Tagung: Wissenschaft contra Aberglauben

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ROSSDORF / WIEN. (hpd/WR/gwup) Die Skeptikervereinigung GWUP (Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften) und ihre österreichische Tochterorganisation GkD (Gesellschaft für kritisches Denken) halten ihre Jahrestagung vom 2. bis 4. Juni in Wien ab. „Eine offene und demokratische Gesellschaft braucht sachliche Informationen – gerade bei emotional besetzten Themen“, sagt Amardeo Sarma, Vorsitzender der GWUP.

Horoskope, Wünschelruten, Heilkristalle: Mit Zaubertricks und Versprechungen, die wissenschaftlich längst widerlegt sind, lässt sich immer noch Geld verdienen. In vielen Ländern haben sich daher Organisationen formiert, die über den Unterschied zwischen solider Wissenschaft und fragwürdiger Esoterik informieren. Aus diesem Grund versuchen Skeptikerinnen und Skeptiker, auf sachliche und wissenschaftlich saubere Weise parawissenschaftliche Behauptungen zu untersuchen. Vom hellseherischen Blick in die Zukunft bis zum wundersam energetisierten Wasser: Die Skeptiker bieten über viele Themen Information aus wissenschaftlicher Perspektive und führen, wenn nötig, selbst wissenschaftliche Tests dazu durch.

Wer behauptet, übernatürliche Fähigkeiten zu haben und es schafft, dies in einem sauberen Experiment zu beweisen, der könnte sogar ein Preisgeld kassieren.

Alles nur fauler Zauber

Bisher war das Ergebnis immer dasselbe: Auf der Welt geht es mit rechten Dingen zu, bei genauerem Hinsehen ist es mit angeblichen Wundern meist sehr schnell wieder vorbei. Trotzdem ist es keine Zeitverschwendung, sich mit solchen Themen auseinanderzusetzen: „Noch immer ist esoterischer Wunderglaube tief in der Bevölkerung verankert – zum Beispiel im Bereich sogenannter alternativer Heilmethoden“, meint Prof. Ulrich Berger, Vorsitzender der Wiener Skeptikergruppe GkD. „Viele Behauptungen halten einer wissenschaftlichen Überprüfung einfach nicht stand, und darüber wollen wir die Bevölkerung informieren. Schließlich soll niemand seine Zeit und sein Geld mit wirkungslosem Unfug verschwenden.“

Drei Tage Information in Wien

Wer mehr über die deutschsprachigen Skeptikervereine erfahren will, ist herzlich eingeladen, sich vom 2. bis 4. Juni näher zu informieren. Am 2. Juni findet ein Informationstag im Naturhistorischen Museum statt, u.a. mit „Science Buster“ Prof. Heinz Oberhummer. Dort wird auch das „Goldene Brett“ verliehen – eine ganz besondere „Auszeichnung“ für den widersinnigsten und unwissenschaftlichsten Unfug des Jahres. Am 3. und 4. Juni werden im Kuppelsaal der TU Wien unter dem Titel „Fakt und Fiktion“ Fachvorträge gehalten, u.a. von Prof. Edzard Ernst, dem weltweit ersten Inhaber eines Lehrstuhls für Komplementärmedizin.

Näheres über die Tagung.
 

Wenige Tage vor Beginn der Konferenz "Fakt und Fiktion" in Wien berichtet Amardeo Sarma über die Arbeit der Skeptiker

Amardeo Sarma ist Vorsitzender der Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften (GWUP) und der europäischen Skeptiker-Dachvereinigung ESCO. Zuletzt erlangten die Skeptiker mit ihrer homöopathiekritischen Aktion 10^23 weltweit Aufmerksamkeit. Im Interview resümiert Sarma die Kampagne und legt dar, warum der Umgang mit unbelegten medizinischen Methoden mehr kritische Stimmen als zuvor benötigt. Sarma, der auch zum international arbeitenden Committee for Skeptical Inquiry (CSI) gehört, erklärt worüber er lachen kann und warum sich skeptisches Denken schon in der Jugend und im Alltag trainieren lässt. Er und viele andere Skeptiker lassen sich demnächst bei der Skeptiker-Konferenz “Fakt und Fiktion” in Wien treffen.

 

“Wir lachen nicht, wenn es ein wirklich Glaubender ist”

Ein Interview von Arik Platzek (für wissenrockt.de)

Beispielbild
Amardeo Sarma (3.v.l.) Foto: CSI 

War die letzte 10^23-Kampagne zur Homöopathie ein Erfolg?

Sarma: Ja, es war ein Erfolg. Wir konnten weltweit mit einer gemeinsamen Aktion aufgetreten und das Thema in den Vordergrund stellen. Wir konnten darstellen, was Homöopathie wirklich ist, im Gegensatz zum Image der Homöopathie. Im letzten Jahr gab es ja schon 10^23 Aktionen, aber in diesem Jahr war es globaler und gerade in Deutschland konnten wir Menschen in vielen Städten für eine Teilnahme mobilisieren. Es war auch mit Blick nach außen der Erfolg, der aus realistischer Sicht zu erreichen war. Wir sind zufrieden.

Ein Mitglied meiner Familie, bar jeder abergläubischen Sozialisation, berichtete kürzlich glaubhaft von großartigen Therapieerfolgen mit traditioneller chinesischer Medizin. Muss ich mir Sorgen machen?

Amardeo Sarma: Tatsächlich besteht oft der subjektive Eindruck von großen Erfolgen. Es ist ein Ergebnis der Evolution und unserer Wahrnehmung. Und das ist nicht neu! Wenn man die Tradition der europäischen Medizin wie etwa den Aderlass betrachtet, stellt man ja fest, dass der Glauben an den Erfolg bei Ärzten und Patienten rund mehr als 1000 Jahre lang gehalten hat. Viele glauben, dass eine Therapie hilft. Die Frage, ob das wirklich so ist, kann man nur in sauberen, objektiven, so genannten Doppelblindversuchen klären: Ist es nur ein anderes Gefühl oder hat es wirklich eine Änderung am Krankheitszustand gegeben? Bei vielen alternativmedizinischen Behandlungsmethoden lässt sich immer wieder feststellen, dass es keine über den Placebo-Effekt hinausgehenden Effekte gibt. Dass der Einzelne beeindruckt ist und meint, dass er oder sie geheilt worden ist, kann verschiedene Ursachen fern jeglicher medizinischer Wirkung haben. Wenn es innerhalb der regulären Schwankungen einer vielleicht chronischen Krankheit einem dann wieder besser geht, neigen Menschen dazu, ihre Lieblingsbehandlung als die entscheidende anzusehen, auch wenn sie nur Begleitmusik einer Genesung gewesen ist.

Die Frage ist noch offen. Wie geht man als skeptischer Mensch an solche Beschreibungen am besten heran, wenn man auch um die problematischen Aspekte dieser nicht schulmedizinischen Therapien weiß?

Sarma: Sofern es zu der speziellen Methode, die angewandt wurde, Untersuchungen gibt, kann man darüber informieren. Und wenn jemand unbedingt an alternativmedizinischen Behandlungen festhalten will, kann man zumindest darauf hinwirken, dass eine notwendige reguläre Behandlung nicht versäumt wird. In einem solchen Versäumnis stecken gesundheitliche Risiken bis hin zum Tod. Und darüber hinwegsehen kann man nur so lange, wie eine alternativmedizinische Behandlung – siehe Aderlass – nicht selbst schädlich ist.

Gerade wurde sowohl über traditionelle wie auch über alternativmedizinische Behandlungsmethoden gesprochen. Ist es ein Problem, wenn zwischen den verschiedenen Bereichen nicht ausreichend stark differenziert wird? Vielfach ist zu beobachten, dass traditionelle wie etwa naturheilkundliche und alternative – Beispiel Homöopathie – Ansätze einfach miteinander vermischt werden. Müsste man da nicht klarer trennen?

Sarma: Ja, wir sollten trennen, aber anders. Anstatt verschiedene Etiketten in den Vordergrund zu stellen, sollte man zwischen wirksamer Medizin und Methoden oder Produkten, die eine Wirksamkeit nur vortäuschen, unterscheiden. Sobald sich die tatsächliche Wirkung einer vorher alternativmedizinisch genannten Behandlung belegen lässt, gehört das zur Medizin. Punkt! Die Auseinandersetzung sollte sich nicht um die Frage drehen, ob es „konventionelle“, „traditionelle“ oder „alternative“ Medizin ist. Entscheidend ist, ob die Wirksamkeit belegt ist. Das sollte im Mittelpunkt stehen, nicht die Marketing-Etiketten. Es gibt auch unter den sogenannten traditionellen Verfahren wirksame Mittel, die aber längst Teil der sogenannten „Schulmedizin“ geworden sind. Wenn man erkennt, dass etwas funktioniert, dann benutzt man es einfach.

Vorausgesetzt, man hat sich soweit wie möglich über Wirksamkeiten informiert. Wo sollte man trotzdem nochmal aufmerksam werden, wenn ein Familienmitglied große Begeisterung für nicht schulmedizinische Therapien entwickelt hat?

Sarma: Die Gefahr besteht einerseits darin, dass die alternativen Methoden überschätzt werden. Wer Familienmitglieder hat, sollte immer wieder auf die fehlende Wirksamkeit hinweisen. Vielleicht werden sie irgendwann nachdenklich. Wir sollten auch nicht vergessen, dass manche Methoden Stoffe verwenden, die eine meist ungeprüfte pharmakologische Wirkung haben. Es ist nicht immer wie bei der Hochpotenz-Homöopathie, welche soweit verdünnt ist, dass da nichts mehr drin ist. Eine vorhandene pharmakologische bzw. biologische Wirkung muss nicht unbedingt positiv sein, nur weil das Etikett „natürlich“ drauf steht. Auch in der traditionellen chinesischen oder indischen Medizin werden Substanzen eingesetzt, die gefährlich sind.

Welche denn?

Sarma: An Aristolochia in chinesischen Tees sind Frauen an Nierenversagen gestorben. Ayurvedische Zubereitungen können gefährliche Schwermetalle beinhalten. Wichtig ist, hier zu differenzieren. Wenn es sich wirklich um unschädliche Dinge handelt und sich jemand besser fühlt, kann man solche Behandlungen auch gelassener angehen.

Also muss ich mir keine Sorgen machen?

Sarma: Nur wenn die alternativmedizinische Behandlung selbst nicht gefährlich ist und es zu keinem Versäumnis einer notwendigen Behandlung kommt.


Was sind außer der Homöopathie gerade noch die populärsten Themen auf dem Markt der Para- und Pseudowissenschaften? Wobei ich natürlich der Alternativmedizin nicht per se Pseudowissenschaftlichkeit unterstellen kann.

Sarma: Die Unterscheidung Schulmedizin und Alternativ- bzw. Komplementärmedizin halte ich für falsch. Wir sollten vielmehr zwischen Verfahren und Produkten mit belegter Wirksamkeit und solche ohne objektiv belegte Wirksamkeit unterscheiden. Erstere gehört zur Medizin, letztere zum Humbug. Das Etikett, oft für Marketingzwecke verwendet, ist unerheblich.
Auch außerhalb der sogenannten Alternativmedizin gibt es einerseits eine ganze Reihe von Themen, die immer wieder kommen und gehen. Dazu gehören UFOs und diverse Verschwörungstheorien. Andererseits sind manche Dauerbrenner, wie der Kreationismus, Erdstrahlen oder Astrologie. Kreationismus ist in Europa noch kein großes Problem, im angelsächsischen Raum wie in den USA schon. Ich sehe aber neuerdings auch Tendenzen, dass der Kreationismus zu uns herüber schwappt. Nicht nur aus Richtung des christlichen, sondern auch des islamischen Fundamentalismus. Wo genauso gegen die Evolution gewettert wird, beispielsweise in England oder Belgien. Das ist auf europäischer Ebene ein Problem, dessen weitere Entwicklung man sorgfältig beobachten muss.

Seit auch der Papst am Anfang des Jahres klargemacht hat, dass die katholische Kirche den Kreationismus und die biblischen Schöpfungsmythen als Lehren ablehnt, müsste das Thema in Europa doch eigentlich vom Tisch sein.

Sarma: Bei kreationistischen Thesen gibt es keine offizielle Unterstützung seitens der katholischen oder evangelischen Kirche, und das ist gut so. Es gibt aber immer wieder Personen, wie die ehemalige hessische Kultusministerin Karin Wolff oder den früheren Ministerpräsidenten in Thüringen, Althaus, die eine gewisse Neigung dafür gehabt und auch Vertreter des Intelligent Design zu Diskussionen geholt haben. Ein anderer relevanter Aspekt ist, dass im Religionsunterricht die Schöpfungsmythen früh im prägenden Alter gelehrt werden. Wenn es dann im Biologieunterricht zum Thema Evolution kommt, sind die Schüler in der achten, neunten oder zehnten Klasse. Für Schüler wird es dann sehr schwer, Evolution und den Glauben an eine Schöpfung miteinander zu vereinbaren und den Unterschied zwischen dem Schöpfungsglauben im biblischen Sinne und dem Kreationismus oder dem „Intelligent Design“ nachzuvollziehen. Kinder haben ein natürliches Interesse an Themen wie der Evolution. Warum nicht damit schon in der Grundschule darüber berichten, über die gemeinsame Abstammung von Menschen und Schimpansen, und zu Museen mit Dinosauriern und Neanderthalern gehen? Kinder lieben Dinosaurier!

Woran erkennt man denn, welches Thema gerade im Kommen ist? Ein persönlicher Indikator von mir war zu schauen, was in der aktuellen P.M.-Ausgabe geschrieben wird. Es ist eine sehr subjektive Einschätzung. Wie misst man, wo grad der größte Unsinn grassiert?

Sarma: (lacht) Neben der Alternativmedizin ist in Europa auch die Astrologie immer noch ein relativ großes Problem. Hier gibt es ja inzwischen sogar Dauerfernsehsendungen mit wirklich unmöglichen Inhalten. Horoskope, quasi als Einstiegsdroge, finden sich ebenfalls in zahllosen Zeitungen und Magazinen. Für viele ist es ja zunächst nur eine Art Spaß, aber es kann schon problematisch werden. Wenn Menschen beispielsweise ihre Lebensentscheidungen danach richten, wie bei der Frage „Soll ich meinen Freund oder meine Freundin verlassen oder nicht?“ So sind auch Beziehungen durch Astrologie zu Bruch gegangen. Oft wird da nicht drüber gesprochen, weil es sehr stark den persönlichen Bereich berührt. Im Beruf, in der Liebe oder beim Geld lassen sich nicht wenige Menschen von astrologischen Prognosen oder auch anderen dubiosen Praktiken leiten. Astrologie ist immer noch ein Dauerbrenner, der offiziell nicht wahrgenommen beziehungsweise ignoriert wird, aber in der Bevölkerung weit verbreitet ist.


Was wird denn in der Politik überhaupt wahrgenommen?

Sarma: Ein Bereich, der in problematischer Weise sehr weit in die Politik hineinragt, ist die Alternativmedizin. Da geht der Glaube bis zu Entscheidungsträgern und Berufsverbänden der Ärzteschaft. Das hat dann natürlich eine ganz andere Qualität als etwa die Astrologie, die von vielen immer noch als Kuriosität oder als Parawissenschaft angesehen wird.

Was ist in dem Fall mit Alternativmedizin gemeint? Das ist wieder ein Wort, das ja für unterschiedliche Konzepte verwendet wird.

Sarma: Wenn wie bei der sogenannten Alternativmedizin die Beweislage schlecht ist, werden andere Verfahren zur Anerkennung eingeschlagen. Im Bereich der Homöopathie und Anthroposophie sah man ein, dass man nach wissenschaftlichen Kriterien nicht weiter kommt. Also hat man hier eine Welt für sich geschaffen, in der es den Vertretern der jeweiligen Methoden gestattet wurde, selbst nach Gutdünken über eine Registrierung zu entscheiden. Eine verlässliche, wissenschaftliche Vorgehensweise wird aufgehoben. Therapien und Produkte werden ohne objektive Tests auf den Markt gebracht. Das ist, als ob bestimmte Fahrzeughersteller ein Sonderrecht erhalten, ihre eigenen Tests für ihre Fahrzeuge zu entwickeln und anzuwenden.


Die Homöopathie war im letzten Jahr sicherlich ein Dauerbrenner. Kann es sein, dass man hier einen bestimmten Bereich akzeptieren muss und der Glaube an die wirkstofflosen Zuckerkügelchen sich nicht aus der Welt schaffen lässt? Wie gehen Skeptiker mit solchen möglicherweise ubiquitären Phänomenen um?

Sarma: Es wird sicher immer Verkehrsunfälle, Kriminalität oder andere problematische Dinge geben. Das heißt doch nicht, dass man nichts tut! Es ist unser Anspruch, in unseren Themenbereichen mit Informationen und der Popularisierung von wissenschaftlichen Methoden aufzuklären. Auch wenn wir wissen, dass nicht alle unsere Informationen oder das kritische Denken als Verfahren annehmen werden. Derzeit versuchen wir vor allem im Bereich der Homöopathie ein Defizit auszugleichen, das in der Öffentlichkeit besteht. Viele halten sie einfach für Natur- oder pflanzliche Mittel und meinen, dass das gesamte Thema völlig harmlos ist. Wir weisen darauf hin, was hinter dem Ganzen steckt und was beispielsweise auch Erfinder wie Samuel Hahnemann selbst gesagt haben. Da geht es eben nicht um pflanzliche Inhaltsstoffe, sondern vielmehr um das Simile-Prinzip oder das Prinzip der Verdünnung. Und in Vorträgen habe ich immer wieder gemerkt, dass viele Menschen dies nicht wissen. Sie glauben, Homöopathie sei schlicht Naturmedizin. Und sind ganz erschrocken, wenn sie erfahren, dass auch gefährliche Substanzen wie Arsen, Quecksilber oder Sprengstoff verwendet werden. Eine Tatsache, die für sie überhaupt nicht zum Marketing-Image passt. Und da müssen wir immer wieder klarmachen, was Homöopathie wirklich ist und warum man sich nicht vom Marketing blenden lassen soll.


Gibt es noch weitere Argumente?

Es wird immer wieder behauptet, dass Homöopathie wirkt. Wie kommt es dann, dass, wenn man die Tests der letzten 30 Jahre in ihrer Gesamtheit betrachtet, keine über den Placebo-Effekt hinausgehende Wirksamkeit schlüssig nachgewiesen werden konnte? Die Homöopathie ist nicht nur aus theoretischer Sicht – von den Thesen der Befürworter ausgehend – unplausibel. Sie ist auch in der Praxis gescheitert. Hinzu kommt: Während zumindest die Hochpotenzen tatsächlich ungefährlich sind, weil sie soweit verdünnt sind, dass da kein Molekül mehr drin ist, werden viele Mittel auch in Niedrigpotenzen verkauft. Bei Potenzen wie D3 oder D6 können durchaus Stoffe enthalten sein, die nicht mehr unbedenklich sind.

Um die Homöopathie hat sich mittlerweile eine Industrie aufgebaut. Nach den mir bekannten Zahlen werden damit weltweit zwei Milliarden Euro umgesetzt, die Hälfte davon in Europa. Ein geringer Anteil wurde von Ärzten verschrieben, der überwiegende Konsum geht auf selbstgekauften Verbrauch zurück. Warum fühlen sich eigentlich die Skeptiker in erster Linie für die Aufklärung verantwortlich? In der Zigarettenindustrie läuft es anders, denn da werden die entsprechenden Unternehmer und Verbraucher über Steuern herangezogen, um über die Risiken und Nebenwirkungen aufzuklären. Auf den Verpackungen könnten beispielsweise deutliche Hinweise auf den Mangel an wissenschaftlichen Belegen über die Wirksamkeit angebracht werden.

Sarma: Wenigstens wurde erreicht, dass bei den homöopathischen Mitteln keine Indikationen mehr angegeben werden können. Das würde im Übrigen ihren eigenen Thesen widersprechen, nachdem jeder Mensch individuell angepasste Mittel braucht. Dennoch wird dieses Verbot, Indikationen anzugeben, oft durch begleitende Informationen umgangen. Leider haben sich viel zu viele – auch Ärzte- und Pharmaverbände – längst mit den Homöopathen arrangiert. Außer Skeptikern halten nur noch einige Scienceblogs und Wissenschaftsjournalisten dagegen. Die Berufsverbände haben schlicht und einfach versagt. Wir fragen uns manchmal auch, warum wir die Arbeit machen müssen. Innerhalb der Ärzteschaft und bei den medizinischen Fachverbänden müsste es Gruppen geben, welche hier Aufklärung als Selbstreinigungsprozess betreiben. Diese wird aber liegengelassen, weil sich die einen die Hände nicht schmutzig machen wollen und andere sich mit den betreffenden Alternativmedizinern arrangiert haben. Dabei hat das Geschäft mit alternativer Medizin mittlerweile so große Ausmaße angenommen, dass kritische Stimmen mehr als je zuvor gebraucht werden.

Dass bei Politikern gegenüber Alternativmedizin kein ausreichendes Problembewusstsein vorhanden ist, wurde ja deutlich. Müssten Skeptiker nicht also selbst politischer agieren? In Großbritannien gab es einen Versuch, homöopathische Mittel gesetzlich verbieten zu lassen. Soweit bekannt, ist er gescheitert. Wäre es also aus Sicht der Skeptiker nicht sinnvoller, auf eine gesetzliche Verankerung einer Kennzeichnungspflicht oder einer Abgabe zu drängen, von denen die Aufklärung über dieses Thema dann betrieben werden kann? Hier könnte man den Vergleich zur Zigarettenindustrie sehen.

Sarma: Für uns stehen Information und eine richtige Kennzeichnung im Vordergrund, nicht Verbote. Und wir fordern seit vielen Jahren Verantwortliche dazu auf, sich an strikte Regeln zur Sicherung der Qualität zum Wohle der Verbraucher und Patienten zu halten. Wenn etwas keine Medizin ist, soll man es auch nicht als Medizin verkaufen dürfen. Wenn etwas dagegen als Lebensmittel oder Nahrungsergänzung verkauft werden soll, müssen auch die jeweiligen Bestimmungen eingehalten werden.

Bisher haben wir versucht, das Thema auf europäischer Ebene hervorzuheben. Denn es existiert hier ein einzigartiges Phänomen: Da gibt es Regeln für den Verbraucher- oder Patientenschutz, nur im Bereich der homöopathischen und anthroposophischen Medizin gibt es Ausnahmen, wo die gleichen Kriterien nicht mehr gelten. Wir haben das häufiger politisch kritisiert und fordern die Rücknahme solcher Ausnahmen. Es verstößt nicht nur gegen die Idee des Verbraucher- und Patientenschutzes. Es ist auch unfair, wenn bestimmte Gruppen da einfach eigene Regeln aufstellen können und wir sehen das als einen unerhörten Vorgang. Trotzdem stellen wir weiterhin die sachliche Information und wissenschaftliche Auseinandersetzung in den Vordergrund und verlangen von der Politik eine Reaktion, wenn Methoden undVerfahren wissenschaftlich nicht mehr ganz sauber sind.

Vor kurzem hatte ich mit einer Tierärztin Kontakt, die hier sehr aufgeklärt erschien. Ich fand im Gespräch heraus, dass sie über die Hintergründe von Homöopathie informiert ist. Sie ist nun der Situation ausgesetzt, dass Menschen dort ihre tierischen Patienten hinbringen und aktiv entsprechende Mittel verlangen. Sie erklärte, dass sie es als Tierärztin aufgrund des Geisteszustandes der Kunden nicht schaffen würde, diese aufzuklären. Trotzdem muss sie diese als Patienten halten und fügt sich in das System. Da ergibt sich ein viel größerer Rahmen für die Aufklärung als das, was die GWUP derzeit bewerkstelligen kann.

Sarma: Zunächst finde ich erfreulich, dass die Tierärztin gut Bescheid weiß. Wenn da solche Patienten kommen, muss man natürlich diplomatisch vorgehen. Trotzdem kann man auch sehr überzeugte Kunden vorsichtig für ein langfristig angesetztes Umdenken mit Informationen versorgen. Bei den anderen Spezies gilt natürlich das Gleiche, wie für uns Homo Sapiens: keine notwendige Therapie versäumen.

Ab und zu kursiert die Meinung von einem Versagen der wissenschaftlichen Community gegenüber solchen und vergleichbaren Pseudowissenschaften. Ist da etwas dran?

Sarma: Ja, das sehe ich so. Auf der einen Seite – siehe Medizin – sind viele Wissenschaftler einfach nicht konsequent und machen zum Teil sogar mit – obwohl sie wissen, dass da nichts dran ist oder um ihren Kollegen nicht in die Suppe zu spucken. Viele, die es wissen müssten, nehmen aber auch nicht ihre Verantwortung gegenüber der Allgemeinheit war. Im Prinzip bräuchte man die GWUP überhaupt nicht, wenn die Universitätsprofessoren und Verbände ihre Aufgaben erledigen würden. Wir versuchen diesen Mangel als Teil der wissenschaftlichen Community auszugleichen, sozusagen als Müllmänner und Müllfrauen der Wissenschaft.

Es gibt trotzdem einen erheblichen Wettbewerbsnachteil, wenn man mit wissenschaftlichen und wissenschaftlich begründbaren Methoden gegen unbegründete und unbegründbare Theorien vorgehen möchte. Einiger Hokuspokus ist leicht erfunden. Und zu Hokuspokus jedes Mal sorgfältig eine Doppelblindstudie aufzuziehen, ist doch ein riesiger strategischer Nachteil.

Sarma: Sie haben recht: Ein normales Medikament ist sehr intensiven Prüfungen unterworfen. Auch wenn hier immer mal wieder etwas schief geht, wird da sehr viel investiert, bevor etwas auf den Markt gebracht werden darf. In vielen alternativmedizinischen Bereichen ist das nicht der Fall und die Produkte gehen direkt in den Markt. Da sagt man, es sei traditionell bereits belegt und dabei macht die Politik auch mit. Hier haben sie einen großen Vorteil. Aber auch bei der Förderung von kritischem Denken haben wir große Defizite. Wir versagen hier auch in der Schule, wenn sogar in den Naturwissenschaften von oben herab Fakten und nicht die Methoden gelehrt werden, mit denen man zu dieser Erkenntnis gelangt ist. Wie stelle ich fest, ob etwas nicht nur in einem Lehrbuch steht, sondern ob es auch zutreffend ist? Diese kritische Auseinandersetzung – beispielsweise auch mit Zeitungsartikeln – gibt es zu wenig.


Wie könnte man sich das vorstellen?

Sarma: In der Ingenieursschule in Grenoble gab es beispielsweise einen schönen Versuch mit dem Mondglauben. Es kursiert ja unter Hebammen der Spruch, bei Vollmond würden mehr Babys geboren. Da setzt man sich nun mit einer Schülergruppe zusammen und überlegt, wie diese Aussage geprüft werden kann. Und hier geht es nicht darum, eine Antwort zu geben, sondern den Schülern die Gelegenheit zu geben, selbst die Antwort herauszufinden. Man könnte zum Beispiel in ein Krankenhaus gehen und versuchen, Daten zu bekommen, um zu prüfen, ob statistisch gesehen mehr Babys bei Vollmond geboren werden. Das Verständnis dafür, Aussagen nicht einfach so aufzunehmen, sondern erst zu prüfen, könnte durch diese Experimenten verbessert werden. So etwas kann ja auch Spaß machen. Experimente sind ja nicht nur in der Physik oder Chemie möglich, sondern auch mit solch stark verbreiteten Meinungen. Eine andere Möglichkeit wäre die Legende von Freitag dem 13., wo man bei der Polizei mal nachfragen könnte. Diese grundsätzliche Denke ist in uns allen zu wenig verankert. Damit kann man nicht früh genug anfangen und darum ist es auch seit langem eine unserer Forderungen: Kritisches Denken frühzeitig in der Schule zu trainieren. Aber vermutlich ist es nicht in jedermanns Interesse, dass die Kinder frühzeitig mit kritischem Denken beginnen. Aus welcher Interessenslage es hier Gegenwind gibt, kann man sich ja denken!

Nun sprechen wir schon über Schulen. Wie sieht es denn an den Hochschulen aus? In anderen Ländern gibt es hier Skeptiker-Hochschulgruppen, in Deutschland nicht. Woran liegt es?

Es ist bedauerlich, aber offenbar organisieren sich die Skeptiker hier an den Hochschulen noch nicht. Wir wollen uns aber nicht beklagen, denn wir haben viele engagierte junge Leute, allerdings in Regionalgruppen und nicht in Hochschulgruppen. Schöner wäre es, wenn sich insgesamt mehr Frauen für die Skeptiker interessieren würden, aber dafür haben wir einige sehr engagierte Frauen, die Regionalgruppen leiten. Unser erster Präsident war Frau Professor Oepen und Inge Hüsgen ist unsere derzeitige Skeptiker-Redakteurin.

Grundsätzlich gibt es ja viele rational denkende Menschen. Was hat es nun für Vorteile, ein Skeptiker zu sein?

Sarma: Als Skeptiker hat man den Vorteil, dass man die Realität besser einschätzt und nicht dem eigenen Wunschdenken zum Opfer fällt. Wenn es drauf ankommt, und das gilt auch im persönlichen Leben, werden wir eher in der Lage sein, Entscheidungen zu unseren Gunsten zu treffen. Wenn man die Skepsis richtig anwendet, bewahrt man sich vor vielen Enttäuschungen und kann die reale Welt annehmen, wie sie ist.

Man könnte häufiger den Eindruck haben, das Dasein für Skeptiker ein sehr mühseliges Geschäft ist. Sie sind schon ziemlich lange aktiv, können also ein Urteil abgeben. Und stimmt da der Eindruck oder macht es auch Spaß, Skeptiker zu sein?

Sarma: Beides ist richtig. Manche Dinge sind mühselig. Man arbeitet 30 Jahre an einer Sache und sieht, es hat sich immer noch nicht viel geändert. Andererseits bringt uns unser Engagement etwas für unser Leben. Durch das kritische Denken und die Fähigkeit zum richtigen Hinterfragen lässt sich viel gewinnen. Mitglieder bestätigen, dass sie durch das Engagement auch im wissenschaftlichen Berufsweg gelernt haben, falsche Argumentationen eher aufzuspüren und weniger anfällig dafür zu werden, auf den Holzweg zu gelangen. Wir lernen nicht nur etwas über die behandelten Themen sondern auch darüber, wie Menschen mit diesen Themen umgehen – sowohl im positiven wie auch im negativen Sinn. Das ist eine dauernde Lernerfahrung, die sehr spannend ist. Neben Dauerbrennern wie Alternativmedizin und Astrologie gibt es auch immer wieder Dinge, die geradezu skurril sind. Denken wir hier an Global Scaling, Chemtrails beziehungsweise andere Verschwörungstheorien. Bei alldem sollte man als Skeptiker vor allem den Humor nicht verlieren.

Im Bereich der Religionskritik gibt es immer wieder Dinge, über die man lauthals lachen kann. Ein Beispiel war für mich der aktuelle Papst, welcher Anfang des Jahres öffentlich noch einmal seine Überzeugung bekräftigt hatte, den Urheber des gesamten Universums zu vertreten. Wo lachen denn Skeptiker?

Sarma: Naja, es existieren viele absurde Phänomene und Humor kann befreiend wirken. Aber schauen Sie mal auf Gläubige wie Wünschelrutengänger. Da sind viel Einfühlungsvermögen und Fingerspitzengefühl nötig, wenn wir ihre Methode testen und wieder einmal erklären müssen, dass der Versuch die Prüfung wieder nicht bestanden hat. Wir lachen nicht, wenn unser Gegenüber ein wirklich Glaubender ist. Das kommt eher bei Leuten vor, die es eigentlich besser wissen müssten – wie akademische Vertreter der Homöopathie.

Also da ist auch Mitleid für die Menschen, die es voll echter Überzeugung praktizieren?

Sarma: Eher Mitgefühl. Wir sind auch traurig, dass sie es nicht besser wissen. Allerdings ist dabei die Aussicht, eine Meinungsänderung herbeiführen zu können, vielfach extrem gering. Die meisten der praktizierenden Wünschelrutengänger glauben so stark, dass sie mit diesem Glauben vermutlich ins Grab gehen werden. Wir konzentrieren uns aber weder auf diese Gläubigen noch auf die schon weitestgehend rational denkenden Menschen. Am stärksten bemühen wir uns um diejenigen, welche noch auf ihrer Suche nach Antworten sind. Wenn wir denen kritische Informationen zur Verfügung stellen können, die sie mit den Informationen der anderen Seite vergleichen können, dann haben wir eine ganze Menge erreicht. Außerdem kann niemand mehr sagen, man habe es nicht anders gewusst. Ich sehe hier einen Unterschied zu der Zeit vor der GWUP und der Skeptiker-Bewegung. Heute sind die kritischen Informationen da, wir bieten sie an. Wenn einer unbedingt dran glauben möchte, der soll es tun. Aber er kann sich nicht mehr der Ausrede bedienen, er hätte es nicht besser wissen können.


Woran erkennt man einen Skeptiker eigentlich?

Sarma: (lacht) Ein Skeptiker ist jemand, der nachfragt, wenn etwas behauptet wird und sich auch durchaus überzeugen lässt – wenn die Fakten stimmen. Falls nicht, wird er seinen Zweifel aufrecht erhalten. Das ist ein Teil dessen, was einen Skeptiker ausmacht. Was ein Wissenschaftler in der Wissenschaft macht oder machen sollte, machen Skeptiker auf breiterem Feld. Kritisches Prüfen und Erforschen nicht nur spezieller Sachverhalte, sondern auch von alltäglichen Behauptungen.

Wann haben Sie zuletzt gemerkt, so richtig daneben zu liegen? Also nicht nur einen Allerweltspatzer im Irrtum zu finden, sondern einem intellektuell schon fast schmerzhaften Aberglauben aufgesessen zu sein und festgestellt, selbst nicht skeptisch gedacht zu haben?

Sarma: So ein Ereignis war eine der Ursachen, warum ich mit zu den Skeptikern gekommen bin und die GWUP mit gegründet habe. In meiner Jugend habe ich sehr gern Bücher von Autoren wie Erich von Däniken oder Charles Berlitz verschlungen, man denke an „Das Bermuda Dreieck – Fenster zum Kosmos“. Ich habe mich sehr stark für alles Wissenschaftliche, vor allem für Astronomie und Evolution, interessiert.

Und die Ausführungen der Autoren schienen zunächst mal plausibel. Später habe ich gemerkt, dass es durchaus Kritik daran gab und stellte fest, dass die Beweislage für Däniken & Co. sehr dünn war. Im Fall von Berlitz’ „Bermuda-Dreieck“ war ich dann von einem Buch von Lawrence Kusche beeindruckt, in dem ich akribisch alle Fälle des sonderbaren Verschwindens von Schiffen und Flugzeugen überprüft vorfand. Da ist mir klar geworden, dass weder die Legende vom Bermuda-Dreieck noch die Thesen von Däniken stimmen. Ich fand es gut, dass es Bücher wie „The Bermuda Triangle Mystery – Solved!“ von Lawrence Kusche gab. Bevor ich Skeptiker wurde, bin ich schon in einigen Punkten reingelegt worden und habe die Notwendigkeit entdeckt, eine Meinung zu ändern – wenn die Fakten stimmen. Und ich wollte dazu beitragen, dass Interessierte Zugang zu kritischen Informationen wie zum Thema Bermuda Dreieck haben.

Die Geschichten von Däniken sind ja lange Zeit sehr populär gewesen und knüpften auch vielfach an den Wunsch nach großen Geschichten und Mythos. Sehen Sie eine Möglichkeit, diese Wünsche nach Mythos in einer wissenschaftlich plausiblen Weise aufzugreifen?

Sarma: Ja, das halte ich für sinnvoll und es geschieht auch. Science-Fiction-Romane, die ich auch als Kind sehr viel gelesen habe, sind ein gutes Beispiel. Heute finde ich leider nicht mehr so viel Zeit dazu. Science Fiction ist eine hervorragende Möglichkeit, egal ob ganz populär wie Star Trek oder anspruchsvoll wie die Romane von Isaac Asimov. Da kann man seiner Phantasie freien Lauf lassen. Bücher von Harry Potter oder Herr der Ringe können natürlich auch sehr unterhaltsam sein und man soll sie mit Freude lesen können. Wie auch Donald Duck und Superman. Nur sollte man Fiktion in der Form eines Films, eines Romans oder von Comics von der Realität unterscheiden können.

Herr Sarma, herzlichen Dank für das Interview.

(Mit freundlicher Genehmigung von wissenrockt.de)