Es wachsen die Gräser

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Infostand in St. Pölten / Fotos: Herby Loetsch

ST.PÖLTEN/WIEN. (hpd) Das österreichische Volksbegehren gegen Kirchenprivilegien entwickelt sich zur Grassroot-Initiative. In einigen Städten formieren sich Unterstützerinnen und Unterstützer und rühren die Werbetrommel. Mit teils erstaunlich hohem Zuspruch.

„Fünf Leute sind sogar nach Hause gegangen und haben ihren Ausweis geholt, um bei uns unterschreiben zu können“. Sepp Rothwangl erzählt sichtlich vergnügt vom Infostand des Volksbegehrens gegen Kirchenprivilegien in der St. Pöltner Innenstadt. Diesmal war ein Notar aus der niederösterreichischen Landeshauptstadt dabei. Das erspart Sympathisierenden, zum jeweiligen Gemeindeamt zu gehen. Auf gut fünfzig Unterschriften hat man es in St. Pölten gebracht. An einem Nachmittag. Ohne Notar wäre es schwieriger gewesen, zeigt sich Rothwangl sicher. „Die Stimmung war ausgezeichnet, wir haben eigentlich nur Zuspruch bekommen“. Dass mit dem auch in Deutschland bekannten Physiker und „Science Buster“ Heinz Oberhummer ein bekannter Unterstützer am Stand war, habe sicher geholfen, schildert der steirische Landwirt. Er zeigt sich aber überzeugt, dass das Volksbegehren eine Stimmung aufgreife, die weiter verbreitet sei, als angenommen. Seine ursprüngliche Unsicherheit bei öffentlichen Aktivitäten ist zu spürbarer Begeisterung geworden. „Da kommen die Leute immer wieder und sagen: Super, dass es so was gibt. Warum erfahr ich erst jetzt davon? Warum schreiben die Zeitungen nix?“ Einziger Störfaktor: Eine Nonne, die Koreferate halten möchte. „Aber die war so absurd, dass sich die Umstehenden über sie amüsiert haben“, schildert Rothwangl.

  

  

Hund als Werbeträger

Am Volksstimmefest der KPÖ vorvergangenes Wochenende war der Stand des Volksbegehrens einer der bestbesuchten. Immer wieder tauchen die Luftballons mit den Logos in den Besuchermassen auf, besonders beliebt bei Kindern. Ein Hundebesitzer hat einen seinem Hund auf das Geschirr geknüpft, was viele Besucher mit einem Lächeln quittieren und sofort fragen, wo er den Ballon herhabe. Nur zwei Stände weiter sorgt die befreundete Initiative „gottlos.at“ mit ihrer Präsenz für zusätzliche Besucher bei den Volksbegehrenden. „Bei uns kommen die Leute und fragen, ob sie hier das Volksbegehren unterschreiben können“, erzählt Dietmar. „Ich schick sie dann rüber zum Volksbegehren.“ Was die Sache nicht unmittelbar löst: Anders als in St. Pölten gibt es hier keinen Notar. Trotz intensiver Bemühungen konnte man im Hauptquartier in der Wiener Halbgasse keinen Notar auftreiben, der an diesem Wochenende Zeit gehabt hätte.

„Natürlich sind viele Interessenten enttäuscht“, schildert Wolfgang Böhm von der Atheistisch Laizistischen Organisation, der dieses Wochenende ehrenamtlich am Stand des Volksbegehrens verbringt. „Mit einem Notar hätten wir sicher einige hundert Unterschriften haben können. So werden es weniger sein – aber die Leute wirken so motiviert, dass sicher etliche in den nächsten Tagen auf das Magistrat gehen um die Unterstützungserklärung abzugeben.“ Wie viele Unterschriften man mit Notar hätte bekommen können? Die Meinungen gehen etwas auseinander: Zwischen einigen hundert bis zu mehr als tausend, heißt es von den Aktivisten. Eine vielleicht nicht unberechtigte Hoffnung. Das Wiener Volksstimmefest mit einigen tausend Besuchern ist traditionell Tummelplatz linker Aktivisten und Sympathisanten und Menschenrechtsgruppen aus ganz Österreich und den Nachbarländern. Die Atheistendichte ist hier mit Sicherheit überdurchschnittlich.

Wobei es nicht möglich wäre, bei jedem der Infostände, den die Initiatoren oder die Unterstützer in Österreichs Landeshauptstädten aufstellen, einen Notar zu finanzieren. Es sind die Initiatoren, die das Volksbegehren finanzieren. Notgedrungen aus privaten Mitteln. Financiers im Hintergrund gibt es nicht. Man ist schon froh, wenn der Verkauf von T-Shirts und Stickern übers Internet und auf den Ständen ein wenig Geld einbringt. Das reicht fürs Porto und Infomaterialien. Große Sprünge oder gar eine Inseratenkampagne lassen sich mit den vorhandenen Mitteln nicht finanzieren.

 

Bei den Wiener Aktivitäten hat man aus der Not eine Tugend gemacht. Im September gibt es mehrere Infostände auf belebten Plätzen in der Nähe von Bezirksämtern. „Interessierte haben es dann nur ein paar Meter dorthin und können gleich unterschreiben. Das ist weniger Aufwand und so können wir viel mehr Menschen mitnehmen“, schildert Wolfgang Böhm, der eine der Aktionen am Franz-Jonas-Platz im 21. Wiener Gemeindebezirk mitgemacht hat. Die Aktionen finden jeweils am Donnerstag statt. „Da haben die Bezirksämter länger offen.“ erklärt ein Organisator.

Die meisten Unterstützer gehören keinen Organisationen an

Auch aus Ecken, aus denen man es nicht erwarten würde, kommt Zuspruch. Nach Auskunft des Organisationsteams haben einige Tiroler einen Infostand für das Volksbegehren in Innsbruck gemacht. Nach allgemeinem Vorurteil gilt die Tiroler Landeshauptstadt als eines der Bollwerke des katholischen Christentums in Österreich schlechthin. Ungeachtet der Tatsache, dass im „Heiligen Land“ der Katholikenanteil nur mehr unwesentlich über dem Gesamtösterreichs liegt. „Die sind sogar extra nach Wien gekommen und haben sich Infomaterialen und so weiter abgeholt“, schildert eine Organisatorin. Ähnlich ist es in Graz gelaufen, wo Mike Veselka den Infostand organisiert hat. Dort wird es wegen des großen Erfolgs Mitte Oktober eine zweite Aktion geben. Auch in der oberösterreichischen Landeshauptstadt Linz ist ein Infostand geplant, unter Mitwirkung der AHA, der „Allianz für Humanismus und Atheismus“. Sonst engagieren sich mit Ausnahme der Initiatoren fast ausschließlich Menschen, die nicht in der atheistischen Szene organisiert sind. Für sie ist das Volksbegehren oft der erste Kontakt mit organisiertem laizistischem Gedankengut.

Kaum mediales Echo

Vielfach haben sie aus Newslettern oder von Bekannten erfahren, dass es das Volksbegehren gibt. Auch Facebook spielt eine wichtige Rolle, ebenso Blogs. Die klassischen Medien behandeln das Thema stiefmütterlich. Einzig die Tageszeitung „Der Standard“ berichtet mit einiger Regelmäßigkeit. Woran das liegt, ist schwer festzustellen. Manche Aktivisten vermuten eine Art katholische Verschwörung, das Volksbegehren totzuschweigen. Die Eigentumsverhältnisse österreichischer Medien tragen unabhängig von der Plausibilität der Theorien wenig bei, derartige Gedankengänge zu zerstreuen. Oder zumindest sei es eifrige Selbstzensur, wie es heißt. Mit Sicherheit wirkt sich die Tatsache, dass keine größere Organisation hinter dem Volksbegehren steckt, negativ auf die mediale Aufmerksamkeit aus. Dass es aus finanziellen Gründen keine Inserate gibt, wird Herausgeber auch nicht motivieren, das Thema aufzugreifen. Dazu kommt ein generell eher konservativer Duktus im Mainstream der österreichischen Medien. Laizität ist hierzulande noch weniger Thema als in Deutschland. Eine Mischung, die nicht gerade angetan ist, das Interesse der schreibenden Zunft zu wecken. Selbst bei Interesse für das Thema – berichten andere größere Medien nicht, ist es vermutlich keine Geschichte. Sparen wir uns den Aufwand.

Auch erstaunlich ist, wie uninformiert offenbar viele Beamte sind, die die Unterstützungserklärungen auf Gemeinde- oder in Wien Bezirksämtern beglaubigen sollen. Dem hpd liegen mehrere Fälle vor, in denen die Beamten Interessenten fälschlicherweise die Auskunft erteilt haben, die Frist für Unterstützungserklärungen sei abgelaufen. In einem bislang nicht bestätigten Fall soll der Beamte sogar die Auskunft erteilt haben, Menschen, die aus der Kirche ausgetreten seien, dürften das Volksbegehren gegen Kirchenprivilegien nicht unterschreiben.

Dennoch zeigen sich die Organisatoren optimistisch, dass sie bis Mitte Oktober die 8.000 Unterschriften zusammenbringen, mit denen sie Anlauf für die nächste Hürde nehmen können. Dann muss ihnen das Innenministerium eine so genannte Eintragungsfrist von einer Woche in allen Gemeinde- und Bezirksämtern einräumen. Das Volksbegehren muss in diesem Fall auch öffentlich ausgehängt werden. Gelingt es, innerhalb der Woche weitere 92.000 Menschen zum Unterschreiben zu bewegen, muss sich der österreichische Nationalrat mit den Anliegen befassen. Umsetzen muss er es nicht. Aber auch das wäre ein Erfolg: So weit hat es noch nie eine säkulare Initiative in Österreich geschafft.

Einen letzten Schub soll eine größere Aktion in der Wiener Innenstadt Mitte Oktober geben, für die mehrere prominente Künstler zugesagt haben. Details werden erst bekannt gegeben.

Christoph Baumgarten

 

Fotos (Graz): Mike Veselka