BOZEN. (hpd) In der Überarbeitung des Bildungsgesetzes für die autonome Provinz Bozen-Südtirol wurden gegen den erbitterten Widerstand der Opposition
die „christlichen Wurzeln" eingefügt
Unbemerkt vom restlichen Europa gab es im Landesparlament der autonomen Provinz bei der Beratung des neuen Bildungsgesetzes Auseinandersetzungen, die an einen Kulturkampf erinnerten. Die regionale Presse titelte: „Die christlichen Wurzeln werden in Südtirols Schulen hochgehalten". So die Südtiroler Tageszeitung Dolomiten am 13. Juni 2008.
Tags zuvor hatte die Landesregierung das umstrittene Bildungsgesetz verabschiedete, das die Abhaltung des Unterrichts auf Grundlage christlicher Werte vorschreibt. Die alleinregierende konservative Volkspartei (SVP) orientierte sich dabei an der Formulierung, die der Vatikan bereits für die europäische Verfassung vorgeschlagen hatte und dort nicht durchsetzen konnte.
Kindergärten als Agenturen christlicher Kulturverbreitung
Die wenigen kritischen Stimmen der Opposition wurden vom Tisch gefegt. Der grüne Landtagsabgeordnete Hans Heiss plädierte für einen Verweis auf weitere Wurzeln der europäischen Kultur: „Das Christentum ist nicht das einzige Fundament Europas, sondern auch Aufklärung und Demokratie haben ihren Beitrag geleistet". Auch die italienische Landesrätin Luisa Gnecchi betonte, sie habe persönlich rein gar nichts gegen das Christentum und Religion in der Schule. „Auch in den Lehrprogrammen können seine Werte eingebaut sein, aber Kindergarten und Schule sind nicht dazu da, um christliche Kultur zu verbreiten", wie im Gesetz wortwörtlich formuliert sei. Die Südtiroler Volkspartei stand geschlossen zum neuen Bildungsgesetz mit Ausnahme der erklärten Feministin Julia Unterberger: „Stellt sich die Frage, was unter christlichen Werten zu verstehen ist. Handelt es sich allgemein um Nächstenliebe, Solidarität, Frieden oder fallen darunter auch das Verbot des vorehelichen Geschlechtsverkehrs, die Verteufelung von Homosexualität und das Bild der dienenden Frau?" Sie verwies auf die Trennung von Kirche und Staat als Grundpfeiler eines jeden modernen europäischen Staates.
Nur ein symbolischer Akt?
Auch Lehrpersonen äußerten sich beunruhigt. Darf etwa im Sexualkundeunterricht noch über Verhütung gesprochen werden? Werden feministische Ansätze aus der Schule verbannt? Was geschieht mit konfessionslosen Lehrpersonen? Landeshauptmann Luis Durnwalder versicherte, es werde sich in der Praxis überhaupt nichts ändern. Es handle sich um einen symbolischen Akt.
Der Grund für die Verabschiedung des Gesetzes liegt in der Tat weniger an der Religiosität der Südtiroler SVP als am drohenden Verlust der absoluten Mehrheit bei den Landtagswahlen im Herbst. Die rechtspopulistischen Parteien und fundamentalistische Vereine hatten erfolgreich Ängste vor einer Islamisierung Südtirols geschürt. Als an einigen Kindergärten anstelle der Weihnachtsfeier ein Fest für Kinder aller Konfessionen angeboten wurde, gingen die Wogen hoch. Die Rechtsparteien spielten dies geschickt gegen die Bildungspolitik der Südtiroler Volkspartei aus. Die SVP steuerte nun mit ihrem Bekenntnis zur christlichen Kultur dagegen und hofft offensichtlich verlorene Stimmen wieder zurück zu gewinnen.
„Heilige Allianz" in Südtirol
Die„heilige Allianz" Kurie-SVP-Tageszeitung Dolomiten" hatte sich monatelang für die Verabschiedung des Gesetzes stark gemacht. Dazu sollte man wissen, dass die Südtiroler Kurie einen beachtlichen Aktienanteil an der Tageszeitung Dolomiten besitzt und ihren Einfluss dementsprechend geltend macht. Chefredakteur der Dolomiten ist wiederum Dr. Toni Ebner, Bruder des SVP-Parlamentariers Michael Ebner. Letzere werden von Extrembergsteiger Reinhold Messner abschätzig als „christliche Brüder" bezeichnet.
Robert Körner