LONDON. (hpd) Welche säkularen Organisationen gibt es in Europa und der Welt? In lockerer Folge stellt der hpd derartige Organisationen vor, heute die Britische Humanistische Vereinigung: Ein Interview mit dem Geschäftsführer der British Humanist Association, Andrew Copson.
hpd: Wenn Sie nur zwei Minuten Zeit hätten, wie würden Sie die British Humanist Association (BHA) beschreiben?
Andrew Copson: Die BHA ist eine nationale Wohltätigkeitsorganisation, die sich für nicht-religiöse Menschen einsetzt die ihr Leben auf der Basis von Vernunft und Menschlichkeit leben wollen.
Im Wesentlichen haben wir drei zentrale Arbeitsbereiche: Erstens die Förderung und Bewerbung von Humanismus als nicht religiöse Lebenseinstellung, mit dem Ziel nicht religiösen Menschen die Sicherheit zu vermitteln, dass sie auf diese Weise ein ethisches und erfülltes Leben leben können.
Zweitens die politische Arbeit, die sich an Parlament und Regierung richtet und zum Ziel hat, Säkularismus sowie die Trennung religiöser und staatlicher Institutionen durchzusetzen. Außerdem setzen wir uns für die Überwindung religiöser Diskriminierung ein und versuchen hinsichtlich gesellschaftlicher Debatten die verschiedenen humanistischen Moralvorstellungen einzubringen und zu unterstützen.
Drittens die Unterstützung nicht-religiöser Menschen an verschiedenen Brenn- und Wendepunkten ihres Lebens. Zu diesem Zweck bilden wir zum Beispiel Leute in der Durchführung humanistischer Beerdigungen, Hochzeiten und anderer Feierlichkeiten aus, oder trainieren Freiwillige in der moralischen und emotionalen Unterstützung nicht-religiöser Menschen in schwierigen Lebenssituationen in denen religiöse Menschen auf die Unterstützung eines Priesters oder Kaplans zurückgreifen könnten.
Wann wurde die BHA gegründet?
AC: 1896 wurde eine Organisation namens Union der ethischen Gesellschaften (Union of Ethical Societies) gegründet und das war die Organisation, aus der 1967 die Britische Humanistische Vereinigung (British Humanist Association, BHA) hervorgehen sollte.
Gab es einen bestimmten Grund, warum die BHA damals gegründet wurde?
AC: Nun, der Anlass für die Gründung der Ethical Union im Jahre 1896 war es, lokalen ethischen Gesellschaften eine nationale Stimme zu geben. Das heißt solchen Gesellschaften, die sich in einer Art Felix-Adler-Modus um nicht-religiöse ethische Prinzipien organisiert hatten. Zugleich markiert das späte neunzehnte Jahrhundert eine säkulare Epoche. Es war eine Zeit voranschreitender gesellschaftlicher sowie moralisch-ethischer Säkularisierung und somit genau der richtige Zeitpunkt für die Gründung einer nationalen säkularen Vereinigung.
Der Grund, warum die ethische Union in den 1960er Jahren ihren Namen in Britische Humanistische Vereinigung änderte war die Feststellung, dass der Begriff „Humanismus“ sich inzwischen als häufig verwendete Umschreibung für den gesamten Bereich säkularer Ansätze, Werte und Inhalte durchgesetzt hatte, für die die BHA stand und steht.
Wie viele Menschen sind individuelle Mitglieder der BHA?
AC: Wir haben 30.000 Mitglieder und Unterstützer, die helfen uns auf unterschiedliche Art und Weise die BHA zu finanzieren. Einige Leute geben uns jedes Jahr eine Spende, andere alle paar Jahre, witere Mitglieder zahlen uns einen monatlichen Beitrag, wieder andere einen jährlichen.
Diese Leute zahlen also Mitgliedsbeiträge?
A.C.: Ja, sie steuern alle etwas bei.
Aber nicht regelmäßig, sondern ....?
AC: Manche zahlen regelmäßig. In den Letzten Jahren haben wir eine Mischung ganz verschiedener Beitrags- und Unterstützungskonzepte entwickelt, es gibt also eine ganze Menge verschiedener Beziehungen die Spender uns gegenüber einnehmen können, aber sie sind alle mit Geldern verbunden (lacht), aber eben auf unterschiedliche Weise.
Erhalten sie staatliche Subventionen?
A.C.: Nein, wir erhalten keine. Die British Humanist Association erhält in diesem Land keine staatlichen Subventionen, ebenso wenig wie die Kirchen; es gibt es keine spezifische staatliche Förderung irgendeiner Art für religiöse oder nicht-religiöse Gruppen. Wir sind ein gemeinnütziges Unternehmen, was bedeutet, dass wir bestimmte Steuervorteile genießen, aber nicht mehr als es jeder andere gemeinnützige Verein auch haben würde.
Ist die BHA gut im Einwerben von Spenden?
AC: Nun ... nicht so gut, wie wir gern wären (lacht), aber unser Einnahmen steigen jedes Jahr um rund 10 Prozent und die Zahl der Menschen, die uns unterstützen, steigt ebenfalls kontinuierlich. Wir haben immer Schwierigkeiten, damit Menschen, von denen wir denken, dass sie uns eine Menge Geld geben sollten, dazu zu überreden uns dieses Geld auch zu geben – das ist aber ein Problem, das alle andern auch haben. (lacht)
Ich denke das ist ein gemeinsames Problem aller humanistischen Organisationen deren Arbeit auf privaten Zuwendungen beruht. Wenn man staatliche Gelder erhält ist alles ein bisschen einfacher, aber wenn man auf Abonnements angewiesen ist, stellt man schnell fest, dass es schwierig ist, nicht-religiöse Menschen als Gruppe dazu zu veranlassen, Geld zu spenden.
Selbst wenn eine Spende im Interesse nicht-religiöser Menschen wäre, sehen sie diese häufig nicht in der gleichen Weise als notwendig an, wie es die Mitglieder religiöser Organisationen täten. Für gläubige Menschen ist klarer, dass es in ihrem Interesse ist, die, Organisation XY oder die katholische Mission oder etwas in der Art zu unterstützen, weil sie sehr stark darüber empfinden. Aber wir sind im Geld sammeln so gut wie jede andere gemeinnützige Organisation unserer Größe.
Ich denke, dass eine der besten Möglichkeiten, in der Geldbeschaffung besser zu werden, darin liegt, mehr als nur mit Mitgliedschaften der Art: „Ich bezahle meinen Jahresbeitrag jedes Jahr" anzubieten. Das könnte so aussehen, dass man Leuten ermöglicht, uns direkt zu unterstützen, indem sie einer Art Online-Netzwerk beitreten oder indem wir direkt mit ihnen in Verbindung stehen - auch wenn sie uns kein Geld geben- anderseits geht es aber auch darum, den Menschen flexiblere Spendenmöglichkeiten anzubieten, ganz egal ob sie nun jährlich, monatlich, weniger regelmäßig oder häufiger spenden wollen, so dass sie uns je nach eigener Präferenzen unterstützen können. Auf diese Weise werden wir besser im Spendensammeln werden.
Aber die Welt ist inzwischen so anders, alles verändert sich so schnell. Heute kommen die meisten Leute zum Beispiel über das Internet zu uns, daher kommt auch der Großteil unserer Einnahmen aus dem Netz, aber eben nicht durch regelmäßige Abonnements und Mitgliedsbeiträge, wie in den letzten Jahrzehnten. Wir versuchen mit diesen Veränderungen Schritt zu halten aber es ist schwierig.
Die Erfahrung scheint zu lehren, dass reiche Leute reich geworden sind, weil sie ihr Geld zusammengehalten haben und nicht, indem sie es weggegeben haben. (lacht)
A.C.: Das ist wahr.
Nun, wie viele bezahlte Mitarbeiter hat die BHA?
AC: Derzeit haben wir 13 Mitarbeiter in unserer Londoner Niederlassung, die in drei verschiedenen Abteilungen arbeiten. Erstens im Community Service, wie die Zeremonien und Unterstützung der Arbeit, zweitens den öffentliche Angelegenheiten, wie Kampagnenplanung und die politische Lobbyarbeit, und drittens Bildung und Aktionen, d. h. die Beförderung der humanistischen Weltanschauung sowie Veranstaltungen, Materialien für Schulen und solche Dinge; weiterhin haben wir etwa 310 ‚Zelebranten‘ im ganzen Land, die humanistische Feiern gestalten und natürlich eine Menge von Freiwilligen im ganzen Land, von denen wir wirklich sehr abhängig sind.
Gibt es noch andere säkulare Organisationen in Großbritannien?
AC: Ja, es gibt eine separate Humanist Society in Schottland. Ich bin mir nicht sicher, wie viele Leser etwas über die Verfassungsordnung des Vereinigten Königreiches wissen, aber Schottland ist einerseits Teil von Großbritannien, andererseits gibt es dort eine ganze Reihe regionaler Gesetze, daher gibt es auch eine separate humanistische Organisation, die sich mit den schottischen Besonderheiten auskennt und auseinandersetzt.
Außerdem gibt es auch noch die National Secular Society, eine Lobbygruppe für politischen Säkularismus im Rechtssystem und im Staat. Das ist zwar ein Thema, dass wir auch als Teil unserer Arbeit betrachten, aber auf das diese Gruppe einen besonderen Schwerpunkt gelegt hat. Zuletzt gibt es dann noch eine Organisation mit dem Namen Rationalist Association, deren Wurzeln ebenfalls im 19. Jahrhundert liegen. Sie betreiben einen eigenen Verlag und ein Magazin namens New Humanist.
Stehen Sie in direktem Kontakt mit diesen Gruppen?
AC: Oh ja, sicher, in der Tat. Wir teilten dieses Gebäude lange Zeit mit der Rationalist Association. Irgendwann zogen sie dann um, weil sie mehr Platz benötigten. Wir arbeiten aber natürlich auch sehr eng mit der Humanist Society of Scotland zusammen sowie ebenfalls mit der National Secular Society, wenn wir ein gemeinsames Kampagnenthema haben bzw. finden.
Gibt es Aktivitäten, Demonstrationen, Kundgebungen und so weiter, an denen alle Organisationen teilhaben?
AC: Ja, wir kooperieren wie gesagt bei verschiedenen Veranstaltungen und wir versammeln uns jeden September bei einer gemeinsamen Kundgebung für ein säkulares Europa. Vor zwei Jahren haben wir auch einen gemeinsamen Protest gegen den Besuch des Papstes vorbereitet. Aber wir haben unterschiedliche individuelle Schwerpunkte, so dass wir bei Kampagnenthemen häufig mit der National Secular Society zusammenarbeiten und bei Veranstaltungen häufiger mit der Rationalist Association. Wir kooperieren also immer nur zu bestimmten Themen, bei denen es sich anbietet.
Was waren im Rückblick auf die letzten zwei Jahre die wichtigsten Themen für die BHA? Ich habe ein wenig über die Diskussion über die Bischöfe im Oberhaus des britischen Parlaments gehört, dem House of Lords.
AC: Ja, die Frage der Bischöfe im House of Lords ist ein Thema, das letztendlich kein glückliches Ende hatte. Es sah im vergangenen Jahr für eine Weile so aus, als könnte es eine große Verfassungsreform der zweiten Kammer unseres Parlaments geben, also in der Kammer, in der derzeit Mitglieder des Parlamentes ernannt werden. Auch wenn die absolute Mehrheit der Mitglieder inzwischen ernannt wird gibt es immer noch eine kleine Zahl erblicher Sitze, was an sich schon ein Missstand ist, außerdem gibt es aber auch automatisch 26 Bischöfe in der zweiten Kammer unseres Parlaments, was absolut empörend und ein klarer Affront gegen die säkularen politischen Prinzipien unseres Staates ist.
Daher war unsere Forderung, die Bischöfe aus dem Oberhaus zu entfernen, ein Teil der Reform-Agenda, die damals im Parlament behandelt wurde. Schlussendlich schlug die Regierung vor, die Zahl der Bischöfe zu reduzieren, auch wenn man sie nicht vollständig abschaffte, was wir natürlich gut geheißen hätten. Also ja, wir betrieben eine ziemlich intensive parlamentarische Kampagne und ich wurde vom parlamentarischen Ausschuss, der zu dem Gesetz arbeitete, aufgefordert unseren Standpunkt vorzutragen, was ich dann auch tat. Wir hatten es geschafft, die Bischöfe zu dem Thema der Reformagenda zu machen, über das am meisten diskutiert wurde und deshalb erhielt die Regierung mehr Einsendungen zu den Bischöfen als zu jedem anderen Thema. Das war schon ein großer Erfolg. Aber am Ende hat leider alles nichts gebracht, weil die Regierung ihre Vorschläge für eine Reform zurückzog und es keinerlei Reform der zweiten Kammer geben wird. Aber wir haben eine große und erfolgreiche Kampagne zu dem Thema veranstaltet.
Eine weitere wichtige Kampagne, die wir schon seit geraumer Zeit vorantreiben, beschäftigt sich mit dem Thema der Konfessionsschulen. Innerhalb den letzten zehn Jahren ist die Zahl staatlich finanzierter religiöser Schulen, sogenannter ‚Glaubens-Schulen‘, stark angestiegen. Unter der derzeitigen Regierung ist dieser Anstieg sogar noch viel schneller vorangeschritten, als das unter der früheren Regierung der Fall war. Das ist sehr bedenklich, weil es sich bei den Glaubens-Schulen um staatlich finanzierte Schulen handelt, die teilweise diskriminierende Schulpolitiken verfolgen, in dem sie z.B. nur die Kinder von bestimmten religiösen Eltern zuzulassen, oder aber indem sie einen voreingenommenen, nicht objektiven Lehrplan in Bezug auf Überzeugungen, Werte oder Ethik verfolgen. Deshalb war unsere Kampagne gegen die Konfessionsschulen in den letzten Jahren sehr intensiv, aber aufgrund der Regierungsreformen wurde sie auch immer schwieriger, weil sehr viel auf der regionalen Ebene, sehr viel mehr vor Ort getan werden musste als vorher der Fall war. Es ist sehr schwer Menschen zum Handeln zu motivieren und zu mobilisieren, vor allem dann wenn das wogegen man vorgehen will, zugleich in hundert verschiedenen Landesteilen stattfindet, aber eben nicht auf nationaler Ebene. Deshalb haben wir zunehmend örtliche Kampagnen veranstaltet, um neue Glaubens-Schulen bereits vor ihrer Eröffnung zu stoppen und konnten damit eine von Erfolgen erzielen. Wir haben auch rechtliche Schritte eingeleitet, um die Prinzipien der Regierung hinter ihrer „Neue-Schulen-Agenda“ in Frage zu stellen, zu der es deshalb Ende dieses Jahres eine erste Anhörung vor Gericht Ende geben wird.
Andere bedeutende Themen sind für uns der Ausbau von Unterstützung in Gefängnissen und Krankenhäusern und damit einhergehend und Erstellung neuer Programme zur Unterstützung von nicht-religiösen Menschen sowie die Ausbildung von Freiwilligen die solche Aufgaben übernehmen wollen. Ich weiß nicht wie es in anderen Ländern ist, aber in England gibt es staatlich finanzierte Seelsorger in jedem Gefängnis, Krankenhaus, bei den bewaffneten Streitkräften und so weiter, aber keine Ansprechpartner, der für alle anderen in der gleichen Weise da wäre. Hier gibt es ganz klar einen Bedarf, dem wir mit unseren Freiwilligenprogrammen versuchen gerecht zu werden.
Es ist also bunte eine Mischung aus verschiedenen Themen und Problemstellungen, mit denen Sie sich für die Förderung des Humanismus einsetzen und Druck auf die Kirche ausüben?
AC: Ja, es ist eine Mischung, es ist immer eine Mischung. Sie müssen ihr eigenes Programm, ihren eigenen Plan und ihren eigenen Weg fördern; dies, das oder das andere, von dem sie hoffen, damit weiter zu kommen und dazu kommt dann noch all dieser andere Mist auf denen man leider die ganze Zeit zu reagieren hat.
Wie steht es mit Kontakten bzw. der Zusammenarbeit mit politischen Parteien oder einzelnen Parlamentsmitgliedern?
AC: Nun, wir haben eine humanistische Gruppe im Parlament, die 120 Mitglieder umfasst. Sie besteht sowohl aus Mitgliedern des Parlaments als auch des Oberhauses und setzt sich aus Mitgliedern aller Parteien zusammen. Das ist eine gute Gruppe und wir arbeiten mit ihnen sehr eng zusammen. Ich denke, dass das eine angenehm große Zahl von Menschen ist und wir sind damit sehr zufrieden.
Außerdem haben wir auch humanistische Gruppen innerhalb der drei wichtigsten politischen Parteien. So gibt es eine Labour Humanist Gruppe, eine Gruppe humanistischer und säkularer liberaler Demokraten, und sogar eine konservative Humanist Association. Wir besuchen jedes Jahr die jährlichen Konferenzen der drei politischen Parteien und machen Veranstaltungen mit der jeweiligen innerparteilichen Humanistengruppe. Die größte ist in der Regel die Gruppe in der Labour Partei, aber auch sehr stark ist die Gruppe in den Liberaldemokraten. Wir machen jedes Jahr ein „Frühstück ohne Gebet“ während des Labour-Parteitags, da die Kirchen bei jeder Konferenz ein „Gebetsfrühstück“ anbieten. Also haben wir eines "ohne Gebet", d.h. wir frühstücken mit besserem Essen, besserem Kaffee, und in diesem Jahr wurde es auch besser besucht als das Gebetsfrühstück, das und Ich freue mich das sagen zu können, nicht sehr gut besucht war. Wir hatten mehr als 100 Besucher auf unserer Veranstaltung auf der Labour Conference.
Das ist nicht nur eine nützliche Methode um Politiker zu treffen und mit ihnen ins Gespräch zu kommen, sondern auch, um deutlich zu machen, dass wir Interessen haben und einen wesentlichen Faktor in den nationalen Debatten darstellen. Von den Führern der drei großen politischen Parteien können wir den Vorsitzenden der Liberaldemokraten zu unseren Sympathisanten zählen, er ist ein Humanist. Er hat das Amt des stellvertretenden Premierministers in Großbritannien inne, auch wenn er derzeit nicht unbedingt der populärste Mann der Regierung ist. Natürlich ist auch der Führer unserer Arbeiterpartei nicht religiös. Er ist Atheist, aber ich weiß nicht ob er sich selbst als Humanist versteht. Dann ist da natürlich immer noch der derzeitige Premierminister, der sich selbst als versteht.
Apropos „Frühstück ohne Gebet“ - Ich habe gehört, dass Sie sich bemüht haben die Tradition zu beenden, nach der in den Gemeinderäten jede Ratssitzung mit einem Gebet begonnen wird?
AC: Das ist richtig, insbesondere die Devon Humanisten sind da sehr aktiv gewesen, um Gebete als Teil das formellen Teils der Ratsversammlung zu verhindern, und tatsächlich hat die bereits erwähnte National Secular Society vor kurzem Klagen gegen den Rat eingereicht und diese rechtlichen Schritte gewonnen, nicht weil die Gebete nicht erlaubt waren, aber wegen eines Formfehlers. Der Local Government Act gestattete es nicht, die Gebete abzuhalten könnten. Es war ein zufriedenstellender juristischer Sieg mit Öffentlichkeitswirkung. Leider hat die Regierung gerade angekündigt, dass mit den Gebeten fortgefahren werden kann, weil sie das entsprechende Gesetz im Vorjahr geändert habe. Aber ich hoffe, dass immer mehr Kommunen sich dafür entscheiden werden, keine christlichen Gebete in den Ratssitzungen zu veranstalten. Natürlich ist es viel besser, wenn sich die beteiligten im Klaren darüber sind, dass es sich bei diesen Gebeten um einen pauschalen Akt handelt, über den es aber nachzudenken lohnt, als wenn jeder diesen Akt einfach nur als gegeben hinnimmt. Das Westminster Parlament in London beginnt jeden Tag mit christlichen Gebeten. Sie sind nicht obligatorisch, aber man kann hingehen.
Nachdem das schottische Parlament neu eröffnet wurde, entschieden sich die Beteiligten, nicht zu beten. Stattdessen wurde eine Art Denkpause eingeführt zu der verschiedene Menschen eingeladen werden, um über die Bedeutung der kommenden Arbeit zu reflektieren: Religiöse Menschen, Priester, Imame, Rabbiner und so weiter, aber auch die Humanist Society of Scotland wurde eingeladen, zu Beginn der Sitzungen zu sprechen. Auf diese Weise versuchen sie, etwas für die Bedeutung der Parlamentssitzungen zu tun, eine Art von Feierlichkeit und ständige Reflexion über den Kontext des Ganzen fest in die Sitzung zu integrieren. Natürlich ist die Zusammenstellung der geladenen Gäste nicht repräsentativ, wäre sie es tatsächlich müssten 90 Prozent dieser Eröffnungsbeiträge von der Humanist Society of Scotland vorgetragen werden und lediglich 10 Prozent von einem Priester und ein Rabbi. Aber ich denke das Schottische Parlament hat hier eine gute Lösung gefunden.
Ist es richtig, dass in der Republik Irland auch ein Humanist eingeladen wurde, um bei der Amtseinführung des neuen Präsidenten zu sprechen?
AC: Ja, das ist richtig, in der Republik Irland wurde ein Humanist eingeladen.
Zum ersten Mal!
AC: Ja es ist lange Zeit ein sehr katholisches Land gewesen, aber zugleich macht die Republik Irland auch große Fortschritte. Auch humanistischen Eheschließungen sind inzwischen gesetzlich anerkannt.
Sie haben dort große Probleme mit der katholischen Kirche.
AC: Ja, die Kirche erntet das, was sie in dieser Hinsicht gesät hat.
Was werden Ihrer Meinung nach die Themen für die nächsten drei Monate oder in den nächsten drei Jahren sein?
AC: Die Kampagne gegen konfessionelle Schulen wird fortgesetzt und das wird leider extrem wichtig für viele weitere Jahre bleiben. Eines der wachsenden Probleme, das zunehmend von Belang sein wird, ist die Entstehung neuer religiöser Sozialleistungen. Unser Sozialstaat wird derzeit reformiert, wir sind derzeit mittendrin, und unsere öffentlichen Dienste befinden sich in Umwandlung, d. h. Dienstleistungen, die einst direkt von staatlichen Einrichtungen durchgeführt wurden, sollen und werden jetzt an andere Organisationen vergeben.
In Deutschland sind Caritas und Diakonie, also die katholische und evangelische Kirche, die größten Wohlfahrtsverbände in Deutschland mit über 1,2 Millionen Beschäftigten.
A.C.: Ach wirklich? Das ist zwar in Großbritannien nicht der Fall, aber das kann auch hier passieren. Das ist die Richtung, in der die Dinge in Großbritannien gehen. Es wird nie zu diesem Ausmaß kommen, das glaube ich nicht, oder es passiert nicht auf einmal, aber es gibt immer mehr, vor allem lokale Dienstleistungen, die ausgegliedert und an religiöse Gruppen vergeben werden. Das wirft natürlich alle die Probleme auf, von denen ich sicher bin, dass es sie auch in Deutschland gibt: Beschäftigungsfragen, Finanzierung der Leistungserbringung, Fragen bis hin zu dem Problem, ob die Dienste wirklich für alle dortigen Nutzer sind oder sind sie Missionierung oder Evangelisierung mit öffentlichen Geldern? Das ist ein aufstrebendes Thema für uns, bei dem wir bereits mittendrin sind, aber es wird in der Zukunft sicherlich noch mehr an Bedeutung bekommen.
Wir hoffen auch, in den nächsten zwei Jahren mehr Zeit mehr Zeit für die Arbeit in den Schulen zu haben. Denn vor sechs Jahren besagten die nationalen Leitlinien für Bildung über Überzeugungen und Werte in den Schulen in England und Wales, dass der Humanismus neben der Religion in unseren Schulen gelehrt werden sollte, und wir wollen mehr tun, um das mit Ressourcen, Vorträgen und Lehrmaterial zu unterstützen - eine sehr wichtige Sache in den nächsten zwei Jahren.
Interessant, in Deutschland gibt es säkulare Pläne, Evolution in die Grundschulen zu bringen. Große 50 Meter lange Plakate, die Kinder weiter zeichnen können, um gegen den Kreationismus zu arbeiten.
A.C.: Haben Sie Probleme mit Kreationismus?
Nicht dramatisch, aber Humanismus ist in Deutschland auch nicht sehr weit verbreitet.
A.C.: Wir hatten einen sehr guten Erfolg, aufgrund einer sehr guten Kampagne, als wir die Regierung veranlassten, Kreationismus in den neuen freien Schulen zu ächten, was gut war. Aber es ist ein Problem, das vor allem aus Amerika kommt, mit einer Menge Geld dafür.
Andrew, Sie haben selber einmal für die Europäische Humanistische Föderation (EHF) gearbeitet. Was denken Sie, würde benötigt werden, um der innereuropäischen säkularen Kommunikation mehr Schwung zu geben? In Deutschland wissen die meisten Menschen nichts von der EHF.
AC: Es liegt in der Natur der europäischen Organisationen, dass sie ein wenig von den nationalen Organisationen entfernt sind. Ich meine die Europäische Humanistische Föderation sieht es als ihre Aufgabe an, in den europäischen Institutionen zu arbeiten und sie zu beeinflussen - in Europa, was Brüssel bedeutet, Wien für die OSZE und die internationalen Organisationen, die dort arbeiten und in Straßburg gelegentlich im Europarat. Aber ich denke, es ist ein interessanter Punkt. Wir hatten Diskussionen unter den Geschäftsführern oder Generalsekretären der nationalen Verbände auf EHF-Veranstaltungen entlang der Linien ob es gut sei, dass die EHF diese Lobbyarbeit bei den EU-Institutionen tut, oder es auch eine Möglichkeit gäbe, dass wir uns als verschiedene europäische nationale Organisationen gemeinsam mehr vernetzen. Deshalb gibt es Möglichkeiten, mehr zu tun. Ich denke, das ist eine gute Idee. Es gibt Dinge, die wir voneinander auf diese Weise lernen können. Hoffentlich wird mehr getan werden.
Zum Beispiel ist die Frage der Rechte von religiösen Wohlfahrtsverbänden gerade jetzt ein großes Thema in Deutschland. Es gibt eine Kampagne, um die spezifischen Rechte zu beenden, die die Kirchen haben, um diese Dienstleistungen zu erbringen.
A.C.: Das ist richtig. Es könnte eine Dimension des Europäischen Rechts geben, die wir alle zusammen nutzen könnten. Ich weiß, dass David Pollock, als er als Präsident der EHF hier war, sehr viel in dieser Richtung tun will, um zu versuchen, die Menschen miteinander zu verbinden und gemeinsame Bereiche zu definieren. Aber natürlich ist das Problem, dass die Europäische Humanistische Föderation sehr wenig Geld hat. Ich denke, es ist sehr schwer, eine kontinentale Organisation zu sein. Und schließlich ist es tatsächlich die belgische Organisation, die den Mitarbeitern der EHF Raum in ihren Büros bieten und das ist ein großer Kostenblock für sie, ebenso wie für die Norweger, die das meiste Geld geben.
Nun, um zum Ende zu kommen, gibt es ein Thema, das wir nicht angesprochen haben, das besonders wichtig für Sie ist?
AC: Ja, ebenso wie ich daran denke, dass die Europäische Humanistische Föderation wichtig ist, so ist auch die International Humanist & Ethical Union (IHEU) sehr wichtig. Als meine Zeit bei der European Humanist Federation beendet war, ging ich in den Vorstand der International Humanist & Ethical Union, was ich im Moment zusätzlich zu meiner Arbeit in der BHA tue. Vor allem gibt es einen Spielraum für eine stärkere Vernetzung zwischen den nationalen Organisationen, nicht nur auf kontinentaler Basis. Ich denke, dass es wirklich nützlich sein könnte, wenn wir die Verbindungen zwischen einzelnen nationalen Organisationen erhöhen könnten, sowohl in den westlichen, entwickelten Ländern und Organisationen, die einfach Ausgangspunkt für andere Teile der Welt sein könnten, zu Organisationen auf den Philippinen, in Nigeria oder Südamerika, die zunehmend wachsen, sogar in Osteuropa und Ostasien. Es gibt neue Gruppen in Hong Kong, es gibt die Singapur Humanist und eine neue Gruppe in Nepal. Also ich denke, es wäre sehr gut, wenn wir anfangen würden, diese Organisationen gemeinsam mehr international zu vernetzen. Vielleicht könnte man sogar eine europäische Organisation mit einer afrikanischen Organisation verbinden und so weiter. Also ich denke, dies ist ein sehr wichtiger Aspekt, und ich hoffe, dass wir mehr davon in der International Humanist & Ethical Union tun werden.
Danke für das Gespräch.
Die Fragen stellte Carsten Frerk
Aufgezeichnet in London am 23.10.2012
Transkription und Übersetzung: Alexander Frerk