USA. (hpd) Eva C. Schweitzer legt die erste deutschsprachige Buchpublikation zu der rechten Protestbewegung in den USA vor. Es handelt sich mehr um einen Reportageband und weniger um ein Sachbuch, gleichwohl werden dort, mitunter etwas überkritisch formuliert, wichtige Informationen zu einer in der Tat problematischen Bewegung präsentiert.
Gegenwärtig findet mit der Occupy Wallstreet-Bewegung eine linke Protestbewegung aus den USA große Aufmerksamkeit in den Medien. Dadurch gerät die innenpolitische Bedeutung der Tea Party-Bewegung als rechter Protestbewegung ein wenig aus dem Blick. Deren politischer Einfluss muss zudem auch als ungleich größer eingeschätzt werden, stehen doch hinter ihr finanzielle, mediale und politische Förderer. Dies veranschaulicht die erste deutschsprachige Buchpublikation „Tea Party. Die weiße Wut. Was Amerikas Neue Rechte so gefährlich macht“. Sie stammt von der promovierten Amerikanistin Eva C. Schweitzer, die als Korrespondentin von New York aus für die „Kleine Zeitung“ ebenso wie für „Die Zeit“ schreibt. Der journalistische Hauptberuf erklärt auch die formale Ausrichtung des Werks: Es handelt sich um einen kommentierenden Reportageband und nicht um ein wissenschaftliches Sachbuch. Schweitzer berichtet von ihren persönlichen Eindrücken nach Begegnungen mit Aktivisten der Tea Party und Besuchen ihrer öffentlichen Veranstaltungen.
Dementsprechend findet man Ausführungen zum Aufstieg von Michele Bachmann und dem Wirken von Sarah Palin, über die Chancen von Mitt Romney und die Rolle von Rick Perry. Zwischen derartigen Portraits stehen Kapitel zu den Finanziers der Tea Party und den mit ihnen sympathisierenden Medien, aber auch zur Religiösen Rechten und den Ressentiments gegen Immigranten.
Schweitzer bilanziert: „Die Tea Party begann als Protestbewegung gegen Milliardensubventionen für Banken, hohe Steuern und hohe Staatsschulden und in Sorge um eine schwierige Ökonomie. Mittlerweile hat sie sich als Partei gegen hispanische Immigranten und affirmative action, also Bevorzugung von ethnischen Minderheiten auf den Universitäten und dem Arbeitsmarkt, etabliert, sie ist gegen Abtreibung und Schwulenehe, für Sozialabbau, Bürgerkriegsrevisionismus und Kirchenbesuch“ (S. 256). Und letztendlich gehe es ihr darum, einen als „Barack Hussein Hitler“ ebenso wie als heimlichen Sozialisten geschmähten ungeliebten schwarzen Präsidenten aus dem Amt zu kegeln.
Schweitzer lässt schon gleich zu Beginn des Buchs ihre Abscheu vor der Tea Party-Bewegung erkennen: Die Doppelmoral und Rückwärtsgewandtheit mancher ihrer Anhänger und Sympathisanten bietet dafür ebenso viel Stoff wie deren Unkenntnis und Widersprüchlichkeit. Gleichwohl geht es bei der Autorin manchmal allzu sehr in das Persönliche der Kritisierten. Da heißt es etwa: „Palin, in einem schicken weißen Mantel für das Dreckswetter gänzlich unpassend gekleidet, sieht aus, als friere ihr Gesicht gleich ein“ (S. 156). Palins Gesicht und Mantel sind aber sicherlich nicht das entscheidende Problem. Dies dürfte mehr in ihrer mangelnden Kompetenz und Realitätsfremdheit liegen. Man findet aber auch überaus differenzierte Einschätzungen wie etwa zu dem in der Presse kursierenden Rassismusvorwurf: „Allerdings agiert nur eine kleine Minderheit der Tea Partier offen rassistisch. Was die meisten eher umtreibt, ist eine Abneigung gegen staatliche Sozialausgaben, zumal sie nach Ansicht vieler vornehmlich Afroamerikanern zugutekommt“ (S. 197).
Schweitzers Reportage liefert einen gut lesbaren Einblick in diese rechte Protestbewegung, wobei auch die Ausführungen zu den politischen Hintergründen besonders wichtig sind: Es handelt sich eben nicht um eine Bewegung von „unten“. Etablierte Denkfabriken, Finanziers und Medien haben sich auf ihre Seite geschlagen und ihr damit erst ihre politische Macht gegeben.
Die Autorin hebt bei ihrer Beschreibung auch die Absichten bestimmter Diskurs-Strategien wie etwa die Gleichsetzung von Hitler und Obama zutreffend hervor: „Diesen US-Konservativen geht es nicht um Logik, sondern um die Lufthoheit an den Stammtischen, sie wollen die Nationalsozialisten in eine liberale Bewegung umdeuten, in eine Partei der starken Zentralregierung und des Wohlfahrtsstaates, womit sie den Wohlfahrtsstaat an sich zu denunzieren suchen“ (S. 114). Dies und viele andere bedenkliche Gesichtspunkte kann Schweitzer überzeugend deutlich machen. Sie schreibt mitunter etwas zu sehr mit „Schaum vor dem Mund“, ihr Untersuchungsgegenstand liefert dafür aber auch gute Gründe.
Armin Pfahl-Traughber
Eva C. Schweizer, Tea Party. Die weiße Wut. Was Amerikas Neue Rechte so gefährlich macht, München 2012 (Deutscher Taschenbuch Verlag), 279 S., 14,90 €