Verfassungsfeinde unter „Artenschutz“

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Arnd-Matthias Langner / Foto: Constanze Cremer

KÖLN. (hpd) Passend zum bevorstehenden Papstbesuch und zur Frage nach der zu beobachtenden Fundamentalisierung der Katholischen Kirche hielt Arnd-Matthias Langner auf Einladung der gbs-Regionalgruppe Köln-Bonn-Düsseldorf hin am 15. September 2011 im Horizont-Theater in Köln einen Vortrag mit dem Titel: „Die Piusbrüder! – Und der Papst?“

Stellen Sie sich folgende politische Agenda vor:

* Kein Wahlrecht für Frauen
* Auflösung politischer Parteien
* Todesstrafe
* Pressezensur
* Keine Religionsfreiheit
* Verfolgung von Homosexualität und nicht-ehelichen heterosexuellen Beziehungen

Eine Beschreibung der Menschenrechtslage in Saudi-Arabien? Forderungen von fanatischen Islamisten oder einer verbotenen rechtsradikalen Partei?
Nein. Es sind Forderungen von Amtsträgern einer deutschen Körperschaft des öffentlichen Rechts, die als solche weitgehende staatliche Privilegien genießt und sich daher eigentlich im Gegenzug dazu zur Verfassungstreue verpflichtet fühlen sollte. Bei dieser Körperschaft handelt es sich um die Katholische Kirche.

Die Priesterbruderschaft St. Pius X., kurz Piusbruderschaft oder Piusbrüder, war vor der Aufhebung der Exkommunikation lediglich eine besonders „unappetitliche“ reaktionäre Sekte. Seit 2009 ist sie aber dank päpstlicher Huld ein integraler Bestandteil der Katholischen Kirche. Von Piuspriestern gehaltene Gottesdienste erkennt die Katholische Kirche als gültig und vollwertig an, obwohl sie von der Teilnahme daran abrät: man genügt damit der „Sonntagspflicht“.

Die oben genannten Forderungen erheben die Piusbrüder, mit stillschweigender Duldung des Papstes Benedikt XVI., öffentlich: in Schriften und im Internet.
Dies geschieht seit Jahren ohne jedes wahrnehmbare Medienecho.

Man reibt sich verwundert die Augen, dass lediglich dem unsäglichen Bischof und Holocaust-Leugner Richard Williamson etwas medialer Gegenwind um die Nase wehte, denn dieser ist kein Einzeltäter, sondern typisch für seine Organisation.
Arnd-Matthias Langner, Diplom-Ingenieur mit der Philosophie als Steckenpferd, hat sich in den letzten Jahren intensiv mit der Piusbruderschaft auseinandergesetzt. Alle von ihm zitierten Dokumente sind im Folgenden genau benannt und sowohl in Druckversion als auch online verfügbar. So kann jeder die Passagen im Kontext nachlesen und feststellen, dass dieser stets genau zur Aussage des Zitats passt.

In der Einführung erklärte Langner, dass es sich bei der Piusbruderschaft um einen Zusammenschluss von Klerikern innerhalb der Katholischen Kirche handelt, der keinen offiziellen kanonischen Status hat, wie beispielsweise das Opus Dei als Personalprälatur.
1970 von Erzbischof Marcel Levebvre gegründet, waren die Piusbrüder primär als eine Vereinigung konservativer Katholiken bekannt, die am überlieferten tridentinischen Messritus festhielten und wesentliche Beschlüsse des Zweiten Vatikanischen Konzils ablehnten; sie wurden gemeinhin also als ein eher „harmloser Traditionalistenverein“ wahrgenommen.

Wie falsch diese Wahrnehmung jedoch war, wurde dem Zuschauer im Folgenden klar...
Viele der von Langner anhand von Zitaten vorgestellten Ansichten, die beim Zuschauer nur ungläubiges und entsetztes Kopfschütteln hervorriefen, sind aber tatsächlich kein „selbst gekochtes Süppchen“ der Piusbrüder, sondern vorkonziliare Glaubenslehre der Katholischen Kirche, die zum Beispiel aus den Enzykliken der Pius-Päpste begründet werden kann – daher auch der Name der Bruderschaft.

1988 führten nach kanonischem Recht unzulässige Bischofsweihen zur Exkommunikation. Davon waren jedoch ausschließlich zwei weihende und vier geweihte Bischöfe betroffen – einfachere Priester und Gläubige waren zu keiner Zeit exkommuniziert.

Anhängerschaft

2010 hatte die Piusbruderschaft nach eigenen Angaben weltweit 534 Priester und 210 Seminaristen. Die Zahl der Seminaristen im Verhältnis zu den Priestern zeigt, dass es im Gegensatz zu den Seminaren des katholischen Mainstreams bei den Pius-Priestern keinen Nachwuchsmangel gibt.

Zur Anzahl der Gläubigen gibt es divergierende Angaben von weltweit 100.000 bis 600.000. Die Zahl ist schwer zu schätzen, da die Piusbruderschaft stets ein Teil der Katholischen Kirche war, nie eine eigene Religionsgemeinschaft.
Auch die exkommunizierten Bischöfe verloren zu keinem Zeitpunkt die Kirchenmitgliedschaft; sie wird nach katholischer Lehre mit der Taufe unverlierbar erworben.

Die Piusbrüder betreiben in mehreren Bundesländern mit dem Placet der dortigen Schulbehörden fünf Privatschulen und erhalten dafür staatliche Zuschüsse in Millionenhöhe.

Dazu gehört u.a. in NRW das St. Theresien-Gymnasium in Schönenberg unweit von Siegburg bei Bonn. Die übrigen Schulen sind fast alle Grundschulen, vermutlich eingedenk der Erkenntnis, dass sich Kinder im frühen Alter am besten indoktrinieren lassen.

Langner erklärte, dass er extra, bis auf ein einzelnes Zitat, auf die Darstellung von Aussagen von Seiten Williamsons verzichtet habe, da die Annahme bestehen könne, dass es sich bei ihm nur um ein „Schwarzes Schaf“ handele. Er wählte daher hauptsächlich Zitate von zwei in der Organisation unumstrittenen und nicht in Kritik stehenden leitenden Mitgliedern, deren Meinung als repräsentativ für die Organisation gelten kann: Von Pater Franz Schmidberger, dem Distriktoberen für Deutschland, also dem „Deutschlandchef“ der Piusbruderschaft und Pater Gaudron, „Beauftragter der Piusbruderschaft für den theologischen Disput“, also im Wesentlichen Chefdogmatiker und Sprecher bei Verhandlungen mit dem Vatikan, zudem die rechte Hand von Bischof Fellay, dem Chef der Piusbrüder.

Menschenrechte

„Die modernen Menschenrechte haben zweifellos die Intention, die Gottesrechte abzuschaffen und den Menschen an die Stelle Gottes zu setzen. Das führt zwangsläufig dahin, daß es überhaupt keine unantastbaren Normen mehr gibt sondern alles der Willkür und dem Egoismus des Menschen ausgeliefert wird. … Die Menschenrechte entspringen einem zutiefst egoistischen Rechtsdenken.“ 
„Wegen der falschen Weise, die Grundrechte festzulegen, werden heute auch falsche Rechte als Menschenrechte propagiert. Dies sind vor allem die Gewissens- und Religionsfreiheit sowie die Meinungs- und Pressefreiheit (Art.18 und 19 der UNO-Menschenrechtserklärung).“ Gaudron in der Zeitschrift CIVITAS, Heft 2/2008, S. 51 und 54

Demokratie

Natürlich hat Pater Gaudron auch diese weitere antichristliche Ausgeburt der Aufklärung im Visier:

„Ein weiteres falsches Menschenrecht ist das Recht auf Demokratie. Es gibt kein Grundrecht auf Demokratie, wie heute oft behauptet wird, denn auch die Monarchie und Aristokratie sind mögliche und menschenwürdige Staatsformen.“ Gaudron in CIVITAS, Heft 2/2008, Seite 54

Wenn es kein Grundrecht auf Demokratie gibt, sind politische Parteien, die ohnehin nur zum Zwist führen, ebenfalls überflüssig, meint wenigstens Pater Schmidberger:
„Darüber hinaus kann man sich fragen, ob die Parteien wirklich zum Wohl eines Volkes seien oder nicht vielmehr zu dessen Spaltung beitragen. 
Könnten nicht an ihre Stelle jene christlichen Männer treten, die sich durch sittliche Reife und Lebenserfahrung, durch Gerechtigkeitssinn und Sorge um das Gemeinwohl auszeichneten?“ Schmidberger in CIVITAS, Heft 1/2007, Seite 44

Männer! Da ist der Mann halt noch ein Mann und es gilt: "Mulieres in ecclesiis taceant non enim permittitur eis loqui sed subditas esse sicut et lex dicit." 
(Die Frauen sollen schweigen in der Gemeindeversammlung, denn es ist ihnen nicht gestattet zu reden, sondern sie sollen sich unterordnen, wie auch das Gesetz sagt. 1 Kor 14,34, lateinischer Text Vulgata, deutscher Text Luther 1984)

Auch das Wahlrecht soll eine Reform erfahren, „one man, one vote“ ist ebenso unchristlich wie das Frauenwahlrecht, da, wie oben aus der Heiligen Schrift zitiert, laut Paulus das Weib schweigen soll, in der Kirche wie in der Politik. 
Entscheiden sollen in erster Linie Familienväter, wobei hier auch noch eine Differenzierung des Gewichts der Stimme erfolgen sollte. Denn der Unternehmer trägt schließlich mehr Verantwortung als sein Lehrling:

„Entspricht der heutige Grundsatz „jeder Wahlberechtigte hat ein und dieselbe Stimme“ (one man one vote) wirklich der Naturordnung?
Ein Familienvater hat mehr Verantwortung und normalerweise auch eine tiefere Einsicht in das Wohl der Gesellschaft als sein eben volljährig gewordener Sohn; ein Unternehmer mit tausend Angestellten trägt mehr Verantwortung als sein jüngster Lehrling. Würde nicht ein wesentlich auf die Familienober-häupter abgestütztes Wahlrecht der Familie als Zelle der Gesellschaft eine ganz andere
Stellung verleihen?“ Schmidberger in CIVITAS, Heft 1/2007, Seite 44ff.

Religionsfreiheit

„Da es nur eine wahre von Gott gestiftete Religion gibt, verbietet sie [Anmerkung: die Regierung eines christlichen Staates] falsche Religionen und Kulte oder duldet diese allenfalls nach den Grundsätzen der Klugheit, ohne ihnen jemals ein Naturrecht auf Existenz zuzugestehen.“ ...

„Falsche Religionen und Irrtümer haben nie Rechte, sondern können allenfalls toleriert werden. Es gibt also kein Recht, eine falsche Religion auszuüben oder einen Irrtum zu verbreiten. Es ist Unfug, zu behaupten, jeder habe das Recht, ungestraft alle Arten von Irrtümern und Lügen zu verbreiten. Der Staat muß seine Untertanen vor dem Irrtum schützen.“ Schmidberger in CIVITAS, Heft 1/2007, Seite 45

Todesstrafe

Wie sieht es dann mit dem der Katholischen Kirche so heiligen Recht auf Leben aus? Obwohl das Lebensrecht vor Ausbildung eines zentralen Nervensystems empfindungsloser Embryonen ohne wenn und aber bedingungslos heilig ist, sie sogar ab ovo den Status von Kindern erhalten, sieht Pater Gaudron das bei den zu bewussten Empfindungen fähigen Personen differenzierter:

„Der Mensch kann das Recht auf Leben aber verwirken. Wegen schwerer Verbrechen kann die rechtmäßige Autorität die Todesstrafe verhängen. Diese handelt hier als Stellvertreter Gottes…“ Gaudron in CIVITAS, Heft 1/2008, Seite 51

Auch hier sekundiert Kollege Schmidberger. Er kann der Todesstrafe sogar noch ein zusätzliches seelsorgerisches Moment abgewinnen, die Förderung von Last-Minute-Bekehrungen auf dem Schafott – an Zynismus kaum zu überbieten:
„Die Strafe hat zunächst einen vindikativen (rächenden) Charakter…
Die Todesstrafe für Schwerverbrecher (Mord, Drogenhandel) trägt diesen rächenden Charakter in sich und führt viele Schuldige nach dem Zeugnis von Gefängnisseelsorgern zur Bekehrung.“ Schmidberger in CIVITAS, Heft 1/2007, Seite 45 f.

Selbst das alttestamentarische ius talionis „Auge um Auge, Zahn um Zahn“ wird somit an Grausamkeit noch überboten, denn die Todesstrafe gibt es auch für Delikte ohne Leiche.

Es stellt sich wirklich die Frage, ob Pater Schmidberger eine Ausgabe des Grundgesetzes besitzt und, falls ja, ob er sie ebenfalls so liest wie Descartes, Hume, Kant oder Hegel: als eine Krankheit, gegen die es eine Therapie zu finden gilt. Eine Unterstellung, eine polemische Übertreibung? Lesen Sie selbst...

Erziehungsgrundsätze an Schulen der Piusbruderschaft


„Darf man zum Beispiel nicht- oder sogar antikatholische Autoren lesen? Ja! Der katholische Lehrer muß ab und zu … die Hauptirrlehren unserer Zeit erklären. Der christliche Schüler muß sie kennen, weil er sich oft mit ihnen wird auseinandersetzen müssen. Heutzutage darf ein gebildeter Christ nicht so tun, als ob Luther, Descartes, Hume, Kant, Hegel, Sartre, usw. nicht gelebt hätten. Er muß von diesen Lehren wenigstens gehört haben und sie beurteilen können. … Wenn der Lehrer diese Theorien erklärt, dann nicht, um sie zu loben und noch weniger um sie anzunehmen. Wenn der Schüler sie lernen muß, so macht er es genauso wie der Medizinstudent, der die Krankheiten studiert. Wenn der Arzt die Krankheiten kennen und verstehen will, dann sicher nicht, um selbst krank zu werden, sondern um die Krankheiten bekämpfen zu können!“ Mitteilungsblatt Juli 2005, Seite 24