USA. (hpd) Der Mai brachte viele tiefgreifende Veränderungen mit sich. Osama bin Laden, Chef der Terrorgruppe al-Qaida, wurde in Pakistan aufgespürt und getötet, während US-Präsident Barack Obama in Folge der Aufstände in der arabischen Welt eine gesamte Nahostpolitik neu überdenkt. Beides führte zu scharfen Reaktionen der Christlichen Rechten.
Ein wahrhaft historischer Moment: Zu Beginn des Monats drang ein Trupp der Navy Seals in Pakistan ein, landete in Abottabad und tötete den islamischen Terroristen Osama bin Laden. Der gelungene Einsatz kann wohl zu Recht als Obamas erster großer außenpolitischer Erfolg angesehen werden. Lob kam nicht nur aus dem eigenen Lager, sondern auch vom politischen Gegner. Obamas Vorgänger, George W. Bush, seine Herausforderer aus dem Jahr 2008 John McCain und Mitt Romney sowie sein Gegenspieler im Kongress, John Boehner, gratulierten dem US-Präsidenten zur Ausschaltung Osama bin Ladens.
Das heißt jedoch nicht, dass sich die Christliche Rechte sowie die Tea Party, obwohl beide islamophob, diesem Lob anschlossen. Der Radiomoderator Rush Limbaugh attackierte Präsident Obama dafür, dass er die Politik seines Vorgängers kritisiert und somit die Aufspürung bin Ladens verzögert hatte. (Quelle)
Sarah Palin zeigte sich zwar erfreut über das Gelingen der Aktion, aber dankte nur Präsident Bush, und nannte Obama eine „Pussy“ (in diesem Kontext: „Schlappschwanz“), weil er die Bilder des getöteten Terroristen nicht veröffentlichen wollte.. Mike Huckabee hieß bin Laden herzlich in der Hölle willkommen.
Chuck Pierce erklärte nachträglich, dass ihm Gott bereits zuvor mitgeteilt hatte, dass Osama bin Laden Gerechtigkeit widerfahren würde. (Quelle 1) (Quelle 2) (Quelle 3) (Quelle 4)
Der einflussreiche Tea-Party-Aktivist Judson Phillips zeigte sich zwar über den Ausgang der Operation erfreut, hatte jedoch trotzdem etwas zu meckern. Die Bestattung bin Ladens hätte nicht nach islamischem Recht erfolgen dürfen. Stattdessen hätte man den Leichnam mit Schweinefett einreiben sollen, um sicherzustellen, dass den Terroristen keine 72 Jungfrauen im Paradies erwarteten. Ebenso solle man gefangenen Terroristen solange nur Schweinefleisch zu essen geben, bis sie endlich gestehen. Außerdem habe Obama den Einsatz nur befohlen, um seine Wiederwahl zu sichern, nicht weil ihm das Wohl der Amerikaner etwas bedeute. Daher habe er die Meldung vom Tod bin Ladens während der Sendung seines Herausforderers Donald Trump verbreitet. (Quelle)
Einige Tage später revidierte Phillips seine Einschätzung jedoch aufgrund „neuer Erkenntnisse“. Angeblich habe das Militär die Ausschaltung bin Ladens auf eigene Faust beschlossen und das Weiße Haus erst während der laufenden Operation informiert. Man dürfe der „Propaganda des Obama-Regimes“ nicht trauen. Obamas angespannter Blick auf dem mittlerweile weltberühmten Foto aus dem Situation Room, sei in Wirklichkeit die Verärgerung über den Alleingang der Navy Seals. Ebenso sei der Ausfall der Videoübertragung der Helmkameras sicher kein Zufall. Und zu guter Letzt sei Obamas Gesichtsausdruck während der Bekanntgabe der Tötung des Terroristen Beweis genug – er hätte erleichtert lächeln müssen. (Quelle)
Das kreationistische Discovery Institute überraschte mit einem besonderen Angriff auf die Evolutionstheorie. Die Leiche Osama bin Ladens sei über einen Abgleich seiner nichtkodierenden DNS mit der seiner verstorbenen Halbschwester verglichen worden. Dies widerspreche aber fundamental Darwins Aussagen. Wieso gebe es Erbmaterial, das keinen tieferen biologischen Sinn als die Identifikation toter Körper habe? (Quelle)
Der Tod bin Ladens bedeutet jedoch nicht, dass die Verschwörungstheoretiker, die vor dem Islam warnen, innehalten. Actionstar Chuck Norris warf Präsident Obama vor, auf eine Einführung der Scharia-Gesetzgebung hinzuarbeiten und sah Indizien dafür in dessen Ansprache an die islamische Welt. Frank Turek sagte im Gespräch mit Bryan Fischer, dass sich Schwule und Moslems verbündet hätten, um gemeinsam die freie Meinungsäußerung in den USA zu untergraben. Blanker Hohn angesichts der Unterdrückung Homosexueller im Islam. (Quelle 1) (Quelle 2)
Die Tötung bin Ladens sowie die Aufstände in der arabischen Welt waren für Obama Anlass genug die gesamte Nahostpolitik zu überdenken. In einer vielbeachteten Rede, die zu Verstimmungen zwischen Washington und Jerusalem führten, forderte er die Konfliktparteien erneut zu Verhandlungen auf. Obama forderte Hamas und Fatah auf, endlich das Existenzrechts Israels anzuerkennen. Die palästinensische Seite lehnt bislang jeden Kompromiss ab und verlangt das gesamte israelische Territorium für einen eigenen Staat. Ebenso forderte Obama, dass ein palästinensischer Staat sich am Grenzverlauf von 1967, also dem Stand vor dem Sechs-Tage-Krieg, orientieren solle.
Wie zu erwarten war, führte dies zu Protest der Christlichen Rechten, die sich selbst als zionistisch versteht. Der Abgeordnete Allen West warf Obama Heimtücke vor und stellte den Verhandlungsweg im Nahostkonflikt auf eine Stufe mit dem Appeasement-Kurs zwischen Neville Chamberlain und Adolph Hitler(sic!). Mat Staver vom Liberty Counsel und die republikanische Abgeordnete Michelle Bachmann warnten, dass Obamas neuer Kurs in einem Fluch für Amerika resultieren würde. Beide begründeten ihre Ansicht mit Genesis 12.3: „Und ich will segnen, die dich segnen, und wer dir flucht, den werde ich verfluchen; und in dir sollen gesegnet werden alle Geschlechter der Erde!“ (Quelle 1) (Quelle 2) (Quelle 3)
Gary Bauer, ein christlicher Zionist, bezeichnete die Forderung nach Gebietsabtretungen an die Palästinenser als „Todesurteil“, während ein Rabbi auf einer Pressekonferenz der neugegründeten „Israel you are not alone“-Kampagne von „ethnischen Säuberungen“ sprach. (Quelle 1) (Quelle 2)
Chuck Pierce erinnerte sich an eine Prophezeiung, die er vor drei Jahren von Gott empfangen hatte. Dieser hatte ihm vorausgesagt, dass die USA über der Israelfrage auseinanderbrechen würden. Zwei etwa gleich große Machtblöcke würden sich gegenseitig bekämpfen und die siegenden Staaten mit Gottes Hilfe Israel verteidigen. (Quelle)
Eine Serie von Tornados, die sich diesen Monat in den Südstaaten ereignete, wurde dann auch sogleich als göttliche Strafe für die Nahostpolitik angesehen. Janet Porter erklärte, Gott habe infolge der harten Haltung gegenüber Israel und der Millionen Abtreibungen in den USA seine schützende Hand zurückgezogen. (Quelle)
Joe Walsh, republikanischer Kongressabgeordneter aus Illinois, der der Tea Party nahesteht, griff die jüdische Gemeinschaft in den USA an. Diese habe sich nicht deutlich genug gegen Obamas Pläne ausgesprochen und sei zu liberal, sowie nicht so „pro-israelisch wie sie es sein sollte“. (Quelle)
Mike Huckabee hatte sich 2009 bereits ähnlich geäußert. In der Vergangenheit hatten Vertreter der Christlichen Rechten zudem die Ermordung Rabins und den Schlaganfall Scharons als göttliche Strafe bezeichnet, weil beide zu Kompromissen mit den Palästinensern bereit waren.
Mike Huckabee selbst geriet zu Beginn des Monats in die Schusslinie. Vor der NRA hatte er zuerst von den guten, alten Zeiten geschwärmt, in denen Lehrer Schüler noch schlagen durften, um dann die US-Regierung für ihre hohe Staatsverschuldung zu kritisieren. Gegen Ende seiner Rede kam er auf seine Tochter zu sprechen, die ins Gästebuch der Holocaustgedenkstätte Yad Vashem „Warum hat niemand etwas getan?“ geschrieben hatte. Man müsse dafür sorgen, dass nicht auch einst die Amerikaner sich diese Frage stellen müssten. Vertreter jüdischer Organisationen sahen darin eine unzulässige Instrumentalisierung der Opfer des Holocaust und kritisierten Huckabee scharf. Dieser konterte: „Israel und das jüdische Volk sollten Freundschaften schließen, statt ihre Freunde zu beleidigen.“ (Quelle 1) (Quelle 2)
In diesem Monat wurde der ehemalige ukrainische KZ-Wärter John (Iwan) Demjanjuk vor einem deutschen Gericht für seine Taten zu fünf Jahren Haft verurteilt. Dies bedeutete einen Freispruch, denn eine vorherige Haftstrafe in Israel und die Untersuchungshaft seit der Auslieferung aus den USA 2009 wurden auf die Strafdauer angerechnet. Zu der Entscheidung dürfte sicher auch das hohe Alter des Angeklagten beigetragen haben.
Pat Buchanan attackierte das Gerichtsverfahren scharf. Demjanjuk sei nur aufgrund gefälschter Beweise des KGB verurteilt worden und hätte niemals nach Deutschland ausgeliefert werden dürfen. Zudem sei er sein ganzes Leben lang ein Opfer gewesen. Nur knapp habe er die große Hungersnot in der Ukraine (Holodomor) überlebt, für die Buchanan hauptsächlich den Juden Lazar Kaganowitsch verantwortlich macht. Auch nach dem 2. Weltkrieg hätte Demjanjuk in ständiger Furcht vor Stalin gelebt, bis er in die USA auswanderte. Buchanan vertritt revisionistische Thesen und kritisierte bereits in den zurückliegenden Jahrzehnten die Verfolgung von NS-Kriegsverbrechern. (Quelle)
Für Aufsehen sorgte diesen Monat die Ankündigung des Predigers Harold Camping, dass die Welt am 21. Mai untergehen würde. Nachdem der Weltuntergang jedoch offensichtlich nicht eintrat, wurde er auf den 21. Oktober verschoben. Er zog den Spott von Televangelist Pat Robertson auf sich, der jedoch selbst in den 70ern den Weltuntergang auf 1982 datiert hatte. (Quelle)
Prediger und Buchautor Tim LaHaye warnte davor, dass der ausgefallene Weltuntergang nicht bedeute, dass er nie stattfinden würde. Zum gleichen Anlass warnte er vor den Sozialisten Obama und Hillary Clinton, die mehrere Kommunisten in einflussreiche Regierungspositionen gehievt hätten. (Quelle)
Bryan Fischer warf Obama vor, Weiße und Amerika zu hassen, was sich unter anderem darin äußere, dass er den schwarzen Rapper Common ins Weiße Haus geladen habe. Dieser sei in die Kirche Jeremia Wrights gegangen, der auch Obama angehört hatte. Wright hatte sich in der Vergangenheit antiweiß, antiamerikanisch und antisemitisch geäußert. Anlässlich eines Besuchs in Irland attackierte Bryan Fischer Obama erneut. Dieser kokettiere unnötig mit seiner weißen Abstammung (er hat auch irische Vorfahren) und betone sie übermäßig. Ihm sei der Republikaner Herman Cain lieber, da dieser ein „authentischer Schwarzer“ sei. Loe Engle forderte auf der Veranstaltung „Transformation Michigan“, dass Weiße jeglichen Rassismus bereuen müssten, sagte aber auch, dass die Schwarzen ebenso vergeben müssten, weil sie die Weißen sonst ebenfalls als Sklaven hielten. (Quelle 1) (Quelle 2) (Quelle 3)
Wie fast jeden Monat gerieten auch diesmal wieder die Abtreibungsrechte ins Visier. Der republikanische Abgeordnete Jarrod Martin aus Ohio erklärte, dass die USA im internationalen Vergleich zurückfallen würden. China habe mehr Musterschüler als die USA Schüler insgesamt. Daher müsse man den Mord an abertausenden Babies stoppen. Abgesehen davon, dass sein Plan ins Selbstbestimmungsrecht der Frau eingreift, ist er kaum realistisch, denn die meisten Abtreibungen finden in den unteren Schichten statt. (Quelle)
Nach den Teletubbies, Harry Potter, und der Twilightserie hat die Christliche Rechte nun in „Glee“ ein neues Feindbild gefunden. Bryan Fischer und seine Interviewpartnerin Monica Cole nahmen die Musicalserie aufs Korn. Eine der Hauptpersonen sei ein Atheist, die Serie verspotte das Christentum, fördere Homosexualität und verbreite die Musik Lady Gagas. Auch der ehemalige Militärgeistliche Gordon Klingenschmitt teilte gegen Schwule aus: „Homosexuelle sind Pädophile, die Kinder missbrauchen und vergewaltigen, was sie auch müssen, um sich einen Pool künftiger möglicher Sexpartner zu erhalten.“ (Quelle 1) (Quelle 2)
Der Sicherheitsdienstleister Xe (vorher Blackwater) wird künftig vom ehemaligen US-Justizminister John Ashcroft unterstützt, der an der Umstrukturierung der Firma mitarbeiten wird.
Das Unternehmen wurde lange Zeit von Erik Prince geleitet, der der Christlichen Rechten zugeordnet wird. Söldner von Blackwater hatten im Irak Kriegsverbrechen begangen und illegal Waffen an terroristische Gruppierungen verkauft. (Quelle)
Der Mai wirbelte ebenso das Kandidatenfeld der Republikaner durcheinander. Die Absage Mitch Daniels' an die Präsidentschaftskandidatur ist politisch unbedeutend, nicht aber der Rückzieher Mike Huckabees und Donald Trumps. Während das Ausscheiden Huckabees derzeit noch nicht schlüssig scheint, behaupten böse Zungen, Trump habe nur mit einer Kandidatur geliebäugelt, um Aufmerksamkeit für die neue Staffel seiner Sendung „The Apprentice“ (vergleichbares Format in Deutschland: „Big Boss“ mit Reiner Calmund“) zu erregen. Das Ausscheiden der beiden Politiker, die in Umfragen weit vorne lagen, dürfte die Karten im Rennen um die Präsidentschaftskandidatur neu verteilen.
Redaktion und Übersetzung: Lukas Mihr