WIEN. (hpd) Keine Einigung bei einstündigem Gespräch. Im Konflikt um den Ethikunterricht für Kinder, die nicht am Religionsunterricht teilnehmen, haben der evangelische Bischof Michael Bünker, Oberkirchenrat Prof. Mag. Karl Schiefermair und vier Vertreter des Zentralrates der Konfessionsfreien – Univ. Prof. Dr. Heinz Oberhummer, Dr. Erich Eder, Niko Alm und Philippe F. Lorre – das Gespräch gesucht.
Die Bereitschaft Bünkers Konfessionsfreie zu empfangen ist ein Novum in der politischen Landschaft Österreichs. Zum ersten Mal wird implizit anerkannt, dass die etwa zwei Millionen Österreicher »ohne religiöses Bekenntnis« das Recht haben, u. a. in Angelegenheiten die sie unmittelbar betreffen, gehört zu werden und mitreden zu dürfen. In der einstündigen Unterredung, die am 26. Januar im Bischofssitz stattgefunden hat, kam es allerdings zu keiner Einigung. Die Standpunkte lagen zu weit auseinander.
Der Religionsunterricht befindet sich ausschließlich unter der Hoheit der jeweiligen Kirche oder Religionsgesellschaft (die einzige Aufgabe des Staates besteht in der Finanzierung dieses Unterrichts). Wenn das Recht auf Religionsfreiheit tatsächlich uneingeschränkt für alle BürgerInnen gilt, muss der Ethikunterricht sich ebenfalls ausschließlich unter der Hoheit der Betroffenen befinden. Die BürgerInnen »ohne religiöses Bekenntnis« haben wie die Gläubigen das Recht, für ihre Kinder einen Wertevermittlungsunterricht zu bekommen, die sie selbst bestimmen, wie das z. B. in Berlin und Brandenburg seit 1984 Realität ist.
Diese Forderung stößt aber bei der evangelischen Kirche auf erbittertem Widerstand. Über einen möglichen Ethikunterricht für alle SchülerInnen sagte Karl Schiefermair sinngemäß: »Ich möchte für unsere [Anm.: evangelischen] Kinder keinen Ethikunterricht, der in der Verantwortung des Staates liegt. Ich hätte grundsätzlich kein Vertrauen.« Genau das erwartet aber die evangelische Kirche von den Konfessionsfreien: ein staatlicher Ethikunterricht an dem die anerkannten Religionen außerdem maßgeblich beteiligt werden.
In einer schriftlichen Anfrage hat der Zentralrat die Abhaltung einer Podiumsdiskussion vorgeschlagen, an der sowohl Konfessionsfreie als auch Vertreter des religiösen Pro-Ethik-Lagers (darunter Michael Bünker selbst) teilnehmen würden und welche zum ersten Mal die Gelegenheit bieten würde, eine wirklich demokratische Debatte über den Ethikunterricht zu führen. Bedauerlicherweise scheint Michael Bünker wenig Interesse an einer solchen Diskussion zu haben.
Der Zentralrat hat einmal mehr seine grundsätzliche Forderung nach Umsetzung der Europäischen Menschenrechtskonvention bekräftigt und klar gemacht, dass die Konfessionsfreien jene Rechte einfordern, die ihnen seit fast 50 Jahren verfassungsmäßig zustehen, nämlich die völlige rechtliche Gleichstellung aller Bürger, unabhängig ihrer religiösen oder weltanschaulichen Überzeugungen. Die Grundvoraussetzung für die Herstellung dieser rechtlichen Gleichstellung ist die ersatzlose Abschaffung sämtlicher Privilegien, die den Religionen immer noch gewährt werden.
Philippe F. Lorre / Dr. Heinz Oberhummer