Die wahre Geschichte der "Schwarzen Sonne"

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Der ehemalige Obergruppen­führersaal der Wewelsburg; in der Mitte des Saales befindet sich das Ornament der Schwarzen Sonne, eingesetzt von Zwangs­arbeitern des benachbarten Konzentrations­lagers Niederhagen
Der ehemalige Obergruppen­führersaal der Wewelsburg

Das Symbol der Schwarzen Sonne ist eng mit der Geschichte des rechten Okkultismus verbunden und inzwischen auch in der Popkultur verbreitet. Doch seine vermeintlich uralte Herkunft erweist sich bei genauer Betrachtung als moderne Erfindung. Der Ursprung dieses Symbols liegt in den Anfängen des Nationalsozialismus, als Heinrich Himmler und seine okkultistischen Berater begannen, die Ideologie der SS durch Mystik zu untermauern. Die wahre Geschichte der "Schwarzen Sonne" zeigt, wie tief esoterische und pseudowissenschaftliche Ideen im Gedankengut der Nazis verankert waren und warum Teile der rechten Szene das Symbol wieder aufgreifen.

"Die Schwarze Sonne", so heißt eine preisgekrönte Mystery-Hörspielserie, die Erzählungen von Verschwörungen, okkulten Gesellschaften und historischen Persönlichkeiten informativ-unterhaltsam verknüpft. Das Symbol, das der Serie den Namen gab, ist in der Populärkultur verbreitet, man kennt es etwa aus der Filmsatire "Iron Sky". Auch auf Mittelaltermärkten oder in Teilen der neuheidnischen Szene. Dort weist man zumeist diffus auf eine frühmittelalterliche Herkunft hin, hauptsächlich "von den Wikingern". Wissenschaftlich lassen sich diese Behauptungen nicht halten. Die wahre Geschichte der Schwarzen Sonne zu betrachten, ist dennoch aufschlussreich. Sie führt zurück in die Anfangszeit der rechten Esoterik in Deutschland.

Aber beginnen wir mit dem am Anfang: Heinrich Himmler, der spätere Reichsführer SS, war bereits seit den 1920er Jahren tief im rassistisch-völkischen Sumpf der Blut-und-Boden-Mythologie verhaftet. So war er Mitglied im Artamanen-Bund, der verschiedene völkische Siedlungsprojekte betrieb und den auch weitere, später teilweise hochrangige, Nazis unterstützten, teils als Mitglieder.

Seine kruden Ideen und Vorstellungen des mystischen Ariertums bezieht Himmler aus der Ariosophie des Guido von List und dessen Schüler Jörg Lanz von Liebenfels, die die theosophische Wurzelrassenlehre mit nordisch-germanischer Mythologie vermischten und daraus einen arisch-germanischen Herrschaftsanspruch über die als minderwertig angesehenen Völker herleiteten. Die Arier, von denen hier die Rede ist, kommen aus der Theosophie und sind die letzten Überlebenden von Atlantis.

Mit dieser Ideologie kam Himmler 1933 in Kontakt, als er Karl Maria Wiligut kennenlernte, der schnell zu seinem okkultistisch-mythischen Berater wurde. Wiligut ist eine schillernde Figur der damaligen Zeit. Gebürtig in Österreich, wurde er von seiner Familie in einer Nervenheilanstalt untergebracht, nachdem er behauptet hatte, ein überlebender von Atlantis zu sein, dessen Aufgabe es wäre, sein okkult-mystisches Wissen in die Welt zu tragen. Kurz nach seiner Entlassung aus der Anstalt wurde er von seiner Familie entmündigt und floh nach Deutschland, wo er sich in der damals starken okkultistischen Szene herumtrieb. Seine Aufgabe im Dienste Himmlers war es, auf der Basis von tatsächlichen (oder ausgedachten) heidnischen Bräuchen Rituale für die SS zu basteln, um diese in einen "Schwarzen Orden" umzustrukturieren.

Als Heinrich Himmler dann 1934 begann, die Wewelsburg in der Nähe von Paderborn zu einer "Gralsburg", also einer Art geistig-spirituellem Zentrum der SS, zu machen, war auch Wiligut zur Stelle und gestaltete die Räumlichkeiten mit allerlei hanebüchenen, pseudogermanischen Zeichen aus. Im Nordturm sollte mit dem "SS-Obergruppenführersaal" das Herzstück dieser Gralsburg entstehen und dafür hatte sich Wiligut etwas Besonderes ausgedacht.

In den hellgrauen Marmorboden des Saales ließ er als dunkelgrüne Marmorinkrustation die "Schwarze Sonne" einlassen. Hierbei handelt es sich um eine Abwandlung des Sonnenrades mit zwölf Sig-Runen als Speichen. Schaut man sich das Ornament genau an, erkennt man auch drei übereinander gelegte Hakenkreuze, deren Haken verlängert und als eben jene Sig-Runen ausgestaltet sind. Höchstwahrscheinlich wurde Wiligut bei der Gestaltung von alemannischen Zierscheiben inspiriert, jedenfalls haben diese eine frappierende Ähnlichkeit zur Schwarzen Sonne.

Natürlich wurde krampfhaft versucht, diesem Symbol einen arisch-germanischen Hintergrund zu geben, wobei man auf Licht- und Sonnenmystik verwies, aber das hat keinerlei wissenschaftliche Evidenz. Man findet es schlicht vor den 1940er Jahren nicht. Der Name "Schwarze Sonne" ist sogar noch jünger und stammt aus der Nachkriegszeit. Wie die Nazis das Ornament nannten, ist nicht überliefert. Aber in den 1950er Jahren gab es den ehemaligen SS-Oberscharführer Wilhelm Landig, der einen esoterisch-neonazistischen Zirkel unterhielt, in dem ehemalige Nazis ihre Wunden leckten und weiter an der kruden Nazi-Mystik bastelten, um ihre "Verluste" zu kompensieren. Aus diesem Zirkel stammt der Begriff "Schwarze Sonne" und in deren Kontext sah man in der Schwarzen Sonne eine der Vril-Kraft ähnliche mystische Energiequelle, durch die sich die arisch-germanische Rasse regenerieren sollte. Weiterhin wurde sie als Surrogat für das Hakenkreuz verwendet.

Die Schwarze Sonne war allerdings bis Anfang der 1990er Jahre eher unbekannt. Erst als 1991 der Roman "Die Schwarze Sonne von Tashi Lhunpo" des deutschen Autors Stephan Mögle-Stadel den Bogen von der Schwarzen Sonne zur Wewelsburg schlug, wurde das Zeichen fast schlagartig breit in der Szene bekannt. Heute verwenden es Teile der rechten Szene als Erkennungszeichen, denn anders als etwa das Hakenkreuz unterliegt es nicht dem Verbot der Verwendung von NS-Symbolen.

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Quellen:

Goodrick-Clarke, Nicholas: Black Sun: Aryan Cults, Esoteric Nazism and the Politics of Identity. New York: New York University Press, 2002. ISBN 0-8147-3124-4.

Mathews, Chris: Modern Satanism: Anatomy of a Radical Subculture. Connecticut: Praeger, 2009. ISBN 978-0-313-36639-0.

Schlegelmilch, Dana / Raabe, Jan: Die Wewelsburg und die "Schwarze Sonne": Von der Entlastungslegende zum vitalen Mythos. In: Erinnerungsorte der extremen Rechten. Wiesbaden, 2015. S. 79-100.

Siepe, Daniela: Wewelsburg und Okkultismus. In: Gedenkstättenarbeit und Erinnerungskultur in Ostwestfalen-Lippe. Büren: Planungswerkstatt Erinnerungskultur, 2002. S. 276-286.

Strube, Julian: Die Erfindung des esoterischen Nationalsozialismus im Zeichen der Schwarzen Sonne. In: Zeitschrift für Religionswissenschaft, 20/2012, H. 2, S. 223-268.