Warum der deutsche Staatskirchenvertrag abgeschafft werden muss

Unrechtmäßiger Reichtum

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Das Grab von Heinrich II. und Kunigunde im Bamberger Dom.
Grab von Heinrich II. und Kunigunde

Die Diskussion um die Abschaffung der historischen Staatsleistungen an die Kirchen, die als Entschädigung für die Säkularisation von 1803 bis heute gezahlt werden, lenkt zwangsläufig den Blick auf das einst immense Vermögen der Kirchen. Ein Großteil dieses Reichtums wurde über Jahrhunderte unter fragwürdigen Umständen angehäuft. Besonders problematisch sind Schenkungen und Stiftungen, die Gläubige in der Hoffnung auf ein verkürztes Fegefeuer oder gar einen Platz im Paradies tätigten. Gepaart mit Zwangsabgaben wie dem Zehnt führte diese Praxis dazu, dass die Kirche durch gezielte Ausnutzung von Ängsten und dem Schüren falscher Hoffnungen riesige Ländereien und finanzielle Ressourcen zusammentrug.

Ein großer Teil des kirchlichen Vermögens basiert auf Schenkungen, die unter Vorspiegelung falscher Tatsachen erfolgten. Über Jahrhunderte predigten Geistliche, dass großzügige Gaben an die Kirche das Seelenheil der Gläubigen retten würden. So entstanden unzählige Stiftungen, Klosterschenkungen und Landübertragungen – nicht aus reiner Mildtätigkeit, sondern aus Angst vor ewiger Verdammnis oder langem Leiden im Fegefeuer. Ein bekanntes Beispiel ist das "Testament Karls des Großen", in dem der Frankenkönig 21 Diözesen des Reiches erhebliche Besitztümer vermachte – zufälligerweise waren hochrangige Mitglieder des Klerus als Zeugen anwesend, als er seinen letzten Willen verkündete ...

Sehr geschickt übte die Kirche ihren Einfluss aus, um Menschen ohne direkten Erben, oder deren Angehörige als "sündhaft" galten, systematisch dazu zu drängen, ihren Besitz der Kirche zu vermachen – eine geradezu perfide Methode. Besonders im Mittelalter mischten sich Klöster gezielt in Erbschaftsangelegenheiten ein, um vermeintlich "Gottgefälliges" zu tun – in Wahrheit jedoch, um ihren eigenen Reichtum zu mehren.

Schenkungen von Ländereien zur Gründung von Bistümern

Eine besonders effektive Methode der Besitzvermehrung bestand in der Schenkung ganzer Ländereien zur Gründung von Bistümern. Die weltlichen Herrscher, eng mit der Kirche verbunden, übertrugen riesige Gebiete an diese – nicht selten unter dem Vorwand die Christianisierung voranzutreiben oder um sich den göttlichen Beistand für ihre Herrschaft zu sichern.

Die Kirche erweiterte ihren Landbesitz nicht nur durch Zuwendungen, sondern auch durch gezielte Zukäufe – oft mit Geld, das durch den Ablasshandel oder religiös motivierte Abgaben erworben wurde. So ließ sich der Bischof von Würzburg im 10. Jahrhundert große Teile Frankens überschreiben, weil er versprach, die Seelen der Stifter durch Messen und Gebete aus dem Fegefeuer zu befreien. Auch das Bistum Mainz profitierte massiv von der Unsicherheit der Menschen in Bezug auf ihr Seelenheil und sammelte über Jahrhunderte hinweg riesige Ländereien an.

Ein eindrucksvolles Beispiel für die Praxis kirchlicher Schenkungen und Stiftungen ist die Gründung des Bistums Bamberg durch Heinrich II. im Jahr 1007. Der Kaiser und seine Frau Kunigunde, die kinderlos blieben, sahen in der Stiftung eines Bistums nicht nur eine Möglichkeit, die christliche Missionierung in Franken zu fördern, sondern auch ihr persönliches Schicksal im Jenseits zu beeinflussen.

Heinrich II. übertrug dem neugegründeten Bistum weite Gebiete, darunter königliche Besitzungen in Franken. Dieses Land umfasste ertragreiche Ländereien, Dörfer und Abgabenrechte. Das Bamberger Bistum wurde damit zu einem der mächtigsten Landbesitzer der Region. Die finanziellen Zuwendungen wurden mit religiösen Versprechen begründet: Heinrich II. ließ sich garantieren, dass für sein Seelenheil und das seiner Familie dauerhaft Messen gelesen und Gebete gesprochen würden. Als Gründer des neuen Bistums hoffte er, sein großzügiges Geschenk an die Kirche würde seine Zeit im Fegefeuer verkürzen oder gar seine Erlösung sichern. Diese Vorstellung war im Mittelalter weit verbreitet: Wer der Kirche Ländereien, Gebäude oder Geld vermachte, tat dies in der Hoffnung auf eine bevorzugte Behandlung im Jenseits.

Täuschung und Machtzuwachs der Kirche

Obwohl Heinrich II. und viele andere Stifter glaubten, mit ihren Schenkungen spirituelle Vorteile zu erkaufen, beruhte dieses System auf einer fragwürdigen Grundlage. Es gab weder eine Möglichkeit, zu überprüfen, ob die Schenkungen Wirkung zeigen würden noch ob die zugesicherten Gebete tatsächlich im gewünschten Umfang gesprochen wurden. Die Kirche nutzte die Ängste der Gläubigen gezielt aus, um ihren Reichtum und politischen Einfluss zu mehren.

Ein anderes Beispiel ist Otto I., der die Kirche gezielt mit Ländereien ausstattete und Bischöfe in die Reichsverwaltung einband. Um ein Gegengewicht zu den weltlichen Fürsten zu schaffen und die Bildung erblicher Dynastien zu verhindern, übertrug er ihnen nicht nur umfangreiche Ländereien, sondern auch königliche Hoheitsrechte. Dieses geschickte, aber letztlich problematische Machtkalkül führte dazu, dass der kirchliche Grundbesitz erheblich anwuchs und der Einfluss der Kirche verstärkt wurde.

Ähnliche Mechanismen wirkten auch bei privaten Stiftern. Adelige und reiche Bürger überschrieben der Kirche Höfe, Wälder, Gold oder Silber, um Seelenmessen und Fürbitten zu erhalten. In Nürnberg stifteten wohlhabende Patrizier wie die Familien Tucher oder Imhoff bedeutende Summen an kirchliche Einrichtungen. Die Gründe waren immer dieselben – ein Glaube, den die Kirche mit haltlosen Versprechen aktiv förderte.

Besonders drastisch zeigte sich die kirchliche Besitzgier in der Frühen Neuzeit. Der berüchtigte Ablasshandel, der letztlich zur Reformation führte, war nichts anderes als ein massenhafter Betrug an den Gläubigen. Menschen zahlten hohe Summen, um sich "Zeit im Fegefeuer" zu ersparen – ein Versprechen, das auf keinerlei theologischer oder moralischer Grundlage beruhte. Einen Großteil der generierten Einnahmen erhielten die Kirchenvertreter in Rom und der Papst, aber auch die deutschen Bischöfe und Ablasshändler wie Johann Tetzel bereicherten sich systematisch.

Der Kirchenzehnt: Eine unrechtmäßige Zwangsabgabe

Der sogenannte "Zehnt" war eine besonders erfolgreiche Methode der Kirche, sich dauerhaft finanzielle Mittel zu sichern. Ursprünglich als freiwillige Abgabe gedacht, wurde er spätestens im Mittelalter zu einer verpflichtenden Steuer, die Bauern und einfache Bürger an die Kirche entrichten mussten – unabhängig davon, ob sie deren Dienste tatsächlich in Anspruch nahmen. Diese Abgabe, die sich oft auf zehn Prozent der landwirtschaftlichen Erträge belief, wurde in vielen Regionen gewaltsam eingetrieben. Wer sich weigerte, riskierte den Kirchenbann oder Enteignung.

Die Folgen waren dramatisch: Während die Kirche ihre Reichtümer mehrte, lebten viele Bauern in bitterer Armut. Besonders in Zeiten von Missernten oder wirtschaftlichen Krisen führte der Zehnt dazu, dass die Bevölkerung hungerte, während Mönche und Bischöfe keinen Mangel kannten.

Illegitimer Besitz kann keine rechtmäßigen Ansprüche begründen

Die finanziellen Privilegien, die die Kirche in Deutschland heute genießt – darunter Staatsleistungen in Höhe von rund 600 Millionen Euro – werden begründet mit dem Verweis auf berechtige Entschädigungszahlungen für die Säkularisation von 1803, obwohl es sich faktisch um einen unrechtmäßig angehäuften Reichtum handelt. Ein aus ethischer Sicht mehr als bedenkliches Argument.

So wenig wie die Mafia erwarten kann, dass ihr durch erpresste Schutzgelder erworbener Grundbesitz vom Staat legalisiert wird, kann die Kirche ihren über Jahrhunderte mit krimineller Energie akkumulierten Landbesitz als rechtmäßig erworben bezeichnen. Eine Institution, die sich ihr Vermögen mit Methoden gesichert hat, die heute als kriminell gelten würden, kann nicht ernsthaft erwarten, für das Ende der staatlichen Leistungen finanziell entschädigt zu werden.

Im Gegenteil: Der Staatskirchenvertrag, dessen Jubiläum unlängst in Bayern gefeiert wurde, ist ein Relikt aus einer Zeit, in der Kirche und Staat noch untrennbar miteinander verwoben waren – heute jedoch entbehrt er jeder Grundlage. Eine entschädigungslose Abschaffung ist nicht nur überfällig, sondern auch eine Frage historischer Gerechtigkeit, denn Reichtum, der auf Ausbeutung, Angst und Täuschung beruht, war und kann niemals legitim sein.

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