Grüner Oberbürgermeister auf religiösen Abwegen

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Neuapostolische Kirche in Konstanz / Foto: NAK

KONSTANZ. (hpd) Sie gelten als äußerst fromm und gottesgläubig. Auch in Konstanz und rund um den Bodensee betreiben sie ihre Kirchen und Gemeindezentren. Dass sich hinter der Neuapostolischen Kirche (NAK) christliche Hardliner verbergen, wissen nur wenige.

Der Konstanzer Oberbürgermeister Horst Frank hat es sich nicht nehmen lassen, der örtlichen NAK anlässlich ihres 100-jährigen Bestehens seine persönliche Aufwartung zu machen und die Anwesenden für ihr „harmonisches Gemeinwesen“ zu loben, das sich auch positiv auf die Stadt auswirke

Je näher das Konziljubiläum rückt, desto intensiver beschäftigt sich das Konstanzer Stadtoberhaupt mit religiösen Fragen. Das kann auch schief gehen, wie sein Auftritt bei der NAK deutlich gezeigt hat. Eine kurze Recherche im Internet hätte gereicht um heraus zu finden, mit wem er es da zu tun hat. Anstatt dessen gab Horst Frank, der erste grüne Oberbürgermeister der Republik, den naiven Grußonkel, medial flankiert von der hiesigen Tageszeitung „Südkurier“, die völlig unkritisch über die religiösen Eiferer berichtete.

Weltweit aktiv

Die Neuapostolische Kirche (NAK) ist eine der größten Glaubensgemeinschaften in Europa. In Deutschland fühlen sich über 360 000 Frauen und Männer in rund 2300 Gemeinden der NAK zugehörig. In der Schweiz hat sie etwa 35 000 Mitglieder, in Österreich knapp 6000. Weltweit hat die NAK, die oft mit einer harmlosen Freikirche verwechselt wird, zwischen 7 und 8 Millionen Mitglieder.

Die Mehrheit der Neuapostolen zahlt monatlich den „Zehnten“ ihres Bruttogehalts an ihre Kirche. Wer nicht regelmäßig opfert, dem wird mit dem Verlust des göttlichen Segens gedroht, das Schlimmste, was einem Neuapostolen passieren kann.

Zahlungsmüden Gläubigen wird permanent Druck gemacht. In der NAK-Zeitschrift „Unsere Familie“ war da schon vor Jahren zu lesen: „Darum lasst uns nie den Herrn betrügen oder geizig sein im Opfer (....) schließlich sieht der Herr, wie Du am Opferkasten vorbei gehst“.
Etwa 300 Millionen Euro kommen so alleine in Deutschland jährlich zusammen, das Gesamtvermögen der NAK wird auf mindestens 3 Milliarden Euro geschätzt.

Im Gegensatz zu den großen Amtskirchen betreibt die NAK keine Diakonie, steckt allerdings hohe Millionenbeträge in die Missionierung vor allem in Afrika und in Osteuropa.
Genauere Angaben sind nicht möglich, die Finanzen werden nicht offen gelegt. Als anerkannte „Körperschaft des öffentlichen Rechts“ genießt die NAK zudem allerlei Steuererleichterungen, von denen viele Organisationen in Deutschland nur träumen können.

Eine reaktionäre Männerclique

Die Neuapostolen sind eine verschworene Gemeinschaft und halten sich für die von Gott Auserwählten. Sie alleine würden den kommenden Weltuntergang überleben, der Rest der Menschheit sei hoffnungslos verloren.

An der Spitze dieser Endzeitgruppierung mit christlichem Hintergrund steht seit 2005 der „Stammapostel“ Wilhelm Leber mit Sitz in Zürich. Sein Jahresgehalt wird auf fast 400 000 Schweizer Franken geschätzt. Für seine Anhänger ist er der Repräsentant Gottes auf Erden und gilt als unumstrittener Führer.

Kritik oder gar Widerspruch gleichen einer Gotteslästerung. Neben dem Stammapostel gibt es 250 Apostel, dazu, streng hierarchisch gegliedert, zusätzliche „Amtsträger“: Bischöfe, Bezirksälteste, Evangelisten, Priester, Diakone und Unterdiakone.

Nur Männer bekleiden wichtige Ämter, die Stellung der Frau wurde einst in den „Richtlinien für Amtsträger“ hinreichend beschrieben. „Die Frauen der Brüder haben mit den Gemeindeangelegenheiten nicht das geringste zu tun (....) Wenn die Männer Familienbesuche machen, können die Frauen zuhause ihr Knie beugen und beten, dass die Seelenarbeit des Mannes mit Segen gekrönt sei“.

Bespitzelung von Mitgliedern

Siegfried Dannwolf lebt bei Stuttgart und war 36 Jahre lang Mitglied in der NAK, bis zu seinem Ausstieg 1992 sogar Priester. In dieser Eigenschaft wurde der einst überzeugte Neuapostole selbst zum Täter. „Wie viele andere Amtsträger habe auch ich Listen über NAK-Mitglieder angelegt, die zum Beispiel mehrmals nicht zum Gottesdienst erschienen sind. Diese Aufzeichnungen gingen in den intimsten Bereich hinein und die Betroffenen wussten nichts davon“.

In den NAK-Richtlinien hieß es dazu noch bis vor kurzer Zeit: „In der Regel macht man die Besuche unangemeldet. Man sieht und erfährt dann manches, was auf den inneren Zustand der Geschwister und auch auf die äußere Ordnung in der Familie einen Schluß ziehen lässt“. Als Dannwolf leise Kritik an der Macht der Amtsträger äußerte, kam er sofort unter Druck, wurde ausspioniert und verleumdet.

„Mein Ausstieg“, sagt er rückblickend, „war das Resultat eines zermürbenden Prozesses“. Seine Erlebnisse in der NAK hat Dannwolf bereits 1997 in einem bemerkenswertem Buch verarbeitet. („Gottes verlorene Kinder“, Gütersloher Verlagshaus).

NAK-Kinder haben keine Lobby

Herbert F. aus Friedrichshafen war fast 20 Jahre Mitglied bei der NAK. Seine Kritik an den Neuapostolen bezieht sich vor allem auf deren pädagogische Inhalte. Seine drei Töchter hat er ganz im Sinne seiner damaligen Glaubensgemeinschaft erzogen.

„Die Welt draußen gilt als gefährlich. Wer sich außerhalb der NAK bewege, wurde uns immer erklärt, muß damit rechnen, dem Bösen zu begegnen“. Das sei soweit gegangen, erklärt Herbert F., „dass ich meinen Kindern verboten habe, sich an Fasnacht zu kostümieren. Denn man hat uns eingetrichtert, dass mit der Wiederkunft des Herrn täglich gerechnet werden müsse und wer maskiert sei, würde nicht als NAK-Mitglied erkannt und könne nicht erlöst werden“.

Der Familienvater machte sich jahrelang schwere Vorwürfe: „ Ich habe an diesen Unfug geglaubt und meinen Töchtern einen Teil ihrer Kindheit gestohlen“.

Opfer suchen Hilfe

Seit etwa 15 Jahren organisieren sich ehemalige NAK-Mitglieder, darunter auch immer mehr Jugendliche, die in NAK-Familien aufgewachsen sind, in bundesweiten Selbsthilfegruppen.

Die Zahl derer, die verzweifelt und verängstigt bei Beratungsstellen nach Hilfe suchen, ist ab Mitte der neunziger Jahre sprunghaft gestiegen. Nach Ansicht vieler Experten versteckt sich hinter der in der Öffentlichkeit als harmlos auftretenden Freikirche eine christliche Organisation mit sektoidem Charakter. Hinter der frommen Fassade herrschen Psychodruck, autoritäre Strukturen und ein ausgeprägter Führerkult.

Die NAK unter dem Hakenkreuz

Doch davon wollen die NAK-Oberen nichts wissen. Genauso wenig stellen sie sich ihrer braunen Vergangenheit. Zehn von dreizehn deutschen NAK-Aposteln waren damals in der NSDAP. Andere NAK-ler rühmten sich, schon 1922 dabei gewesen zu sein.

Briefe wurden ab 1933 mit „Heil Hitler“ unterschrieben, die NS-Führer mit Ergebenheitsadressen eingedeckt. Die NAK-Zeitschrift „Unsere Familie“ verbreitete in jeder Ausgabe NS-Propaganda. So etwa am 5.9.1941: „Deutschland wird kämpfen bis zum totalen Siege, das heißt, bis zur Befreiung Europas und der Welt von bolschewistischen Mördern, von der britischen Plutokratie und von Juden und Freimaurern“

Vor der Neuaufnahme von Mitgliedern ließ sich die NAK-Führung deren politische Unbedenklichkeit bescheinigen – von der jeweils zuständigen NSDAP-Ortsleitung.
1937 bescheinigte Heinrich Himmler, Reichsführer der SS, dem damaligen Stammapostel Johann Bischoff: „Die neuapostolische Gemeinde ...betont seit der Machtübernahme...in geradezu auffälliger Weise ihre nationalsozialistische Gesinnung“.

Ihre NS-Vergangenheit hat die NAK-Leitung bis heute nicht aufgearbeitet und sie gegenüber ihren Mitgliedern unter strengem Verschluß gehalten. Nazifreundliche Artikel seien „Pflichtbeiträge“ gewesen, heißt es dazu lapidar.

Kaum Hoffnung auf Änderung

Seit einigen Jahren gibt es innerhalb der NAK einzelne Bestrebungen, sich vorsichtig in Richtung Ökumene zu öffnen und den Kontakt zu den christlichen Amtskirchen zu intensivieren. In einigen wenigen Gemeinden, vor allem in Süddeutschland, dürfen Frauen neuerdings sogar das Amt der Diakonin bekleiden. Doch die Zahl derer, die in der NAK weiterhin die einzige „Erlöserkirche“ sehen und sich vehement gegen eine „gefährliche Verweltlichung“ stemmen, ist immer noch übermächtig.

Grüner OB hofft auf den Papst

Die Amtszeit von Oberbürgermeister Horst Frank endet im Juni 2012. Bisher war man davon ausgegangen, er würde nicht wieder kandidieren. Mittlerweile scheint er aber mit einer dritten Amtszeit zu liebäugeln. Die Vorstellung, als Stadtoberhaupt 2014 die Konzilsfeierlichkeiten eröffnen zu dürfen, treibt ihn gewaltig um. Die vierjährige Jubelfeier soll an das Konstanzer Konzil (1414-1418) erinnern, bei dem nicht nur ein neuer Papst gewählt wurde sondern auch die Reformatoren Jan Hus und Hieronymus von Prag wegen angeblicher Ketzerei auf dem Scheiterhaufen landeten. Das Konziljubiläum, betont Frank gerne, würde dazu beitragen, „Konstanz endgültig auf die europäische Landkarte“ zu setzen. Sein Lieblingsgast: Papst Benedikt. Die Einladung an den „Heiligen Vater“ sei bereits letztes Jahr ausgesprochen worden und würde derzeit im Vatikan wohlwollend geprüft.

Holger Reile

 

Der Artikel ist zuerst in der Internetpublikation www.seemoz.eu erschienen.