Fukushima und Berlin

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Bundeskanzleramt / Foto: Frank Navissi

BERLIN. (hpd) In Zeiten großen Unglücks finden oft Menschen zusammen, um gemeinsam zu trauern und sich solidarisch zu zeigen mit den Betroffenen. Manchmal gehen diese Treffen aber noch einen Schritt weiter. So wie heute in Berlin und vielen anderen Städten Europas und weltweit.

Das Erdbeben hat nicht nur die Erde in Japan erschüttert. Die Folgen – insbesondere auch die Ereignisse im japanischen Atomkraftwerk Fukushima – lassen auch die politische Landschaft Deutschlands erbeben. Das geht fast soweit, dass die durch das Erdbeben und den anschließenden Tsunami Getöteten fast vergessen werden. So gebannt starrt die Welt auf die Reaktorhüllen.

Vor dem Bundeskanzleramt trafen sich heute am Spätnachmittag etwa 2.500 Menschen, um die Regierung dazu zu bringen, wenigstens die unter schwarz-gelb durchgesetzte Laufzeitverlängerung für die alten Atomkraftwerke in Deutschland zurückzunehmen. Maximalforderung war natürlich das sofortige Abschalten aller Atomkraftwerke. Hier und weltweit.

Die Hilflosigkeit macht die Menschen wütend. Hilflosigkeit angesichts von Naturkatastrophen ist angemessen. Die Wut jedoch kommt aus dem Gefühl heraus, dass die Technik unbeherrschbar sei.
Eine mehr als bruchstückhafte Aufklärung der tatsächlichen Ereignisse in den betroffenen Meilern sowie die seit 25 Jahren scheinbar verdrängte Erinnerung an Tschernobyl als auch Politiker, die auf die Ängste und Befürchtungen der Bevölkerung mit Abwiegeln und als überheblich wahrgenommenen Gesten reagieren – all das trägt zu dieser Wut bei, die sich in den letzten Tagen aufgestaut hat.

Und so sprachen heute in Berlin Spitzenpolitiker aller Oppositionsparteien. Es redeten Menschen, die bereits die große Menschenkette am letzten Wochenende organisierten. Und es gab auch deutlich kritische Worte in Richtung der derzeitigen Opposition, die es in ihrer Regierungszeit auch nicht zustande brachte, die zum endgültigen Atomausstieg notwendigen Gesetze zu erlassen.

Es kann sein und es ist zu hoffen, dass die jetzt wieder erstarkende Bürgerbewegung zu einem Umdenken der Regierung führt. Doch es bleibt ein bitterer Nachgeschmack dabei: als im Sommer Hundertausende gegen die Laufzeitverlängerung in Berlin protestierten, war das zwar ein Medienevent hatte aber keine sichtbare politische Wirkung. Dazu braucht es erst der Gefahr eines SuperGAU in Fukushima.

Und heute standen wieder Viele vor dem Kanzleramt und fordern von ihrer Regierung, auf den Souverän zu hören. Und die Regierung erklärte fast zeitgleich, eine „erneute Überprüfung“ der Atomkraftwerke anzuregen und die Laufzeitverlängerung für ein Vierteljahr auszusetzen.

Es ist jetzt nicht an der Zeit, darauf zynisch zu reagieren. Es ist auch nicht an der Zeit, nur über Politik(er) zu schimpfen. Es ist Zeit, dass wir uns darüber unterhalten, in was für einer Welt wir und vor allem unsere Kinder leben wollen und können. Es sieht aus, als würde sich in vielen Köpfen tatsächlich etwas bewegen.

F.N.