mehr als die allermeisten der organisierten Säkularen scheute er keine öffentliche Diskussion in Sachen Trennung von Staat und Kirche, schrieb unermüdlich einschlägige Leserbriefe unter eigenem Namen (die zahlreich veröffentlicht wurden) und war sicherlich (in der Regel zusammen mit Monika Rampp) auf nahezu allen Treffen der säkularen Szene vor Ort mit dabei.
Ausdauer, Fleiß und Mut
Die Grundlage seiner Öffentlichkeitsarbeit war einerseits sein berechtigtes Vertrauen in die selbst erworbene hohe Sachkenntnis des Themas und andererseits sein darauf fußendes unerschütterliches Selbstbewusstsein und der von ihm berufsbedingt praktizierte Redestil…Lehrer, der er halt zeitlebens war. Das zunehmende Presseinteresse gegenüber säkularen Themen brachte über die Jahre andere Mitstreiter mehr in die Zeitungen, Rundfunkanstalten und Fernsehsender als ihn selbst, doch die meisten von ihnen waren sich wohl im Klaren darüber, dass viel von dem, was sie öffentlich machten, auf der Arbeit gerade auch von Gerhard Rampp fußte. Er war und blieb der geachtete Vielarbeiter im Weinberg der Geistesfreiheit.
Über den Einsatz in Sachen Trennung von Staat und Kirche fühlte er sich als Verfechter von Geistesfreiheit und Selbstbestimmung politisch vertreten von – über die Jahre – unterschiedlichen Parteien. Aus seiner politischen Haltung jenseits der Trennung von Staat und Kirche hat er ebenfalls nie ein Hehl gemacht und entsprechende Wahlempfehlungen in säkularen Kreisen – gerne auch ungebeten – weitergegeben. Als Vorsitzender des bfg München irgendwann Anfang der 1990er Jahre hielt er lediglich die CSU als für säkulare Menschen unter keinen Umständen wählbar. Vor diesem Hintergrund verwundert es dann natürlich doch, dass er als bereits pensionierter Gymnasiallehrer Mitglied im Ring Christlich-Demokratischer Studenten an der Universität Bayreuth geworden ist. Welche Beweggründe auch immer der Schachspieler Rampp dafür hatte, so waren sie vermutlich strategischer Natur; mit sehr großer Wahrscheinlichkeit hat er seine säkularen Ideale dafür nicht verraten.
Über die Jahrzehnte waren wir regelmäßig in Kontakt, haben uns getroffen, ausgetauscht und durchaus heftig und anhaltend gestritten. Nicht immer hätte man in diesem Zusammenhang von einer wunderbaren Freundschaft sprechen können, und das haben wir auch beide nie getan. Doch über diese Jahrzehnte gewachsen und geblieben ist die jeweilige Achtung vor der Leistung des anderen. In meinem Fall ist es die Achtung seiner Ausdauer und seines außerordentlichen Fleißes für das gemeinsame Anliegen, aber vielleicht noch mehr die Achtung seines ebenso außerordentlichen Mutes. Die Umsetzung der Trennung von Staat und Kirche in Deutschland wäre deutlich weiter, hätte eine große Anzahl säkularer Menschen auch nur einen Bruchteil der Courage, die er hatte.
Am Karfreitag dieses Jahres habe ich mich mit ihm, seinen engen Vertrauten aus dem bfg Augsburg und zwei weiteren Weggefährten der säkularen Szene in unserer Kulturbühne Hinterhalt aus Anlass der dort stattfindenden "Stille-Tage-Tanzveranstaltung" mit Live-Musik getroffen und viel diskutiert nach Jahren der diesbezüglichen Zurückhaltung auf beiden Seiten. Es war ein anregender, informativer und auch unterhaltsamer Nachmittag und Abend, von dem sich alle Beteiligten eine zeitnahe Fortsetzung wünschten. Nicht absehbar war, dass es dazu nicht mehr kommen würde (...).
Was mir und uns bleibt ist die Erinnerung an einen streitbaren, engagierten und mutigen säkularen Weggefährten, von dessen Sorte gerne mehrere engagiert mit uns für eine säkulare Gesellschaft tätig sein dürften. Und dem ich persönlich, aber wohl die säkularen Aktivisten insgesamt, daher zu besonderem Dank verpflichtet bin. Die kindliche Vorstellung, er würde jetzt irgendwo da draußen im Universum auf so Etwas wie einer Wolke sitzen und – anstatt "Hallelujah" zu singen wie seinerzeit der Dienstmann Aloisius Hingerl ("Ein Münchner im Himmel") – an wen auch immer gerichtet die aktuellen Kirchenaustrittszahlen dozieren, die hat durchaus etwas Tröstliches…
Assunta Tammelleo, Dr. Michael Geyer, Heiko Gerdes, Dietmar Freitsmiedl, Wolfram P. Kastner, Andreas Kielmann, Deborah Maget, Richard Meinl, Wolf Steinberger
Redaktioneller Hinweis der Autorin: Dieser Nachruf ist aus Gründen der besseren Lesbarkeit nicht gegendert. Die Entscheidung dafür ist unabhängig von den Erlässen und Verfügungen der amtierenden bayerischen Staatsregierung gefallen.